Konzentriert läuft Eduard Schirling durch den Hof eines alten Bauernhofs im Landkreis Haßberge. In seiner Hand hält er einen weißen Stab aus Plastik, der mit einigen Markierungen versehen ist. Plötzlich schlägt diese Wünschelrute nach unten aus. "Da muss eine Kreuzung zweier Wasseradern sein. Wenn Sie einen Brunnen Bohren möchten, dann ist genau hier die richtige Stelle," zeigt der ältere Herr mit den schneeweißen Haaren und der Brille auf der Nase Hilde K., die nicht mit vollem Namen genannt werden möchte. Sie rief den Rutengänger, weil sie seit Jahren schlecht schläft und morgens oft mit Kopfschmerzen aufwacht.
Schirling zieht eine blaue Kreide aus der Tasche und zeichnet einen Pfeil samt großem "W" für Wasser auf den Boden. So wie er es seit 1997 schon oft nicht nur im Landkreis Haßberge gemacht hat. Seitdem kommt der Biolandwirt bei Menschen vorbei, die seine Fähigkeiten mit der Wünschelrute ernst nehmen.
"Jeder Wünschelrutengänger muss immer wieder damit rechnen, dass seine Tätigkeit belächelt wird. Das passiert mir immer wieder", macht der 78-Jährige deutlich. Vor allem Männer seien erstmal eher ablehnend, wenn er auf Wunsch der Ehefrau mit seiner Wünschelrute nach verborgenen Erdstrahlen und Wasseradern auf die Suche gehe. Dabei könne sein Feingefühl Schmerzen lindern. Das habe er am eigenen Leib erfahren, als er vor acht Jahren anfing. "Damals hatte ich schreckliche Gelenkschmerzen", erinnert sich Schirling. Ärzte konnten nicht helfen. Ein Heilpraktiker klärte ihn über Erdstrahlen und Wasseradern auf, in denen er eine Ursache für seine Gelenkschmerzen vermutete.
Der Biobauer war anfangs eher skeptisch, ließ sich dann aber auf das Thema ein, besuchte Kurse, hörte sich Vorträge an, bildete sich selbst zum Rutengänger weiter und nahm schließlich selbst eine Wünschelrute in die Hand, mit der er dann in seinem Anwesen auf die Suche ging. "Ich fühle die Wasseradern und Erdstrahlen, wenn ich über ihnen laufe, vor allem in den Armen. Die Rute ist dabei nur ein äußeres Zeichen wie ein Zeiger bei einer Uhr", erklärt der Rutengänger. Er holt einen Plan seines Hauses aus der Tasche und zeigt, dass sein Bett früher genau auf der Kreuzung von Wasseradern und Erdstrahlen stand. Er verschob das Bett und es sei im recht schnell viel besser gegangen. Seitdem schmerzten seine Gelenke nicht mehr.
Mittlerweile hat Schirling über 460 Häuser auf Wasseradern und Erdstrahlen untersucht. Bis nach Oberstdorf hat ihn seine Arbeit schon geführt. Zudem habe er viele Brunnen gesucht und gefunden. Der 78-Jährige läuft weiter im Hof von Hilde K., auch auf der Suche nach Erdstrahlen.
Aber was sind Erdstrahlenarten überhaupt? "Die bekannteste Art der Erdstrahlung ist die Wasserader", erklärt Hans-Dieter Schweikardt am Telefon. Der erfahrene Rutengänger und Buchautor gilt als Experte im süddeutschen Raum und führt ins Einmaleins der Rutengänger ein. Erdstrahlenarten seien als Gitternetzlinien bekannt, die demnach insgesamt als "Störzonen" bezeichnet werden. Der Mediziner und Radiästhet Dr. Ernst Hartmann entdeckte ein gitterartiges Strahlensystem, das die ganze Erde umgeben soll. Die Maschengröße variiert zwischen zwei und vier Metern und verläuft in Nord-Süd bzw. Ost-West-Richtung. Gefährlich sind demnach die Eckpunkte, die ungefähr eine Größe von 25 Quadratzentimeter abstrahlen.
Die Strahlung ist abhängig von den Mondphasen, wobei die stärkste zur Vollmondzeit ausgeht. "Hat man das Unglück, auf so einen Punkt schlafen zu müssen, zieht es die Kraft aus dem Körper und man wacht morgens völlig erschlagen auf", macht Schweikardt deutlich. Des Weiteren unterscheiden die Rutengänger Gesteinsklüfte und Verwerfungen. Krankmachende Eigenschaften nennt der Fachmann "Geopathogene-Wirkung", während die gesundheitsförderlichen Stellen mit dem "Guten Platz" bezeichnet werden.
"Rutengehen bedeutet aber nicht einfach Spazierenlaufen. Es setzt viel Denken voraus, geht an die Substanz und ans Herz. Mehr als zwei, drei Rutengänge kann kein guter Rutengänger an einem Tag absolvieren", erklärt Schweikardt, der selbst über 8000 Häuser kontrolliert hat. Dabei gibt Schweikardt Ratschläge für die Umstellung der Schlafstatt. Denn laut Schweikardt liegt hier das besondere Übel. So genanntes schiebendes Wasser löse Angstträume, Kopfschmerzen, kalte Füße und Kreislaufbeschwerden aus. Ziehendes Wasser sei für Nervosität, Magenbeschwerden, Merkunfähigkeit und schwere Beine verantwortlich.
Schirling steht mittlerweile im Schlafzimmer von Hilde K. und erklärt, dass das Bett so nicht stehen bleiben könne, da hier eine große Wasserader verlaufe. Die Rentnerin wird ihren Schlafplatz verschieben und hofft, dass die Schlafstörungen und Kopfschmerzen dann ein Ende haben.
Daten und Fakten
Seriöse Rutengänger:
Sie informieren Kunden vorher über ihre genaue Tätigkeit.
Ihre Kosten für eine gründliche Untersuchung (Dauer nicht unter einer Stunde) bewegen sich im Rahmen von 30 bis 200 Euro plus Anfahrt.
Sie können Referenzen vorweisen, beispielsweise von Ärzten, die mit ihnen zusammenarbeiten.
Sie empfehlen oder gar verkaufen keinerlei Abschirm-Materialien (Matten, Decken, Magneten, Kork- platten, Sender, Kupferdrähte) zur "Entstörung".