Die Bürgerwehr in Königsberg feierte am Wochenende ihr 175-jähriges Bestehen. Es gibt einige solche Wehren in Deutschland. Doch die Bürgerwehr in Königsberg ist die einzige ihrer Art, deren Ursprung in der Deutschen Revolution von 1848 begründet ist. Alle anderen Bürger- und Landwehren verdanken ihre Entstehung kommunaler oder landesherrlicher Gesetzgebung, was auf Befehl von oben geschah. Ganz anders verlief die Gründung der Königsberger Bürgerwehr. Von den Bürgern ins Leben gerufen wurde ein Hauptmann gewählt, die Zugehörigkeit war freiwillig, die Offiziere wurden von den Wehrmännern durch Wahl bestimmt. Diese urdemokratischen Werte wurden bis auf den heutigen Tag erhalten.

Die Gründe für die Aufstellung der Königsberger Bürgerwehr im Jahr 1848 sind in der seinerzeitigen Situation zu finden. Nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges hatte das alte Reich Deutscher Nationen die innere Bindung durch einen starken Kaiser verloren. Es bildeten sich viele absolutistische Einzelstaaten. Uneins, nur den eigenen Vorteil suchend, regierten die deutschen Könige und Fürsten auf Kosten des Volkes. Das Volk verarmte unter den drückenden Lasten. Gleichzeitig bildete sich aber das Bürgertum heraus und drängte auf Beteiligung an Regierung und Wohlstand. Doch die Herrscher verweigerten dies rigoros.
Bürgerwehr zum Schutz von Stadt und Eigentum
Auch die Königsberger wollten mehr Rechte und Freiheiten. So ließ der Wirt des "Goldenen Sterns" am Marktplatz die schwarz-rot-goldenen Farben aufziehen, patriotische Reden wurden gehalten, die Königsberger wurden zu Revolutionären. Königsberg gehörte damals zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Es entstand ein reger Schriftwechsel mit dem Landesherrn Herzog Ernst II, in dem die Bürger um Verbesserungen für ihre Stadt und ihre persönlichen Lebensumstände baten.

Zur Untermauerung der Ernsthaftigkeit, aber auch zum Schutz von Stadt und Eigentum, wurde die Bürgerwehr gegründet. Die Frauen und Jungfrauen von Königsberg stifteten die schwarz-rot-goldene Fahne, die bei der Parade am 22. Oktober 1848 feierlich geweiht wurde. In Coburg wurden Waffen gekauft. Es wurde exerziert und geübt, aber, zum Glück, musste kein einziger Schuss abgegeben werden.
Aus jener Zeit stammen auch die heute noch gebräuchlichen Regeln, die Kommandos und die Art der Ausrüstung. Nur der Hauptmann, Manfred Barfuß ist der zehnte Hauptmann in der Geschichte der Bürgerwehr, trägt eine militärische Uniform, den sogenannten Brandenburger Rock und eine Uniformhose. Was die übrigen Mitglieder des Kommandos tragen, das war früher mit dem schwarzen Gehrock der Sonntagsanzug der Bürger. Erst durch das Tragen von Heckerhut, benannt nach dem badischen Revolutionär Hecker, und Zylinder mit Buschen und Kokarden, durch Säbel, Trommel und Gewehr, wird aus einem Bürger ein Offizier der Bürgerwehr. Der Bürger selbst trägt nur den Heckerhut und bindet sich die schwarz-rot-goldene Krawatte um.
Auch in Königsberg schlief der Freiheitsgedanke ein
Die mit so viel Enthusiasmus angegangene Revolution scheiterte dann im Jahr 1849 endgültig. Die alten Kräfte behielten die Oberhand, weil die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche keine Kontrolle über das Militär gewinnen konnte und zerstritten war. Der Wille zu durchgreifenden Änderungen erlosch.

Auch in Königsberg schlief der Freiheitsgedanke ein. Die Gewehre mussten 1852 auf herzoglichen Befehl wieder in Coburg abgeliefert werden und auch die Bürgerwehr löste sich auf. Aber Jahrzehnte später tauchte das Bewusstsein für die Bürgerwehr wieder auf. Das älteste Foto stammt aus dem Jahr 1892, die Protokollbücher beginnen 1913. Seit dieser Zeit, nur zwangsläufig durch die unseligen zwei Weltkriege und die Coronapandemie unterbrochen, wird diese Tradition jedes Jahr mit zwei Auszügen gefeiert, dem Probeauszug am Himmelfahrtstag und dem Festauszug am Pfingstdienstag, dem Höhepunkt und Abschluss des weithin bekannten Heimatfestes in Königsberg.
Mit Recht kann also die Bürgerwehr in Königsberg in diesem Jahr ihr 175-jähriges Jubiläum feiern. Und sie tat dies am zurückliegenden Wochenende mit einem großen Fest.
193 Schützinnen und Schützen wollten Bürgerkönigin oder Bürgerkönig werden
Begonnen wurde dieses am Samstagvormittag mit dem Bürgerschießen, an dem diesmal auch Schützinnen teilnehmen durften, was von diesen auch in großer Anzahl genutzt wurde. Eröffnet wurde der Wettbewerb von Bürgerwehrhauptmann Manfred Barfuß und Bürgermeister Claus Bittenbrünn, die auf den historischen Hintergrund eingingen und auch die ersten Schüsse auf die Zehnerscheiben abgaben. Insgesamt waren es 193 Schützen, davon rund ein Drittel Schützinnen, die versuchten Bürgerkönigin beziehungsweise Bürgerkönig zu werden. Letztendlich konnte am Abend Sabine Henninger mit 36 von 50 möglichen Ringen als Bürgerkönigin geehrt werden. Bei den Schützen schoss Christian Brochloß mit 47 Ringen das beste Ergebnis.

Weiter ging es am Nachmittag mit kulinarischen Angeboten auf dem Marktplatz der Stadt. Angenehm unterhalten wurden die Gäste dabei von den Urlesbacher Musikanten, die, ohne Verstärkeranlage, an verschiedenen Stellen aufspielten. Im Gegensatz dazu am späten Abend die Band "Frankenbengel", die mit viel Power den Marktplatz bis zwei Stunden nach Mitternacht rockte.
Festumzug durch Königsberg mit Bürger- und Landwehren aus Bayern
Der Sonntag begann mit einem ökumenischen Feldgottesdienst auf dem Marktplatz, gehalten von Pfarrer Peter Hohlweg und Pastoralreferentin Claudia Nowak. Anschließend wandten sich Bürgerwehrhauptmann Manfred Barfuß, Bürgermeister Claus Bittenbrünn und die zahlreich erschienenen Ehrengäste in Grußworten an die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Alle blickten noch einmal zurück auf die Entstehungsgeschichte der Königsberger Bürgerwehr und ihren Bezug zu heute.

Der sich daran anschließende Festumzug durch die Stadt mit Bürger- und Landwehren aus Bayern und etlichen Vereinen aus Königsberg und dem Stadtgebiet sowie vier Musikkapellen bot den Zuschauerinnen und Zuschauern an der Strecke einen schönen Anblick. Begutachtet wurde er auf der Ehrentribüne an der Alleestraße von den Ehrengästen, denen der ehemalige Hauptmann der Bürgerwehr Wolfgang Fischer die einzelnen Gruppen erläuterte. Der Ausklang des großen Festes fand auf dem Marktplatz statt, wo die Heimatkapelle aus Michelau die zahlreichen Besucherinnen und Besucher noch lange unterhielt.



