Mit dem Thema "Muslimische Lebenswelten zwischen Politik, Teilhabe und Engagement" haben sich auf Einladung des Landkreises hiesige Akteure befasst, die im Rahmen der Bildungsregion, der Migrationsarbeit und der Kommunalpolitik aktiv sind. Darüber berichtet das Landratsamt in der Pressemitteilung.
Referentin bei der Fachveranstaltung im Landratsamt war Ayse Coskun-Sahin von der Islamberatung Bayern, einer Einrichtung, die im Auftrag des Bayerischen Innenministeriums tätig ist. Coskun-Sahin hat nach der Ausbildung zur Erzieherin das Studium der Ethnologie und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und den M.A.-Studiengang Religionen, Dialog und Bildung an der Universität Hamburg absolviert. Sie hat mehrjährige Beratungserfahrung zu Themen der beruflichen Anerkennung, in der sozialpädagogischen Familienhilfe, interreligiösen und interkulturellen Dialog, sowie Religion und Weltanschauung in der Einwanderungsgesellschaft.
"Im Landkreis Haßberge sind Muslime seit den Fluchtereignissen der letzten Jahre keine Randerscheinung mehr. Daher gewinnt das Thema islamische Lebenswelt auch in unserem ländlichen Bereich zunehmend an Bedeutung", so Landrat Wilhelm Schneider in seinem Grußwort. An den bayerischen Schulen soll ab dem kommenden Schuljahr möglichst flächendeckend islamischer Religionsunterricht oder ersatzweise ein daran angelehnter weltanschaulicher Unterricht eingeführt werden.
Friedrich Rückert und arabische Literatur
Das Thema interkulturelle Lebenswelten sei ein zeitloses, aktuelles Thema. Der Landrat erinnerte an Friedrich Rückert, der von 1820 bis 1826 vornehmlich in Ebern und in Coburg lebte. Während dieser Zeit habe er sich unter anderem mit Teilübersetzungen des Koran und mit arabischer Literatur beschäftigt, heißt es im Pressetext: Rückert hatte eine Vorstellung und wollte, dass sich Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen verstehen lernen. Seine Idee: Wenn Menschen die Gedichte anderer Völker lesen, dann bekommen sie Zugang zu deren Lebensgefühl.
Coskun-Sahin gab in ihrem Vortrag einen Ein- und Überblick über den Islam und über muslimisch geprägte Lebenswelten. Mit Beispielen von Initiativen und Projekten, die von muslimischen Bürgerinnen und Bürgern gegründet wurden, zeigte sie die vielfältigen Engagementbereiche der muslimischen Zivilgesellschaft in Bayern und ganz Deutschland auf, berichtet das Landratsamt: "In Deutschland leben rund 5,3 und 5,6 Millionen Musliminnen und Muslime. Dies entspricht einem Anteil von 6,4 bis 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung. 47 Prozent davon sind deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger."
Engagiert in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik
Die Referentin betonte, "dass Integrationsprozesse nur zu einem begrenzten Maße durch die Religionszugehörigkeit beeinflusst werden". Für das Erlernen der deutschen Sprache, den Zugang zum Arbeitsmarkt und die generelle Verbundenheit, hätten der soziale Status sowie die individuelle Migrationsbiographie einer Person eine erheblich größere Relevanz.
"Vor allem junge Menschen, die sich als selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft verstehen, engagieren sich in verschiedenen bürgerlichen Bereichen, sei es die Musik, die bildende Kunst, im sozialen Bereich, in der Wohlfahrt und in der Jugendarbeit", informierte Coskun-Sahin. Als hochgebildete, junge, meist in Deutschland geborene Musliminnen und Muslime würden sie neue Organisationen und Vereine gründen, sich in vielen Gesellschafts- und Politikfeldern engagieren. "Sie sind politisch aktiv und werden dabei immer sicht- und hörbarer."
Religionszugehörigkeit ist nur ein Merkmal ihrer Identität
Für die meisten stehe dabei nicht ihr Glaube im Vordergrund. Ihre Religionszugehörigkeit sei lediglich ein Aspekt, ein Merkmal ihrer Identität und ihres Lebens.
"Die Integration ist in Bezug auf Teilhabe und Engagement auf einem guten Weg", stellte die Referentin fest. Aktuell sah sie deutlich die Herausbildung einer engagierten muslimischen Zivilgesellschaft in Deutschland, die vielfältig und bunt, jung und teils politisch aktiv sei, heißt es in der Pressemitteilung: "Den einen Islam oder die Muslime per se gibt es nicht."
Genauso erlebe es auch Siza Zaby, die hauptamtliche Integrationslotsin des Landkreises Haßberge: "Unser Landkreis ist kein Brennpunkt, in dem es Probleme beim Zusammentreffen der Kulturen gibt." Die Integration im Arbeitsleben mache laut Pressemitteilung gute Fortschritte.
Integrationslotsin Siza Zaby mahnt zu Geduld
Mit Freude und Zuversicht sei das Engagement vieler junger Zugewanderter in Schulen und in Dorfgemeinschaften zu beobachten. Besonders Sport habe sich als integrativ bewährt. Dennoch mahnt Siza Zaby zu Geduld: "Es ist ein großer Unterschied, ob man zugewandert oder hier geboren ist. Die Wurzeln der Herkunft prägen das Leben, und so wird sich der Integrationsprozess, wenn auch fließend, noch Jahrzehnte, vielleicht auch über Generationen, hinwegziehen."
Zum Abschluss kündigte Siza Zaby im Herbst eine Ausstellung in Ebern an, bei der Jugendliche ihre Werke der Bildenden Kunst präsentieren werden.
Islamberatung in BayernDie "Islamberatung in Bayern. Brückenbauer zwischen muslimisch geprägten Lebenswelten und Kommunen" ist ein Projekt der Eugen-Biser-Stiftung in Kooperation mit der Robert-Bosch-Stiftung und dem Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Als Brückenbauer zwischen muslimisch geprägten Lebenswelten und Kommunen werden Impulse und Unterstützung für ein gelingendes Zusammenleben vor Ort gegeben. In Beratungsgesprächen und mit Bildungsangeboten vermittelt das Projekt Wissen zu islambezogenen Themen; es stärkt Kompetenzen im Umgang mit Vielfalt, findet mit den beteiligten Akteuren Kommunikationswege und gemeinsam bedarfsgerechte Lösungsmöglichkeiten vor Ort. Die Angebote sind vertraulich weltanschaulich unabhängig und kostenlos. Sie richten sich an Kommunen, Wohlfahrtsverbände und muslimische Organisationen und Verbände.Weitere Infos zum Projekt gibt es im Internet unter https://www.islamberatung-bayern.de/projektQuelle: Landratsamt