Von null auf 100 Prozent – so lässt sich beschreiben, was der Landkreis Haßberge in diesem Jahr bei der Versorgung mit Hautärzten (Dermatologen) erlebt. Am Montag dieser Woche erst hat Dr. Elena Popa (39) in Eltmann ihre Hautarzt-Praxis eröffnet. Am 1. Oktober plant Hautarzt Dr. Boris Bauer (41) in Haßfurt seine Arbeit in eigener Praxis aufzunehmen. Kein Wunder also, dass Landrat Wilhelm Schneider über beide Ohren strahlte, als er diese positive Entwicklung auf dem medizinischen Sektor während einer Pressekonferenz im Landratsamt in Haßfurt vorstellte.
Plan B war nicht nötig
Wenn ab Herbst im Haßbergkreis gleich zwei Hautärzte ihre Patienten behandeln, ist die Versorgung auf diesem fachärztlichen Gebiet so gut, wie seit rund drei Jahrzehnten nicht mehr. Denn Dr. Dieter Rosenzweig, der seine Praxis in Haßfurt vergangenen Dezember geschlossen hat, war lange Jahre Alleinkämpfer im Landkreis. Dass nun gleich zwei junge Dermatologen im Maintal starten, war so nicht vorhersehbar, schilderte Landrat Schneider. Schließlich sah es anfangs so aus, als sei vorerst kein Nachfolger für Dr. Rosenzweig zu finden. Der Landkreis habe deshalb „schon Maßnahmen geplant“, um dem Hautarzt-Mangel zu begegnen, erklärte Schneider, ohne näher auf diesen Plan B einzugehen.
Dass Bedarf an Dermatologen besteht, zeigt die Eröffnung der Praxis von Dr. Popa in Eltmann, in der Zinkenstraße 5, im sogenannten Ärztehaus. Am Ende des dritten Tags hatte sie in ihrer Praxis bereits 70 Patienten behandelt, berichtet die Ärztin, die in ihrem Heimatland Rumänien eine eigene Praxis hatte und im Jahr 2013 mit ihrem Ehemann nach Deutschland kam. Doch diese Zahl erschreckt sie nicht. Zuletzt hatte sie in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Bamberg gearbeitet und dort während einer Acht-Stunden-Schicht bis zu 100 Patienten behandelt. Diese „Fließbandarbeit“, die ihr kaum Zeit für die Patienten ließ, habe ihrer Auffassung von Medizin nicht entsprochen, berichtet sie. Deshalb sei sie froh, jetzt wieder selbstständig zu sein.
Dr. Bauer wagt mit seiner Praxis im Neubau Hofheimer Straße 3 in Haßfurt, im Neubau neben dem künftigen Justizgebäude, wo sich bereits eine Zahnarztpraxis befindet, Anfang Oktober erstmals den Schritt in die Selbstständigkeit. Er kennt die Region. Zwar stammt der Hautarzt aus Schwaben, hat jedoch in Würzburg studiert und dort nach seiner Promotion an der Hautklinik gearbeitet und zuletzt mehrere Jahre lang in der dermatologischen Forschung gearbeitet.
Er freut sich den eigenen Worten nach darauf, ab Mitte September Termine mit künftigen Patienten zu vereinbaren.
Alle Hautarzt-Stellen besetzt
Zufriedene Gesichter machten bei der Vorstellung der beiden Dermatologen im Landratsamt auch zwei Vertreter des Bezirks Unterfranken der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Laut Gunther Carl, dem regionalen Vorstandsbeauftragten der KVB, sind damit quasi auf einen Schlag beide Hautarzt-Stellen, die der Verteilungsschlüssel für den Landkreis Haßberge (Berechnungsgrundlage: 84 000 Einwohner) vorsieht, besetzt.
Die Verteilung von Ärzten, die die KVB nach gesetzlichen Vorgaben vornimmt, sei nicht nur komplex, sondern selten mit dem gefühlten Grad der Versorgung in Einklang zu bringen, meinte Michael Heiligenthal, Berater der KVB-Bezirksstelle. Die Versorgung mit Ärzten müsse also nicht dem eigentlichen Bedarf der Bevölkerung entsprechen.
So gelte ein KVB-Bereich – im Landkreis Haßberge: Ebern und Haßfurt – (erst) dann als unterversorgt, wenn weniger als 75 Prozent der als ausreichend anerkannten Zahl von Hausärzten vorhanden sind. Bei Fachärzten beginnt die Unterversorgung theoretisch gar erst bei einer Quote von unter 50 Prozent. So gilt der Bereich Ebern für die KVB aktuell als überversorgt mit Hausärzten, womit sich dort keine weiteren Hausärzte niederlassen dürfen. Im Bereich könnten sich vier weitere Hausärzte niederlassen. Die andere Seite der Medaille ist natürlich der Altersdurchschnitt der praktizierenden Ärzte, der im Haßbergkreis bei fast 60 liegt, was bedeutet, dass etliche von ihnen in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen.
Der Facharzt-Bedarf im Landkreis Haßberge ist dem Papier nach gedeckt. Dennoch sucht der Landkreis weiter nach einem Chirurgen sowie nach einem Gynäkologen, die im MVZ, das im bisherigen Hofheimer Krankenhaus entstehen soll, regelmäßige Sprechstunden anbieten, berichtet Landrat Schneider. Dasselbe gilt auch für einen Orthopäden für die Filiale des Haßfurter MVZ in Eltmann.