Der Lehrstellenmarkt ist positiv – zumindest aus der Sicht junger Leute. Wie bereits in den vergangenen Jahren zu beobachten war, werden immer mehr Lehrstellen angeboten, die dann aber unbesetzt bleiben. Vor allem bei handwerklichen Betrieben herrscht momentan Bewerbermangel.
Dies kann auch Max-Martin Deinhard, Bereichsleiter Berufsausbildung der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt, bestätigen. Zwar konnten in der Region mehr Ausbildungsverträge geschlossen werden als im Vorjahr, doch im Allgemeinen täten sich die Betriebe immer schwerer, Auszubildende zu finden.
Viele offene Stellen
Er nennt auch Zahlen: etwa 260 neue Ausbildungsverträge konnten für das kommende Lehrjahr in den Haßbergen geschlossen werden. Dies seien zwar 22 Verträge mehr als im Vorjahr, doch gibt es immer noch viele offene Lehrstellen, vor allem in den Bereichen Informatik, Lager, Industrie, Chemie, Elektronik sowie in den kaufmännischen Berufen. „Oft meldet sich kein einziger Schulabgänger auf die Lehrstellenangebote der Betriebe“, sagt Deinhard.
Er erklärt, dies liege vor allem daran, dass in den letzten Jahren mehr Lehrstellen angeboten werden. Diese führten dann wiederum zu mehr freien Ausbildungsstellen.
Als einen weiteren Grund gibt er die Studienplatzzusagen an, die Ende August an die Schulabgänger mit Hochschulreife verschickt werden. „Viele Abiturienten bewerben sich im Frühjahr um eine Ausbildungsstelle und lösen dann nach der Studienplatzzusage ihren Ausbildungsvertrag“, so Max-Martin Deinhard. Sie studieren also lieber, als eine Lehre zu beginnen. Es werden deshalb auch kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sicher noch mehr Plätze frei werden.
Früherer Kontakt zu Schülern
„Bei der künftigen Entwicklung dieses Problems spielt der demografische Wandel eine große Rolle“, erklärt Deinhard. Der Trend, dass immer weniger Kinder geboren werden, führt schließlich zu weniger Jugendlichen, die ausgebildet werden können. Verhindern kann man diese Entwicklung nicht, die Betriebe können jedoch für Besserung am Ausbildungsmarkt sorgen. „Die kleinen Betriebe müssten sich noch attraktiver darstellen“, rät Max-Martin Deinhard. Außerdem sollten sie früher Kontakt zu künftigen Schulabgängern aufnehmen. Sei es auf Berufsmessen oder in der Schule selbst.
Ausbildung gute Basis für Studium
Weiterhin dürfe man die Vorzüge einer Ausbildung nicht vergessen. Deinhard gibt einen Denkanstoß für viele Jugendliche. „Eine Ausbildung ist ein sehr guter Einstieg ins Berufsleben.“ In vielen Fällen sei sie zudem eine gute Basis für ein Studium.
Auch Dieter Scheidler, Teamleiter für Berufsberatung von der Agentur für Arbeit in Schweinfurt sieht die Situation um Lehrstellen und Lehrlinge in Zukunft eher kritisch. Ein weiterer Grund: die weiterführenden Schulen. „Diese Schulen nehmen den Firmen letztendlich die Bewerber weg“, erklärt Scheidler und spricht von Mittel- und Realschülern, die anstatt eine Ausbildung zu beginnen weiter eine Bildungseinrichtung besuchen. Er empfiehlt den Betrieben außerdem noch ein Programm der Agentur für Arbeit, welches in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. „Ausbildungsbegleitende Hilfen“: eine Möglichkeit der kostenlosen Nachbildung von Jugendlichen. Es soll dafür sorgen, dass auch schwächere Bewerber für die Betriebe attraktiv werden.
Von diesen Problemen bleibt auch der Landkreis nicht verschont. Die Malerbetriebe in der Region zum Beispiel suchen dringend nach Lehrlingen. „Wir haben unglaublich viele freie Ausbildungsplätze“, sagt Michael Ott von der Malerinnung Haßberge deprimiert. „Auch ich suche dringend nach jungen Leuten zur Ausbildung, man hat kaum eine Chance, diese zu finden“, ergänzt er.
Was ihm auch auffällt, ist die Dominanz männlicher Bewerber in seinem Handwerk. „Also ich selbst würde auch sehr gern ein Mädchen ausbilden“, so Ott.
Dies hat auch die Agentur für Arbeit erkannt und bietet verschiedene Veranstaltungen für Mädchen an, um deren Interesse an technischen und handwerklichen Berufen zu steigern. Vielleicht können solche Praktika ein wenig Abhilfe schaffen, in der doch angespannten Lehrstellensituation zur Zeit.
Michael Ott wagt eine Prognose: „In zehn Jahren hat der Beruf des Malers hohes Ansehen.“ Dadurch, dass nur noch wenige Maler, und allgemein wenige Facharbeiter ausgebildet werden können, müsse man als Verbraucher bald schon lange nach guten Handwerkern suchen. Im Endeffekt „leidet der Kunde unter dem Mangel an Qualitätsarbeitern“, fügt Ott hinzu. Der Fachkräftemangel erreicht also auch und vor allem das Malerhandwerk.