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LKR. HASSBERGE: Milch-Streik: Boykott kommt in Fahrt

LKR. HASSBERGE

Milch-Streik: Boykott kommt in Fahrt

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    Auf eine Antwort auf die Frage zu erwarten, was Bauern empfinden, wenn sie Milch verfüttern oder in die Güllegrube kippen, erübrigt sich: Marianne Dietz aus Bundorf steht vom Küchentisch auf, winkt ab und geht wortlos davon, ihr Mann Theo nimmt sein zerknülltes Taschentuch und wischt sich das Wasser in den Augen weg. „Kein Mensch schmeißt die Früchte seiner Arbeit einfach so weg“, ergreift Sohn Klaus das Wort. „Da steckt Herzblut drin“.

    Es ist kurz vor acht Uhr. Die Familie sitzt beim Frühstück. Vor rund drei Stunden hatte für Klaus Dietz die Arbeit im Stall begonnen. Rund 1000 Liter Milch haben die Kühe gegeben. 80 Milchkühe hält er auf seinem Hof. 2000 Liter Milch sind der tägliche Lohn der Arbeit. Seit Wochenbeginn wandert die Milch allerdings nicht mehr in die Molkerei, sondern in die Tröge der Jung-Tiere oder wird in der Güllegrube entsorgt.

    „Das tut weh“, sagen Klaus Dietz und seine Frau Christiane. Und stehen dennoch weiterhin hinter dem Boykott. Die Bundorfer Familie hat einen der weit über 20 im BDM organisierten Betriebe, die sich im Landkreis Haßberge am Milch-Boykott beteiligen. „Weil einfach die Schmerzgrenze erreicht ist“, so Klaus Dietz. Der Markt werde es schon richten, sei ihnen vorgegaukelt und höhere Preise in Aussicht gestellt worden, doch stattdessen würden die Milchbauern vom Handel nur missbraucht – die billige Milch diene als Lockmittel in den Geschäften.

    Der Initiative des BDM schließen sich immer mehr Milchbauern an, berichtet dem Bote vom Haßgau gegenüber auch der BDM-Vorsitzende des Teams Schweinfurt/Haßberge, Florian Schuler aus Gädheim. 75 bis 80 Prozent der Milchviehhalter, die im BDM im Landkreis organisiert sind, haben sich laut Schuler inzwischen angeschlossen. 240 Betriebe sind es in Unterfranken, die sich am Milch-Boykott beteiligen, so Florian Schuler weiter. Darunter auch Betriebe, die dem BDM gar nicht angehören.

    Ob er mit der Resonanz auf den Boykott-Aufruf zufrieden ist? Zufrieden werde man beim BDM erst sein, wenn man die Ziele erreicht habe und die seien ein „fairer Preis“ von mindestens 43 Cent, sowie Mitsprache bei der Mengen und Preisgestaltung. Erfreut ist Schuler aber auf jeden Fall über die Bereitschaft der Milchbauern teilzunehmen „und die Bereitschaft nimmt täglich zu“.

    Und so freut es den BDM auch, dass sich der Bayerische Bauernverband mit den Zielen des BDM jetzt solidarisiert: Sinnvoll und gut sei dies, so Schuler, denn es gehe nur, wenn alle gemeinsam sich für die Ziele der Milchbauern einsetzen würden.

    Und inzwischen beginne der Boykott auch zu greifen, so Schuler weiter. Seinen Informationen nach seien 25 Prozent weniger Milch bei der Molkerei in Würzburg angekommen. In Bayern habe zudem bereits eine Molkerei ihren Betrieb eingestellt.

    Schuler ruft deshalb auch die Verbraucher auf, sich mit Milchprodukten einzudecken. Zum einen: Um Milchvorräte zu haben, zum anderen sei dies auch ein kleines Stück Solidarität mit den Milchbauern, denn dies fördere zugleich die Ziele, die mit dem Milch-Boykott verbunden seien.

    Und wie sind die Reaktionen von Verbrauchern auf den Milch-Boykott? Seine Erfahrung sei, dass die Verbraucher durchaus Verständnis für höhere Milchpreise hätten, wenn sichergestellt sei, dass diese auch bei den Landwirten ankämen, so Florian Schuler. Verständnis gebe es immer dann, wenn man deutlich machen könne, „dass wir ähnlich wie die Verbraucher ausgebeutet werden.“ Und Schuler weiter: „Bei uns geht der Preis runter, im Laden geht er hoch – da muss doch einer verdienen.“

    Verständnis für den Boykott-Schritt der Landwirte habe es gar aus Bereichen gegeben, von denen man dies auf Anhieb gar nicht vermutet hatte. So hätten etwa Mitarbeiter von Banken durchaus Verständnis für die Aktion der Landwirte gezeigt.

    Kein Verständnis haben weder Schuler noch Dietz, wenn kritisiert werde, dass Milch weg geschüttet werde, wo anderswo auf der Welt Menschen hungerten: „Für wie dumm wollen die uns verkaufen“, sagt Klaus Dietz. Auch vor dem Milch-Boykott hätten Menschen gehungert, ohne dass ihnen geholfen worden sei. Und Dietz weiter: „Wer schmeißt denn jeden Tag die vielen abgelaufenen Lebensmittel weg, nur weil das Angebot zu groß ist?“

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