Gegen die evangelische Pfarrerin Doris Otminghaus aus Haßfurt (Lkr. Haßfurt) läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Die Pfarrerin soll sich möglicherweise strafbar gemacht haben, als sie mehreren abgelehnten Asylbewerbern in ihrem Pfarrhaus Kirchenasyl gewährte. Im Raum steht der Verdacht einer „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“. Der Fall aus Haßfurt ist nicht der einzige. „Uns sind mehrere vergleichbare Fälle aus ganz Bayern bekannt“, sagt Johannes Minkus, Pressesprecher des Evangelischen Landeskirchenamts.
Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann bestätigt, ohne den Namen zu nennen, dass es ein Verfahren gegen eine Pfarrerin aus dem Landkreis Haßberge gibt. „Die Ermittlungen laufen“, teilt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Bamberg mit, „wie sie ausgehen, ist aber noch völlig offen.“ Die Staatsanwalt sei im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung tätig geworden, weil man vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten habe.
Man gehe aber nicht generell gegen das Kirchenasyl vor, betont Bachmann, sondern nehme Ermittlungen nur dann auf, wenn einer Person Kirchenasyl gewährt werde, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalte und somit eine Straftat begehe. Und derjenige, der dieses Kirchenasyl organisiere und dem dabei auch bewusst sei, dass es sich um einen Straftäter handle, der mache sich unter Umständen selbst der Beihilfe zu einer Straftat schuldig, erklärt Bachmann.
Jahrhunderte alte Rechtspraxis
Derzeit gebe es im Freistaat 53 evangelische Kirchenasyle, weiß Johannes Minkus. Das Kirchenasyl ist juristisch gesehen kein verbindlicher Schutz vor Strafverfolgung. Es gehört eher in den Bereich des Gewohnheitsrechts. In praktisch allen Kulturen der Menschheit verzichtet seit Jahrhunderten die weltliche Macht auf den Zugriff von Personen, die sich in einen besonders gekennzeichneten heiligen Bereich geflüchtet haben. Diese Beißhemmung der Strafverfolgungsbehörden hat sich bis in unsere Tage überliefert. Doch nun scheint der Freistaat Bayern das Gentlemen?s Agreement aufzukündigen.
„Ich sehe diese Entwicklung äußerst kritisch“, macht Jürgen Blechschmidt, der Dekan des evangelischen Dekanats Rügheim im Landkreis Haßberge, deutlich. „Das ist eine neue Politik, die mich an die 80er Jahre unter Franz-Josef Strauß erinnert.“ Das Institut des Kirchenasyls sei sehr wichtig für Menschen, die alle anderen Möglichkeiten schon ausgeschöpft hätten und ihre letzte Hoffnung beispielsweise auf eine laufende Petition setzen würden. „Wir machen das ja nicht leichtfertig, sondern nur, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Es ist immer die Ultima Ratio.“
Dies sieht auch Pfarrerin Doris Otminghaus so. Sie sei nicht generell gegen Abschiebungen, betont sie. Schließlich habe niemand einen Anspruch darauf, in einem bestimmten Land aufgenommen zu werden, wenn ihm in seiner eigenen Heimat oder in einem Drittland, in das er nach der Dublin II-Regel zurückgeführt werden müsste, ein menschenwürdiges Leben möglich sei. Sie schütze aber Menschen, denen nach einer Dublin II-Rückführung in Ländern Osteuropas Gefängnis oder Sammellager drohe. Und im Kirchenasyl in Haßfurt seien auch abgelehnte Bewerber aus Afghanistan, weil das Land am Hindukusch – anders als die Bundesregierung meint – kein sicheres Herkunftsland sei.
Zum Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hat Otminghaus eine klare Meinung: „Das ist eine Einschüchterungsmaßnahme.“
Ermittlungen eingestellt
Ins Visier der Staatsanwaltschaft Bamberg geraten war auch Bernd Grosser, der evangelische Pfarrer der Stadt Ebern (Lkr. Haßberge). Auch seine Kirchengemeinde bietet derzeit Menschen Kirchenasyl. Auch gegen Grosser lief ein Ermittlungsverfahren. „Ich wurde von der Staatsanwaltschaft am Telefon befragt, habe aber die Aussage verweigert.“ Zwei Wochen später habe er dann von der Anklagebehörde einen Brief erhalten, wonach das Verfahren gegen ihn wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sei. Im Wiederholungsfalle werde ihm aber eine Strafe angedroht, stand im Brief zu lesen. „Das ist doch eine politisch motivierte Einschüchterung“, empört sich auch Bernd Grosser.
Polizei hat sich gemeldet
Die evangelische Kirchengemeinde von Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) hat momentan zwei Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt. Pfarrer Reiner Apel hat kürzlich von der örtlichen Polizeiinspektion den mündlichen Hinweis bekommen, dass es für die Ordnungshüter inzwischen eine neue dienstliche Weisung gibt: Falls es einen neuen Fall von Kirchenasyl geben sollte, dann müsse die Polizei die Namen der dafür Verantwortlichen an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeben, erzählt Apel. „Ob damit aber nur ich als Pfarrer oder alle Mitglieder des Kirchenvorstands gemeint sind, das weiß ich nicht.“
Bei den möglicherweise bevorstehenden rechtlichen Auseinandersetzungen im Ermittlungsverfahren hofft Pfarrerin Doris Otminghaus jetzt auf Unterstützung von oben. „Die Landeskirche muss ihre Leute verteidigen“, sagt sie. Ihr Dekan Jürgen Blechschmidt warnt aber vor allzu großer Hoffnung. Ein Kirchenasyl entwickle sich in der Regel aus der Seelsorgearbeit vor Ort, wenn mit Flüchtlingen zwischenmenschliche Beziehungen entstünden. „Das ist immer eine Geschichte vor Ort, die Verantwortung liegt beim örtlichen Kirchenvorstand.
“ Das Landeskirchenamt könne zwar eine allgemeine Rechtsberatung bieten, letztlich müssten sich aber Pfarrer und Kirchenvorstand selbst verteidigen.