Wer als Künstler auf eine Bühne geht, hofft auf ein großes Publikum. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie sind diesem Wunsch Grenzen gesetzt. Denn aufgrund von Abstandsregeln im Publikum kann nur ein Bruchteil der Plätze belegt werden. Können Bühnenkünstler unter diesen Umständen überhaupt wirtschaftlich arbeiten? "Es ist weniger rentabel, aber dennoch wichtig", sagt Carmen Streit, Verwaltungsleiterin des Theaters Schloss Maßbach. Seit vielen Jahren führt das Theater seine Stücke nicht nur auf der eigenen Bühne auf, sondern geht auch damit auf Tour. Am Dienstagabend gastierten die Schauspieler zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder in der Haßfurter Stadthalle.
Ein Stück mit kleiner Besetzung
"Wir verstehen uns auch aus Volkstheater" sagt Streit. Da spielen die ideellen Werte eine große Rolle. Obwohl unter diesen Umständen die Einnahmen geringer sind, wollen die Theater-Mitarbeiter zeigen, dass sie weiterhin Theater machen. Und die Resonanz sei durchweg positiv gewesen: Im Sommer gehörten sie zu den ersten Theatern, die auf ihrer Freilichtbühne wieder den Spielbetrieb aufnahmen – und mussten gleich Nachholtermine ansetzen, weil das erste Stück mit Abstandsregeln im Publikum schnell ausverkauft war. Gefreut habe sich das Team auch über zahlreiche positive Rückmeldungen von Zuschauern sowie über Spenden.
Für den Beginn ihrer Tour in diesem Herbst haben sich die Maßbacher coronabedingt bewusst für ein Stück mit kleiner Besetzung entschieden. Die Wahl fiel auf das zwei-Personen-Stück "Bildung für Rita" des englischen Schriftstellers Willy Russell.
"Bildung für Blödis"
Die Komödie handelt von einem Kurs an der "offenen Universität", die auch Menschen aus der Arbeiterklasse den Zugang zu höherer Bildung ermöglichen soll. Rita (Anna Schindlbeck) ist 26 Jahre alt, Friseurin, verheiratet und mit ihrem Leben unzufrieden. Ihre Familie betrachtet höhere Bildung als überflüssigen Quatsch. Ihr Mann drängt sie, endlich Kinder zu bekommen, wozu sie sich jedoch nicht bereit fühlt. Rita findet ihr soziales Umfeld zu oberflächlich und möchte sich weiterbilden, weshalb sie einen Kurs bei dem Literatur-Dozenten Frank (Ingo Pfeiffer) besucht - "Bildung für Blödis", wie Rita es selbstironisch bezeichnet. Der wiederum ist desillusioniert und hat ein Alkoholproblem.

Das komplette Stück spielt in Franks Büro, wo er Rita abends unterrichtet. Dargestellt werden mehrere dieser Unterrichtsstunden, vom ersten Treffen der Beiden bis zur Zeit von Ritas Abschlussprüfung. Mit ihrem überdrehten Auftreten und ihrer unkonventionellen Art, Literatur zu beurteilen, gibt sie Frank die Lust an seinem Fach zurück, während sie selbst sich endlich intellektuell gefordert fühlt. So entsteht zwischen ihnen eine Freundschaft, die bald für Eifersucht im Umfeld des Duos sorgt. Frank bekommt zudem immer mehr das Gefühl, seiner Schülerin mit dem Unterricht, der ihr den wissenschaftlichen Umgang mit Literatur beibringen soll, gerade die Leidenschaft auszutreiben, die er so an ihr schätzt.
Langsame Wandlung – überzeugend gespielt
Das Theater Schloss Maßbach setzte die Geschichte gekonnt um. Besonders Rita-Darstellerin Anna Schindlbeck gelang es, die langsame Wandlung im Auftreten ihrer Figur so subtil darzustellen, dass der Zuschauer eine Veränderung bemerkte, ohne jedoch einen plötzlichen Bruch in Ritas Verhalten zu sehen. Mit 91 Besuchern war das Stück für das, was in Corona-Zeiten möglich ist, gut besucht.
Wie viele Leute insgesamt in die Stadthalle gepasst hätten, sei hingegen schwer zu sagen, heißt es vom Theater. Denn das hänge sehr stark davon ab, ob die Leute in größeren Gruppen kommen, die zusammensitzen dürfen, oder ob das Publikum aus vielen Paaren oder sogar Einzelpersonen besteht, zwischen denen dann immer ein großer Abstand gehalten werden muss. Als Beispiel nennt Carmen Streit die eigene Freilichtbühne in Maßbach: Dort gab es eine Vorstellung mit vielen Einzel-Gästen, die schon mit 66 Besuchern für ausverkauft erklärt werden musste. Bei Vorstellungen, in denen das Publikum vor allem aus größeren Gruppen bestand, war es hingegen möglich, mehr als 100 Karten zu verkaufen. "Es gibt da wirklich eine ganz große Varianz", sagt Streit.
Publikum muss Abstand halten
Wie die Abstandsregeln im Publikum umgesetzt werden, sei von Spielstätte zu Spielstätte unterschiedlich, berichtet Carmen Streit von den Gastspielen. In Haßfurt waren die Stuhlreihen komplett, wobei den Zuschauern Plätze zugeteilt wurden und Plätze frei bleiben mussten, um Abstände zwischen Besuchergruppen einzuhalten. Andernorts käme es auch vor, dass Stühle gleich gruppenweise aufgestellt werden. Da im Landkreis Haßberge zum Zeitpunkt der Aufführung der kritische Inzidenz-Wert von 35 überschritten war, mussten die Zuschauer auch während der Vorstellung ihre Masken aufbehalten.
Für die Schauspieler bedeutet die Pandemie häufige Corona-Tests. Wer an einem Gastspiel mitwirkt, muss einen aktuellen Test mitbringen, und auch wer Erkältungssymptome hat, geht auf Nummer sicher. Auch werden schneller Aufführungen abgesagt, denn während Schauspieler sonst dafür bekannt sind, sich viel abzuverlangen und auch mit einer teilweise recht schweren Erkältung noch auf die Bühne zu gehen, werde nun viel schneller die Reißleine gezogen.
Kuss auf der Bühne? "Wir überlegen noch."
Derweil laufen die Proben für "Nach Paris", das nächste Tourneestück. Und dabei zeigt sich, dass Corona auch Auswirkungen darauf hat, was auf der Bühne dargestellt wird und werden darf: "In dem Stück gibt es eine Kussszene", berichtet Carmen Streit. Noch sei nicht entschieden, ob sich die Darsteller auch in der Inszenierung des Theaters Schloss Maßbach küssen werden. Zwar wohnen die beteiligten Schauspieler in einem gemeinsamen Hausstand, so dass sie sich eigentlich problemlos küssen dürften. Manche Spielstätten legen allerdings Wert darauf, dass bestimmte Dinge, die als Verstoß gegen Hygiene-Regeln gewertet werden können, derzeit nicht auf der Bühne gezeigt werden sollen. "Man muss immer ein neues Hygiene-Konzept erarbeiten", berichtet Carmen Streit. "Wir sind lieber vorsichtig." Und so gelte auch für den Kuss im kommenden Stück, das am 24. November in Haßfurt aufgeführt werden soll: "Wir überlegen noch."
Karten für die Gastspiele des Theaters Schloss Maßbach gibt es im Kulturamt Haßfurt.