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KNETZGAU: Mit fünf Euro in der Tasche

KNETZGAU

Mit fünf Euro in der Tasche

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    Am Freitagnachmittag herrschte Ausnahmezustand am Ortsschild von Knetzgau Richtung Sand. Unzählige Freunde, Bekannte und Angehörige von Florian Weinkauf hatten sich dort versammelt, um auf seine Rückkehr zu warten. Denn der 27-jährige Zimmerergeselle war vier Jahre lang auf der Walz und hatte sich in dieser Zeit seinem Heimatort Knetzgau nicht mehr als 50 Kilometer nähern dürfen.

    Fast zwei Stunden musste die immer größer werdende Schar am Ortsschild in der Hitze oder auf der anderen Straßenseite im Schatten ausharren, bis Florian Weinkauf mit fünf weiteren Wanderburschen die Heimat erreichte. Doch als er bereits in Sichtweite war, nahm er sich noch ein paar Minuten Zeit für sein erstes Interview. „Die Zeit war spektakulär und spannend“, berichtete der Weitgereiste, der die gute Tradition der Handwerksburschen, für mindestens drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft zu gehen, hatte hochleben lassen.

    Am 17. Mai 2010 war er nach einer großen „Losgeh-Party“ aufgebrochen. Damals hatte er in einer großen Zeremonie seine „Wunschflasche“ mit Zetteln voller guter Wünschen von seinen Freunden, seiner Familie und anderen Wandergesellen am Ortsschild vergraben, war über die Treppe, die die Wandergesellen ihrem neuen Kollegen gebaut hatten, zum Ortsschild hinaufgestiegen und hatte sich auf der anderen Seite in ihre Arme fallen lassen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, war er in die neue Freiheit gezogen.

    Dass er nicht schon nach drei Jahren und einem Tag nach Hause gekommen war, begründete er so: „Erst kommen Dir die drei Jahre sehr lange vor und Du zählst die Tage, bis sie zu Ende gehen. Doch dann kommt nach der Pflicht die Kür und ich wollte die Gelegenheit nutzen, noch etwas mehr von der Welt zu sehen und mich weiterzubilden.“ Natürlich habe er die Familie und die Freunde vermisst. Andererseits hatte er nicht viel Zeit, an zu Hause zu denken. Zu aufregend war die Wanderschaft, auf der er kein Mobiltelefon mit sich führen, für die „Fortbewegung“ und die Übernachtungen nichts bezahlen und sich höchstens drei Monate am selben Ort aufhalten durfte.

    Zu erkennen war er an der „Kluft“, die aus einem weißen, kragenlosen Hemd, der Staude, weiten Schlaghosen, Weste, Jackett, schwarzem Hut, einem Wanderstock, dem Stenz, und einem Ohrring besteht und in der Öffentlichkeit zu tragen ist. Seine wenigen Habseligkeiten, zu der vor allem ein Schlafsack zählte, führte Florian Weinkauf im „Charlottenburger“ oder „Charlie“, einem bedruckten Tuch, mit sich. Das Wichtigste aber war das Wanderbuch, in dem vorwiegend Stempel der Gemeinden, die er besucht, und Arbeitszeugnisse der Betriebe, in denen er gearbeitet hat, gesammelt hat.

    „Ich weiß nicht, wie viele Stempel ich gesammelt habe“, so Florian Weinkauf. „Es müssen viele Hundert sein.“ Schließlich war er nicht nur in Deutschland, Spanien, Österreich, der Schweiz, Tschechien, Rumänien, Ungarn, Holland, Kroatien, Frankreich und der Türkei unterwegs, sondern hat auch Thailand, Laos, Marokko, Neuseeland und Bali bereist.

    „Die Zeit war schön und die Menschen sind mir überwiegend offen, freundlich und wissbegierig begegnet“, sagte der Wandergeselle. „Aber es gab auch Zeiten, in denen ich Hunger hatte, eisige Kälte überstehen musste oder die ganze Nacht durchgelaufen bin und keinen Schlafplatz fand.“ Immer wieder hat er auch unter Brücken, im Wald, an Seen oder Flüssen, in Bahnhofstoiletten oder in Sparkassenvorräumen genächtigt. „Ich habe mich in all den Jahren beruflich, zwischenmenschlich und geographisch weitergebildet“, erzählte er. „Ich habe gelernt, ohne Maschinen zu arbeiten und – vor allem in Südostasien – zu improvisieren, habe im Winter als Schmied gearbeitet und viele andere Kulturen kennengelernt.“ Auch die Liebe hat er gefunden und so wartete seine Freundin zusammen mit seiner Familie und vielen Freunden sehnsüchtig am Ortsschild.

    Mit fünf Euro in der Tasche war Florian Weinkauf gestartet und mit fünf Euro ist er wieder zurückgekehrt. „Denn wir wollen uns nicht finanziell bereichern, sondern nur viel lernen“, erklärte er den Brauch der Wandergesellen. Er wurde bei der Heimkehr nicht nur von den Zimmerergesellen Aryan, Bastian und Heinrich sowie von dem Holzbildhauser Kurty begleitet. Auch der Zimmerergeselle Jean-Pierre war an seiner Seite. „Er ist mein Jungscher“, so Florian Weinkauf, „ein Geselle, den ich vor zehn Monaten in der Nähe von Basel kennenlernte und mit mir nahm, um ihn in die Wanderschaft einzuweisen und ihm mein Wissen zur Verfügung zu stellen.“

    Nach diesem kurzen Interview machten sich die fünf Wandergesellen auf das letzte Stück des Heimwegs. Kreuz und quer liefen sie über die Straße, bis sie endlich unter den Begeisterungsrufen und dem Applaus der Wartenden am Ortsschild angelangten. Doch bis Florian Weinkauf seine Mutter Anita, seinen Bruder André, seine Oma Katharina Diroll und seine Freunde umarmen konnte, musste er nach alter Sitte erst über das Ortsschild steigen. Auf der Sander Seite bildeten seine mitreisenden Gesellen ein Podest, auf das er steigen und so das Schild erklimmen konnte.

    Mit einem Bein noch in der Fremde und einem Bein in der Heimat auf dem Schild sitzend, jubelte er den Wartenden zu, warf erst seine Habseligkeiten hinüber und ließ sich dann vertrauensvoll in die Arme seiner Freunde auf Knetzgauer Seite fallen. Nicht nur er war von der Wiedersehensfreude überwältigt. Auch bei seiner Mutter war die Freude riesengroß. „Es ist schön, dass er gesund heimgekehrt und unsere Familie wieder komplett ist“, sagte sie. Ein herzliches Dankeschön sagte Anita Weinkauf allen Sponsoren, die zu dieser „Heimgeh-Party“ ihren Teil beigetragen hatten.

    Zum Brauch gehörte es natürlich auch, dass Florian Weinkauf die Wunschflasche mit Hilfe eines Freundes wieder ausgrub. Die eingefügten Zettel mit den guten Wünschen wird er sich später in Ruhe durchlesen. Doch zunächst wurde auf der Maininsel in Eltmann bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.

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