Die Tacho-Nadel steht auf 100, als Max Streng auf seinem froschgrünen Renner den Berg hinunter schießt. "Das ist doch nur ein Aufkleber", wird er später im Ziel mit einem breiten Grinsen sagen und stolz hinzufügen, "aber schnell war ich trotzdem." Das merken auch seine 20 Kontrahenten, denen der Sechsjährige von Beginn an die Rücklichter zeigt.
Mit ihren großen (Motorrad-)Helmen sehen die Starter in der Klasse 1 fast wie die Playmobil-Männchen aus. Die Kleinsten sind gerade einmal drei Jahre alt und fahren so schnell, wie ihre Mütter und Väter vor ihnen herlaufen, von denen der eine oder die andere im schweißtreibenden Sonnenschein wohl für den nächsten Start noch etwas an Kondition zulegen muss.
Denn die Regenreifen müssen zum Glück an diesem Nachmittag nicht montiert werden, an dem der Feuerwehrverein zu seinem fünften Bobby-Car-Rennen eingeladen hat. Vor fünf Jahren war die Vorsitzende Alexandra Holly auf die Idee gekommen, ein solches Rennen in Eichelberg auszurichten. 40 Teilnehmer gingen damals an den Start, heuer sind es fast 100.
Die Wiege des Bobby-Car-Rennsports liegt im Sauerland. Dort wurde die Sportart, in der inzwischen Deutsche und Weltmeisterschaften ausgefahren werden, 1994 aus einer Bierlaune heraus geboren. Am Vatertag hatten die Ideengeber die für motorisierte Fahrzeuge geltende Promillegrenze überschritten und suchten verzweifelt nach einem fahrbaren Untersatz, mit dem sie jetzt noch fahren durften. Fündig wurden sie in den Zimmern ihrer Kinder. Und so trug man noch in der gleichen Nacht auf einem Gartenweg das erste Bobby-Car-Rennen aus.
Während Max wenig später jubelnd über die Ziellinie rast, haben andere Kinder ihr Bobby-Car bereits frustriert in die Ecke geworfen oder lassen sich von ihren Eltern trösten. "Mein Papa hat die Räder geölt", gibt Max einen Tipp, denn Bobby-Car-Rennsport ist Teamarbeit.
Das sieht auch der achtjährige Kevin Leupold so, der sich mit seinem Papa das Renngefährt teilt. Obwohl der sich in der Herren-Klasse mehrmals ordentlich mit den Beinen abdrückt, muss er schnell erkennen, dass die anderen irgendwie schneller sind. Im Bobby-Car-Rennsport bringt Gewicht Geschwindigkeit. Und so isst der eine vor dem Rennen noch schnell ein Steak, der andere probiert es mit Kaffee und Kuchen. Allerdings musste der eine oder andere feststellen, dass das Bobby-Car eigentlich nicht für 80 Kilogramm schwere Männer gebaut worden ist, als ihn sein Hinterrad überholt. Den Ferrari unter den Bobby-Cars fährt mit rund 50 Stundenkilometern an diesem Nachmittag einmal mehr Christian Albert aus Sand, der bereits in den vergangenen beiden Jahren in der "Offenen Klasse" vorne lag.
"Das ist wie eine Sucht"
Andreas Dickhans, begeisterter Bobby-Car-Fahrer
Was der Champion und die anderen fünf Starter in der freien Klasse an den Start bringen, hat nur noch bedingt etwas mit dem Bobby Car zu tun, das die Firma Big vor 34 Jahren erfunden hat, und das mit mehr als 16 Millionen Exemplaren zum meistverkauften Kinderfahrzeug auf der Welt wurde.
Die kleinen Flitzer werden getunt so gut es nur geht. Dabei ist fast alles erlaubt: Reifen aus Vollgummi oder mit Luft gefüllt, verlängerte Lenkung und digitaler Tacho fürs Training sind eigentlich Standard. Nur der Kunststoffkörper des Bobbys muss erhalten bleiben.
Der 11-jährige Jonas Schramm hat sich von seinem Vater Roland Splitt in den "Tank" packen lassen. Auf 15 Kilo bringt es so sein roter Renner. Das ist noch gar nichts, wenn man das Gefährt von Andreas Dickhans heben möchte. 40 Kilo wiegt sein Rennwagen. "Die Achsen habe ich originalgetreu in Metall nachbauen lassen. Die Lenkung ist verlängert, die Räder sind von einem Hubwagen", sagt der 47-Jährige, der durch seine Kinder zum Bobby-Car-Rennsport gekommen ist.



"80 Prozent sind Technik und Material, der Rest ist Gewicht", sagt Dickhans, der bei zahlreichen Bobby-Car-Meisterschaften gestartet ist. Im Rennen kann er aber seinen Gewichtsvorteil nicht richtig in Szene setzen und scheidet im Vorlauf aus. Doch auch wie die anderen "Verlierer", wird er wohl beim nächsten Bobby-Car-Rennen wieder am Start stehen. "Das ist wie eine Sucht."