Wer nach dem Schulabschluss halbwegs realistische Berufsvorstellungen hat, der findet im Landkreis Haßberge oder in der direkten Nachbarschaft einen Ausbildungsplatz. Diese positive Bilanz zogen in der jährlichen Pressekonferenz der Leiter der Agentur für Arbeit Haßfurt, Günther Trum, der Leiter der Berufsberatung in der Region Schweinfurt, Dieter Scheidler, und der örtliche Berufsberater Peter Stretz. Alle Drei haben schon ganz andere Zeiten erlebt. Doch der Lehrstellenmangel ist definitiv vorbei. Bewerber sind gesucht, „und manche Betriebe müssen da noch beweglicher werden, um Auszubildende zu finden“, so Stretz.
Die Situation stellt sich ähnlich dar wie im Vorjahr. Die Dynamik hat sich allerdings etwas entschärft, so Scheidler. Etwa gleich viele Ausbildungsstellen wurden der Agentur für Arbeit gemeldet, die Zahl der Bewerber ging etwas zurück. Die Agentur in Haßfurt betreute 742 Schulabgänger, 547 Stellen wurden im Landkreis gemeldet. Da aber Jugendliche aus dem Landkreis Haßberge schon immer auch in die Nachbarkreise pendelten, blieb nur ein einziger Bewerber „unversorgt“. Dagegen sind 43 Ausbildungsstellen im Kreis unbesetzt.
Direkt in die nächste Schule
16 Prozent weniger Schüler verließen im vergangenen Jahr Realschule oder Mittelschule. Sie stellen nach wie vor das Gros derjenigen, die eine Ausbildung suchen. Immer mehr von ihnen jedoch schließen direkt die nächste Schule an.
Ein Teil des Bewerberrückgangs ist auch mit der intensiveren Berufsorientierung durch die Berufsberatung zu begründen. Ab der achten Klasse steht Peter Stretz mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt, bespricht mit ihnen ihre Neigungen, Begabungen und Chancen auf bestimmte Berufe. Bei einigen muss er auch Illusionen „zerstören“, die teils durch die Medien aufgebaut werden, etwa durch Kochsendungen.
Manchmal führt auch eine modernisierte Berufsbezeichnung in die Irre: Ein technischer Produktdesigner ist ein technischer Zeichner und braucht Begabungen im mathematischen Bereich und im räumlichen Vorstellungsmögen. Was früher Postbote hieß, ist heute die „Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistung“.
Manchmal meinen Eltern, weil ein Jugendlicher viel Zeit vor dem Computer verbringt, er sei für einen IT-Beruf geeignet. „Da sind oft die Jugendlichen selbst überrascht, dass es vorwiegend um trockene Programmierarbeit geht“, so Stretz. Aber die meisten Jugendlichen seien sehr realistisch und auch Alternativvorschlägen gegenüber aufgeschlossen.
Solche Alternativen müssen in Betracht gezogen werden. Denn obwohl rein rechnerisch fast jeder eine Ausbildungsstelle bekommen müsste, liegen Angebot und Nachfrage in den einzelnen Branchen teilweise weit auseinander. So gibt es im Kreis weniger als halb so viele Ausbildungsplätze in Büroberufen wie Schulabgänger, die gerne einen solchen Beruf ergreifen würden. Denn an der „Hitliste“ der Berufswünsche ändert sich seit über zehn Jahren nichts. Auch die Geschlechterverteilung ist nahezu unverändert, trotz aller Bemühungen, die Mädchen stärker für technische Berufe zu interessieren.
Scheidler und Stretz wiesen im Pressegespräch darauf hin, dass es nicht nur um die Chance auf eine Ausbildungsstelle gehen sollte. Vielmehr müsse man auch die späteren Berufschancen im Blick haben. Die seien im Bürobereich im Landkreis nun einmal nicht besonders rosig.
Bei der Suche nach Ausbildungsstellen profitieren die Jugendlichen im Landkreis Haßberge auch von der Nachbarschaft zur Region Schweinfurt, in der bereits eine deutliche „Unterdeckung“ besteht: Auf 100 Bewerber kommen dort 102 Stellen. Die Trendwende wäre noch deutlicher, wenn es nicht noch „Altbewerber“ gäbe. „Früher schoben wir da mehrere 100 Fälle vor uns her“, erinnert sich Peter Stretz, in diesem Jahr waren es noch 130.
Die „unbeliebten“ Bauberufe
Vor allem das Handwerk tut sich in dieser Situation schwer, genügend Auszubildende zu finden. Besonders „unbeliebt“ bei den jungen Menschen sind die Bauberufe. Nur 26 Schulabgänger wollten Maler, Maurer, Fliesenleger oder Zimmermann werden, 49 Stellen hatte die Agentur im Angebot. Viele Vorbehalte gegen Handwerksberufe können aber in Berufspraktika auch ausgeräumt werden. Mancher Schüler merkt, welche Bestätigung es gibt, am Ende des Tages etwas gebaut zu haben.
„Die Betriebe sind zunehmend gefordert, auch schulisch schwächeren Jugendlichen eine Chance zu geben“, so Berufsberater Stretz. Die Agentur greift dabei unterstützend ein, durch berufsvorbereitende Maßnahmen oder ausbildungsbegleitende Hilfen. Einige Arbeitgeber haben sich auch schon umgestellt, indem sie weniger anspruchsvolle Ausbildungsberufe anbieten, etwa den Maschinenbediener.