„Ausbeinen, Fleisch zurecht schneiden, verpacken!“ Vlastimil zählt einige der Fähigkeiten auf, die er in seinem ersten Ausbildungsmonat bereits gelernt hat. Der 16-Jährige ist Auszubildender bei der Metzgerei Holzheid in Rügheim. Während das Ausbildungsjahr für die meisten Azubis Anfang September beginnt, hat Vlastimil auf eigenen Wunsch bereits am 1. August mit seiner Lehre begonnen. Sein erstes Fazit fällt positiv aus: „Bis jetzt finde ich es interessant.“ Auch sein Chef, Metzger Oliver Holzheid, ist zufrieden. Vlastimil mache sich bislang ganz gut. Während Holzheid mit Vlastimil einen Metzger-Azubi gefunden hat, ist die Azubi-Stelle für den Verkauf im Laden noch unbesetzt.
Insgesamt standen Ende Juli – einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge – im Landkreis Haßberge 171 unbesetzten Ausbildungsstellen lediglich 80 noch unversorgte Bewerber gegenüber. Auf einen unversorgten Bewerber kamen also einen Monat vor dem Start ins Ausbildungsjahr 2,14 freie Stellen. „Die Lücke wird sich immer weiter öffnen“, sagt Michael Springborn von der Arbeitsagentur mit Blick auf den Ausbildungsmarkt. Er ist Arbeitsvermittler im Arbeitgeberservice in Haßfurt. Zwar seien in den Zahlen der Agentur nicht alle Stellen und Bewerber erfasst, dennoch böten sie „einen Überblick über die Situation“.
Dass trotz des Überangebots Bewerber ohne Stelle bleiben, habe unterschiedliche Gründe, erklärt Arbeitsvermittler Springborn. So handele es sich bei der offenen Stelle beispielsweise nicht um den Wunschberuf der Bewerber. Oder die Bewerber seien für die offene Stelle nicht ausreichend qualifiziert. Auch die Mobilität spiele eine Rolle. „Unversorgte Bewerber gab es eigentlich immer“, erinnert sich Springborn. Da jetzt im Gegensatz zu früher aber auch noch Ausbildungsstellen unbesetzt sind, falle die Zahl der unversorgten Bewerber mehr ins Auge.
Industrie vor Handwerk
Der Ausbildungsmarkt sei ein Bewerbermarkt. Die Bewerber hätten die Wahl. Sie könnten sich aussuchen, wo sie hingehen wollen. „Bewerber können eigentlich immer eine Stelle finden, wenn sie sich dem Markt anpassen“, erklärt Springborn. In den Köpfen der Arbeitgeber sei die Situation auf dem Ausbildungsmarkt teilweise noch nicht angekommen. Diese müssten Springborn zufolge aktiver werden. Zum Beispiel in Schulen. Oder Angebote hinsichtlich Unterbringung und Mobilität verbessern. „Erfolgreiche Firmen bemühen sich sehr“, sagt Springborn.
Insgesamt habe die Industrie weniger Probleme, Auszubildende zu finden, als das Handwerk. Ganz oben auf der Liste, der bei der Arbeitsagentur gemeldeten Bewerber, standen in diesem Jahr die Berufe Industriemechaniker/in und Industriekaufmann/-frau. Für andere Ausbildungsberufe wie beispielsweise den der Fleischereifachverkäuferin bestehe einfach keine Nachfrage, sagt Springborn.
Metzger Oliver Holzheid bestätigt das. Seit etwa zehn Jahren sei es schon schwierig Azubis zu bekommen, mittlerweile „fast unmöglich“. Seinen Azubi Vlastimil, der vor vier Jahren aus der Slowakei nach Deutschland gekommen ist und in Hofheim lebt, hat er über Bekannte aus Rügheim gefunden. Sie hätten gesagt, er solle es mal mit Vlastimil probieren, erinnert sich Holzheid. Dass es schwierig geworden ist, Lehrlinge zu finden, bestätigt auch der Hofheimer Bäcker Manfred Jung. Die freie Stelle in seiner Bäckerei konnte er bislang noch nicht besetzen. Das geringe Interesse führt er unter anderem darauf zurück, dass viele ein falsches Bild vom Bäcker-Beruf hätten.
Anders sieht es bei den Fränkischen Rohrwerken in Königsberg aus. Dort sind zum 1. September 2014 bereits alle Azubi-Stellen belegt, wie Tamara Müller von der Personal-Abteilung auf Anfrage erklärt. Etwa 30 Stellen aus dem technischen und kaufmännischen Bereich befanden sich laut Müller im Angebot der Firma. Bei „Fränkische“ könne man sich unter anderem als Industriekaufmann/-frau, Informatikkaufmann/-frau, Industriemechaniker/in oder zum Beispiel als Verfahrensmechaniker/in ausbilden lassen.
Aktive Arbeitgeber
Auch Plätze für duale Studiengänge würden vergeben. Um Bewerber auf „Fränkische“ als Ausbildungsstätte aufmerksam zu machen, würden zum einen Print- und Online-Anzeigen geschaltet. Darüber hinaus sei man aber zum Beispiel mit dem FSGD-Tag („Fränkische sucht genau dich“), der alle zwei Jahre auf dem Firmengelände stattfindet, sowie auf der Ausbildungsbörse an der Berufsschule in Haßfurt aktiv. „Man muss schon was tun, damit man Azubis bekommt“, sagt Müller. Wichtig sei vor allem, frühzeitig mit der Azubi-Rekrutierung zu beginnen. So laufe bei „Fränkische“ derzeit bereits das Bewerbungsverfahren für den Ausbildungsstart zum September 2015.
Für Betriebe, die noch freie Azubi-Stellen haben, ebenso wie für Bewerber, die noch keinen Platz gefunden haben, bestehen gut eine Woche vor dem Start ins Ausbildungsjahr 2014 aber immer noch Chancen. Erfahrungsgemäß würden noch einige Stellen belegt, sagt Arbeitsvermittler Springborn. Da beispielsweise Auszubildende nicht mit ihrer Stelle zufrieden seien, ist Springborn zufolge auch im September noch Bewegung im Ausbildungsmarkt. Vereinzelt auch bis Ende des Jahres.