Dornröschenschlossstimmung lag am Dienstagabend über dem einstigen Klosterhof und dem Westflügel des mächtigen Bauwerks. Zumindest so lange, bis die fast 100 Bürger im ehemaligen Speisesaal der Klosterschwestern Platz genommen hatten. Dabei schien es, als habe der Orden gerade erst die Heimstatt, in der er 134 Jahren weilte, verlassen. Dazu passte, dass die alte Wanduhr im Halbstundentakt schlug, als ob sie an alte Zeiten erinnern wollte.
Eine Stunde sollte die Veranstaltung dauern, viermal erklang der Gong. Am Ende waren es also doch zwei Stunden geworden. Schuld daran war die offene Atmosphäre, mit der sich auf der einen Seite die Verantwortlichen der Drogenhilfe-Einrichtung, auf der anderen Seite die Eichelsdorfer Bürger das erste Mal begegneten. Aufklärung über den Träger stand genauso im Fokus wie ein Kurzreferat von Dr. Gerald Zöller, stellvertretender Direktor des Bezirkskrankenhauses Werneck, über Drogenabhängigkeit und ihre Behandlung – und natürlich das neue Konzept für das Kloster Eichelsdorf.
Eröffnet wurde der Informationsabend von Thomas Bader, Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bw-lv). „Wir wollen gern gesehene Menschen bei Ihnen sein, verstehen aber Ihre Skepsis. Unsere höchste Priorität ist Sozialverträglichkeit, dazu halten wir unsere Klienten vom ersten Augenblick an.“ Bader nahm Berührungsängste und berichtete über die Einrichtungen der bw-lv.
Seit 1977 ist die Einrichtung auf der Bettenburg, 3000 Patienten wurden in dieser Zeit behandelt. Jährlich sind es etwa 120, die ihre sechsmonatige Rehabilitationszeit antreten. Durchschnittsalter der Klienten: 27,5 Jahre.
Bader erklärte die Zwänge, die zu einem Wechsel von der Bettenburg ins Kloster Eichelsdorf führten. Diese lägen vor allem in den Forderungen der Träger der Reha-Kuren, in einer Modernisierung der Wohneinrichtungen. „Ein optimal geführtes Unternehmen mit sehr guten Erfolgen“ so Bürgermeister Wolfgang Borst. Und er nahm den Bürgern eine Sorge: „In den 32 Jahren ihrer Anwesendheit habe es laut Rücksprache mit der Polizei keinerlei Anstieg der Kriminalität gegeben.“
Diplom-Psychologe Robert Soto-Löwenthal als Leiter der Einrichtung lieferte weitere Details: Von den 126 Patienten im Jahre 2008 wurden 67 (53 Prozent) irregulär entlassen. Das heißt, sie haben die Reha-Kur abgebrochen oder mussten wegen Verstößen gehen. Ein Grund für die hohe Quote sei „Spice“, eine Droge, die lange nicht nachweisbar war und erst Ende 2008 verboten wurde.
50 Prozent reguläre Entlassungen nach sechsmonatiger Reha gelten als Erfolg. Allerdings bleiben fast dreiviertel aller Klienten noch einige Monate unter der Obhut der Einrichtung.
Die Behandlung beruhe auf vier therapeutischen Hauptsäulen: Arbeit, Psychologie, Medizin, Freizeit. Eine Reha-Kur koste rund 35 000 Euro, die in den meisten Fällen von der Rentenversicherung getragen werde. Ausbrechen aus der Einrichtung muss niemand. „Wer gehen will, dem bringen wir seinen Koffer, fahren ihn zum Bahnhof und kaufen ihm die Fahrkarte“, so Soto-Löwenthal. Gehen müsse, wer den Regelkatalog der Einrichtung nicht beachtet. Die obersten Gebote: kein Alkohol, keine Drogen, keine Gewalt. In den ersten drei Monaten gebe es Ausgang nur in Begleitung. Kurze Besuche zu Hause – die meisten Klienten kommen aus Bayern – sind erst nach vier Monaten erlaubt. Bettruhe ist um 22.30 Uhr, am Wochenende um 23.30 Uhr.
Der Umzug der Drogenhilfe-Einrichtung nach Eichelsdorf ist für Dezember geplant, die Umbauarbeiten werden im Juni beginnen. Vor allem im Küchenbereich, bei der Elektroinstallation und dem Feuerschutz sind viele neue Richtlinien zu beachten. Zunächst soll aber nur der Altbau umgebaut werden.
Es werde künftig weitere Veranstaltungen und Vorträge geben, zu denen die Bürger eingeladen seien, so Bader am Ende. Mit der Informationsveranstaltung habe es einen guten Auftakt für ein Nebeneinander gegeben, so Borst. Und Fall doch etwas nicht so klappen sollte, sei unter Tel. (0 95 23) 9 52 00 für die Bürger Tag und Nacht eine verantwortliche Person der Einrichtung erreichen.