Vor gut einem Jahr ist die Einkaufsgenossenschaft (EG) Hofheim insolvent gegangen. Inzwischen gehört der ehemalige Zusammenschluss von weit über 1000 Landwirten der Vergangenheit an. Dennoch hat ein Stück „EG“ überlebt: die „Bioschiene“ der Genossenschaft. Sie firmiert seit einem Jahr unter dem Namen „Bio Kontor GmbH“, hat ihren Sitz in Hofheim und ist eine 100-prozentige Tochter der „Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG“ in Hohenkammer (bei Freising).

Im Gespräch mit dieser Redaktion berichten Bio Kontor-Geschäftsführer Jörg Große-Lochtmann, der zugleich auch Vorstand der „Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG“ ist und der zuständige Ein- und Verkaufsleiter Roland Pfister von der Entwicklung in den vergangenen Monaten und warum für das Unternehmen das Nachbarland Schweiz so wichtig ist.
Frage: Warum war es für die Naturland Marktgesellschaft überhaupt interessant, die Bioschiene der EG in Hofheim zu übernehmen?
Jörg Große-Lochtmann: Weil unser Focus auf der Vermarktung heimischer Ware liegt, statt aus dem Ausland zu importieren. Aber natürlich waren auch die handelnden Personen in Hofheim ein wichtiger Gesichtspunkt. Sie hatten ein funktionierendes System und sehr gute Vermarktungsbeziehungen in den vergangenen Jahren aufgebaut.
Dennoch bedeutete doch die erneute Insolvenz der EG auch einen herben Rückschlag für das Bio-Geschäft?
Roland Pfister: Wir haben in all den Jahren Glaubwürdigkeit transportiert und offenbar waren unsere Lieferanten und Kunden mit uns zufrieden. Die großen Erzeuger waren daran interessiert, dass ihre Absatzwege blieben. Und sie hatten anscheinend auch keinen Grund, sich anders zu orientieren. So gut wie alle Kunden und Lieferanten sind uns treu geblieben. Das sagt eigentlich schon alles.
Also ein erfolgreiches Jahr nach dem Neustart?
Große-Lochtmann: Ja, es gelingt uns ganz gut. Wir vermarkten Bio erfolgreich. Aber auch wir sind keine Insel der Glückseligen. Das Problem: In den vergangenen Jahren haben weniger Landwirte umgestellt, als der Bedarf gewachsen ist. Zudem wird der Druck von außen auf den EU-Biomarkt größer.
Haben Sie keine Bedenken, dass sie bei den Preisen in eine ähnliche Abwärtsspirale geraten, wie bei den konventionell erzeugten Nahrungsmitteln?
Große-Lochtmann: Es sollte natürlich eine Situation vermieden werden, wie sie zum Teil in der konventionellen Landwirtschaft durch ein Überangebot herrscht.
Aber gerade in der gegenwärtigen prekären Preissituation überlegen vermehrt auch konventionelle Betriebe, ob sie nicht doch auf Bio umstellen.
Große-Lochtmann: Verzweiflung ist nie ein guter Ratgeber. Wer nur aus kurzfristigen ökonomischen Gründen sein Heil im Öko-Anbau sucht, dem sagen wir, das ist uninteressant. Es gehört mehr dazu, wir wollen eine ganzheitliche Entscheidung.
Sie sagen, fast alle Lieferanten und Kunden blieben Ihnen treu. Woher kommen die Waren und wohin gehen sie?
Pfister: Bisher kommt ein großer Teil unserer Ware aus den neuen Bundesländern. Wir kaufen dort die Ware direkt von den Erzeugern. Es wird ausschließlich Rohware, wie Bio-Hafer, Bio-Dinkel, Bio-Roggen, Bio-Weizen etc. vermarktet. Als Basis für Lagerware dient, wie bisher, das Bio-Lager der Familie Döhler in Hofheim – Erlsdorf.
Einen großen Teil unseres Umsatzes erwirtschaften wir aktuell mit Kunden in der Schweiz. Was nicht einfach ist, denn diese Kunden dort sind sehr anspruchsvoll und wollen einheitliche Qualitäten und Partien „just in time“ geliefert bekommen und außerdem in einer Bio-Qualität, die über die EU-Bio-Qualität hinaus geht. Innerhalb von kurzer Zeit waren wir in der Lage, unsere Geschäftspartner in Deutschland und vor allen Dingen in der Schweiz weiter beliefern zu können. Wir sehen dies als einen großen Vertrauensbeweis.
Große-Lochtmann: Wir würden die Ware natürlich auch gerne in Deutschland vermarkten, aber zu diesen Preisen ist dies in Deutschland zum Teil nicht möglich.
Warum geht in der Schweiz, was in Deutschland nicht möglich ist?
Große-Lochtmann: Dort gibt es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Wertschätzung landwirtschaftlicher Produkte und eine höhere Präferenz für Bioprodukte.
Und diese Wertschätzung gibt es in Deutschland nicht?
Große-Lochtmann: Der Preis spielt in Deutschland immer noch eine große Rolle. Bei der Wertschätzung landwirtschaftlicher Produkte sehe ich in Deutschland durchaus noch Potenzial vorhanden. Aber wir sehen auch eine positive Entwicklung: Lieber weniger und dafür regional und Bio, ein Trend, der Hoffnung macht.