Lang, lang ist's her, seit die Osttangente gebaut wurde. Umweltschützer und Schladi(umgangssprachlich für Schlettach)-Traditionalisten besänftigten die Straßenbauer damals mit dem Versprechen, das Gebiet zwischen der Osttangente und dem Wäldchen namens Schlettach sei tabu, werde niemals bebaut werden, bliebe der Landwirtschaft vorbehalten.
Wer sich allerdings rühmte, flüssig bis drei zählen zu können, vermutete schon damals, dass eine Erschließungs- oder Entlastungsstraße dieser Qualität sicher nicht ewig nur einseitig bebaut werden würde. Dafür ist eine solche Straße einfach zu wertvoll. Als dann eine Biogasanlage dort konzipiert wurde, waren die Umweltskeptiker hin- und hergerissen. War das noch landwirtschaftliche Nutzung, oder doch schon eine Art Industriebetrieb? Auch die Photovoltaikanlage direkt am Ostrand des Wäldchens konnte man mit in der Tasche geballter Faust gerade noch erdulden. Aber schon beim Gewerbegebiet Schlettach wurde klar, für den Schladi wird's langsam eng. Noch war aber aber der Anstandsabstand einigermaßen gewahrt.
Jetzt soll sich das Gewerbegebiet Schlettach II anschließen. Und dieses wird sich, so es denn in der jetzigen Planungsform genehmigt wird, sehr eng an den Schladi kuscheln. Viel Luft bleibt dem Wald und seinen Bewohnern auf dieser Seite allerdings nicht mehr.
Hier treffen nun zwei Philosophien aufeinander. Der Wirtschaftswissenschaftler spricht davon, dass ein Unternehmen, ein Gewerbegebiet, eine Stadt immer weiter wachsen muss. Stillstand ist Tod. Der Umweltschützer erzählt genau das Gegenteil. Ausuferndes Wachstum mit Flächenversiegerlung, Artensterben und allem, was damit einhergeht, sieht er als unabwendbare Todesursache der Menschheit.
Zwei Umstände machen die derzeitige Situation rund um ein mögliches Gewerbegebiet Schlettach speziell. Zum einen möchte ein Unternehmen mitten in das landschaftlich sensible Gebiet zwischen der Verlängerung der Walter-Tron-Straße und der Böschung, die das Baugebiet zum Südosten hin abgrenzt, eine Halle mit einer Höhe von 18 Metern errichten. Die Mitglieder des Haßfurter Stadtrates haben in ihrer letzten Sitzung verlangt, dass man ihnen ein dreidiemnsionales Modell zur Verfügung stelllt, das deren Dimension verdeutlicht. Als Anhaltspunkt mag ihnen inzwischen dienen, dass 18 Meter in etwa der Höhe der beiden Uponorgebäude entsprechen.
Zum anderen wurde zwischen der Prappacher Straße und dem Sterzelbach nördlich der Godelstatt und gegenüber der Gärtnerei Roth bereits ein Gewerbegebiet ausgewiesen. Natürlich diente die Ausweisung in erster Linie dazu, für die Entlastungsstraße zur Godelstatt Fördergelder zu requierieren, nichtsdestotrotz handelt es sich hier dennoch um ein richtiges Gewerbegebiet. Die vor vielen Jahren vorherrschende Meinung, hier könne sich kein Betrieb ansiedeln, da die Grundstücke durch das Vorhandensein von Versorgungsleitungen „verseucht“ sei, hat inzwischen keine Gültigkeit mehr. Baufachleute sehen hierin inzwischen kein Hinderniss mehr, das nicht verlegt werden könnte.
Möglicherweise würde sich die Firma mit ihrem 18-Meter-Turm an der Prappacher Straße etwas einsam fühlen. Aber andererseits ist es vielleicht gar nicht schlecht, wenn ein Unternehmen, das das englische Wort für „Klang“ im Namen führt, etwas Abstand zum Nachbarn hat.