Mit Drogen ist es letztlich nicht anders, als mit Kleidermoden: Trends kommen und gehen. Was heute in ist, kann bald schon ein Auslaufmodell sein. Das bekommt auch die Drogen-Therapieeinrichtung in Schloss Eichelsdorf zu spüren. Waren es früher hauptsächlich Säufer, Kiffer, aber auch Heroinabhängige, die die Drogenhilfe betreut hat, hat der Anteil der Patienten, die synthetische Drogen nehmen, in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Mittlerweile ist ein Großteil der Patienten dieser Gruppe zuzuordnen.
Zugleich ist der Altersdurchschnitt der circa 60 Frauen und Männer gesunken, die in Schloss Eichelsdorf therapiert werden (siehe Infobox). Vor ein paar Jahren lag der noch bei etwa 35 Jahren, berichtet Robert Soto-Löwenthal, der Leiter der Einrichtung. Heute liegt er zehn Jahre darunter. Auffällig ist die zuletzt deutlich gewachsene Bedeutung, die Methamphetamine in der regionalen Drogenszene spielt. Aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks, vor allem aus Kleinlabors in Tschechien, dringt diese Partydroge, die auch unter den schwammigen Bezeichnungen Meth oder Crystal Meth kursiert, in immer weitere Bereiche vor.
Aufputschende Wirkung
Meth macht Menschen leistungsfähiger, nennt Soto-Löwenthal einen Hauptgrund, warum diese Droge gerade junge Menschen verführt. Sie versetzt einen in die Lage, 20 Stunden am Tag zu arbeiten, „mit Lust“, wie der Leiter der Drogenhilfe meint. Arbeiten, feiern, arbeiten – Meth ermöglicht es Konsumenten, so einen Lebensrhythmus ohne normale Ruhezeiten durchzuhalten. Es ist quasi die Droge der Leistungsgesellschaft, die in allen Berufs- und Gesellschaftsschichten verbreitet ist, wie Soto-Löwenthal weiß.
Fatal ist: Meth gilt – wie das noch gefährlichere halbsynthetische Crystal Speed – als eine der zerstörerischsten Drogen überhaupt, die zudem sehr schnell süchtig macht. Denjenigen, die die Substanzen schnupfen, rauchen oder intravenös spritzen, drohen schon nach kurzer Konsumdauer schwerste körperliche Schäden sowie unheilbare Psychosen.
Diese Einschätzung teilt das Polizeipräsidium Unterfranken. Exakte Fallzahlen lassen sich aus den gesammelten Daten zur Rauschgiftkriminalität zwar schwer herauslesen. Doch ein Trend ist nach Auskunft der Pressestelle zu erkennen: Die Fallzahlen im Bereich der Amphetamine nahmen im zurückliegenden Jahrzehnt stetig zu. Von den 2621 in Unterfranken erfassten Delikten des vergangenen Jahres, die mit Rauschgiftkonsum zusammenhängen, hat die Polizei 527 der Kategorie Amphetamin/Methamphetamin zugeordnet; drei Jahre zuvor waren es 431, im Jahr 2012 waren es 447 Fälle. Der Anteil der klassischen harten Drogen Heroin und Kokain ist zeitgleich deutlich geschrumpft.
Speziell für Crystal Speed geht die vorliegende Statistik der unterfränkischen Polizei für das Jahr 2012 von 53 Fällen aus. Wenngleich dies weit unter den meist dreistelligen Fallzahlen der ostbayerischen, grenznahen Regierungsbezirken liegt, verzeichnet das Polizeipräsidium Unterfranken eine klare Tendenz: deutlich steigend.
Mehr junge Drogenabhängige
Die Drogenhilfe in Schloss Eichelsdorf spürt die Zunahme synthetischer Drogen seit gut fünf Jahren, berichtet deren Leiter, seit der Zeit, als sie noch auf der Bettenburg bei Manau angesiedelt war. Bei der Drogenhilfe landen seitdem vermehrt Patienten, die schon in jungen Jahren so schwer drogenabhängig sind, dass sie eine Therapie benötigen.
In diesem Zusammenhang nennt Soto-Löwenthal eine weitere Gruppe von Substanzen, die mit ihrem trügerischen Schein von Legalität kokettieren: Räuchermischungen, deren künstlicher Wirkstoff dem des Cannabis (THC) nachempfunden ist, aber 60- bis 90-mal stärker wirkt und schneller süchtig macht. Der Gesetzgeber kommt hier mit Verboten kaum hinterher, meint Soto-Löwenthal. Kaum wird eine bestimmte Räuchermischung verboten, drängen neue Substanzen, als Bonsaidünger oder Ähnliches deklariert, auf den Markt. Die Mischungen sind bequem im Internet zu bestellen und so günstig, dass sie mit Taschengeld zu bezahlen sind. „Man kann richtig abhängig werden, ohne von zu Hause wegzugehen“, sagt der Leiter der Drogenhilfe. Treffen mit Drogendealern in dunklen Gassen sind unnötig. „Wir haben Leute hier, die noch nie einen Dealer gesehen haben.“
Er nennt drei Voraussetzungen für die erfolgreiche Therapie eines Drogenabhängigen: Zunächst müsse dieser erkennen, warum er Drogen nimmt, damit er diese Faktoren gezielt bekämpfen kann. Dann müsse bei diesem die Lust geweckt werden, ein drogenfreies Leben zu führen, „was schwierig ist, wenn man sich an ein Leben ohne Drogen gar nicht mehr erinnern kann“, sagt Soto-Löwenthal. Und schließlich gehe es darum, dem (Ex)Abhängigen realistische Perspektiven für sein künftiges Leben aufzuzeigen – also keine unerreichbaren Ziele.
Fit machen fürs Arbeitsleben
Die Therapie der Drogenhilfe in Schloss Eichelsdorf zielt so in erster Linie darauf, die Süchtigen in die Lage zu versetzen, sich und gegebenenfalls eine Familie mithilfe einer Erwerbstätigkeit zu versorgen. Sehr hilfereich seien hier die Praktikumsplätze, die Unternehmen in Hofheim und in der Umgebung der Einrichtung „meist problemlos“ zur Verfügung stellen. Auch eine eigene Lehrwerkstatt in Königsberg für Holz- und Metallhandwerk mit insgesamt 20 Plätzen, die nicht nur Patienten der Drogenhilfe offensteht, entlässt fast alle Absolventen „in Arbeit und Brot“, wie Soto-Löwenthal erklärt.
Die Nachbarn in Eichelsdorf beschreibt der Leiter der Drogenhilfe als „super nett“, hilfsbereit und tolerant. „Wir fühlen uns hier sehr wohl.“ Vorm Einzug der Drogenhilfe im ehemaligen Kloster Ende 2009, waren vor Ort immer wieder Stimmen zu hören, die vor einer Drogentherapieeinrichtung warnten, aus Angst vor einer Gefährdung der Öffentlichkeit. Davon spürt Soto-Löwenthal nichts mehr. Im Gegenteil.
Sommerfest für die Bevölkerung
Mit zum guten Verhältnis mit der Bevölkerung soll auch das Sommerfest der Drogenhilfe am Samstag, 19. Juli, beitragen. Von 14.30 bis 18.30 Uhr ist jedermann zum Besuch ins Schloss Eichelsdorf eingeladen. Es gibt Führungen durch die Einrichtung, eine Holzwerkstatt und Spielangebote für Kinder, ein Menschenkicke und eine Zaubershow. Der Kleine Bezirksposaunenchor spielt und der Chor „La Musica“ tritt um 16 Uhr auf.
Drogenhilfe Schloss Eichelsdorf
Das Angebot der Drogentherapie in Schloss Eichelsdorf richtet sich an Frauen und Männer von 16 bis etwa 40 Jahren. Für Mütter und Väter mit Kindern besteht die Möglichkeit einer Eltern-Kind-Therapie. Die Einrichtung unterhält in Hofheim auch eine Außenwohngruppe. Zudem gibt es Nachsorgewohngruppen in Schweinfurt und Haßfurt.
Die Patienten sind durchschnittlich ein halbes Jahr in der Fachklinik, maximal zehn Monate. Vormittags besuchen sie eine Arbeitstherapie, nachmittags gehen sie in Einzel- und Gruppentherapien, nutzen Sport-Angebote oder haben Freizeit. Die psychotherapeutischen Angebote sind auf den Einzelnen und seine Bedürfnisse zugeschnitten.
Träger der Einrichtung ist der Baden-Württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation gGmbH.
Informationen im Internet unter: www.schloss-eichelsdorf.de