Wenn Florian Schuler vor einem halben Jahr gewusst hätte, was er im Juni 2012 sehen würde, wenn er sich im Hof seines landwirtschaftlichen Anwesens in Gädheim umschaut, dann hätte er wohl von Radladern erzählt, von Bauarbeitern, vielleicht von einem Kran. Doch die Realität sieht anders aus: Von einer Baustelle ist weit und breit keine Spur. Stattdessen stehen auf dem Hof der Schulers noch immer die leer geräumten Ruinen dessen, was der Großbrand am Morgen des 3. Oktober 2011 von Ställen und Scheunen übrig gelassen hat. Pläne und Visionen für einen neuen Stall, für einen Neuanfang ihres Betriebs haben die Landwirte. Doch dagegen regt sich Widerstand im Dorf.
Konkret geht es darum, dass in erster Linie Nachbarn, aber auch weiter entfernt wohnende Gädheimer fürchten, dass der geplante Milchviehstall lästigen Lärm und vor allem Gerüche verursachen. In der jüngsten Gemeinderatssitzung in Gädheim, als die Baupläne von Betriebsinhaber Wolfgang Schuler (52) und Sohn Florian (25) vorgestellt wurden (wir berichteten), wurde publik, dass es schriftliche Beschwerden gibt. Bürgermeister Egon Eck bestätigt auf Nachfrage: Ein Anwohner habe einen Brief an die Gemeinde gerichtet. Doch dabei ist es nicht geblieben. Seit gut einer Woche, berichtet Eck weiter, kursiere eine Unterschriftenliste durchs Dorf – gegen den geplanten Viehstall auf dem Anwesen der Schulers, am Ortsrand Richtung Forst. 60 bis 70 Meter, so schätzt der Bürgermeister, seien es vom geplanten Stall bis zum nächsten Wohnhaus. Aus Sicht der Stallgegner ist dieser Abstand zu gering. Auch im Gemeinderat wurden Bedenken zum Projekt geäußert. Seinen persönlichen Standpunkt zum Stall möchte der Bürgermeister nicht nennen. „Ich äußere meine Meinung in der Sache nicht öffentlich, sonst wäre ich befangen“, begründet er dies.
350 Stück Milchvieh
Ein Immissionsgutachten soll unter anderem klären, in welchem Umfang Gerüche und Lärm von dem geplanten Stall, in dem etwa 200 Kühe plus 150 Tiere zur Aufzucht stehen sollen, zu erwarten sind – „notfalls müssen wir unsere Pläne nochmals ändern“, sagt Florian Schuler. Er erwartet das Gutachten in den nächsten Tagen. Dann, so hofft er, werden sich die Bedenken zerstreuen und der Bau sich nicht weiter verzögern.
Vor dem Brand im Oktober hatten die Schulers auf ihrem Hof knapp 90 Rinder und 500 Sauen und Ferkel. Die rund 70 Rinder, die den Brand überlebt haben, sind seitdem in einem Stall bei Junkersdorf untergebracht. Täglich müssen die Schulers zwischen Gädheim und Junkersdorf pendeln, um die Rinder zu versorgen. Eine zusätzliche Belastung.
Allein deshalb möchte Florian Schuler so schnell als möglich mit dem Neubau des Viehstalls beginnen. „Wir müssen schauen, wo wir bleiben. Es geht um unser wirtschaftliches Überleben.“ Er habe noch 40 Jahre als Landwirt vor sich, sagt er. Wenn er den Hof von seinem Vater übernimmt, bewirtschaftet er diesen in der dritten Generation. Seine dreijährige Tochter, so hofft er, werde später seine Nachfolgerin.
An dem geplanten Standort des neuen, in offener Bauweise vorgesehenen Stalls, etwa 20 Meter nordwestlich des früheren Stalls, ein Stück weiter von den Nachbaranwesen entfernt als der Vorgängerstall, möchte Schuler festhalten. Zufahrt, Strom- und Wasserleitungen, Güllegrube – die komplette Infrastruktur ist dort vorhanden. In der Nähe ist zudem die Biogasanlage, an der Florian Schuler beteiligt ist. Diese könnte Wärme liefern und Gülle aus dem Stall aufnehmen. Wirtschaftlich betrachtet spricht alles für einen Wiederaufbau an Ort und Stelle.
Als der Hof der Schulers 1959/60 am Ortsrand von Gädheim entstand, war es der erste Aussiedlerhof im Altlandkreis Haßfurt, berichtet Florian Schuler. Heute seien es noch drei Landwirte im Ort, in der ganzen Gemeinde Gädheim gebe es neben ihnen nur noch einen weiteren Milchviehbetrieb. Einer der Nachbarn, die sich gegen die Neubaupläne wenden, sei selbst Landwirt. Schuler versteht nicht, warum ausgerechnet ein Berufskollege, der Schweine mästet, Furcht vor Gerüchen durch den geplanten Milchviehstall habe: Kühe und Rinder würde weniger Gestank verursachen als Schweine. Und wenn morgens und abends jeweils zweieinhalb Stunden die Melkmaschinen laufen, dann ist das für Schuler keine unzumutbare Lärmbelästigung. Es gebe schließlich weitere Betriebe im Ort, die ebenfalls nicht ganz still produzieren.
Runder Tisch im Landratsamt
Bereits im April hatte es einen runden Tisch im Landratsamt gegeben, den Innenstaatssekretär Gerhard Eck einberufen hatte (Florian Schuler: „Er war der Einzige, der wirklich die Initiative ergriffen hat nach dem Brand.“). Zwischen Vertretern der Kreis- und Fachbehörden, der Gemeinde und den Schulers sei damals unter anderem das Immissionsgutachten vereinbart worden.
Ein solches Gutachten werde in Fällen verlangt, in denen vorgesehene Abstände zwischen Viehställen und Wohnhäusern „kritisch“ seien, erläutert Andreas Schmitt, Sachgebietsleiter des Bauamts am Landratsamt Haßberge. Dass dies beim Vorhaben der Schulers der Fall ist, sei den Landwirten beim Gespräch im April „von Anfang an klar gemacht worden“. Neben dem Gutachten, das das Landratsamt als Genehmigungsbehörde zu prüfen hat, fehlten zur Beurteilung des Bauvorhabens weitere „wesentliche Unterlagen“, so Schmitt, beispielsweise seien die Dachentwässerung und Abstandsflächen noch nicht geklärt. Bis alle Punkte abgehakt sind, könnten zwei bis drei Monate ins Land gehen.
Sobald das Immissionsgutachten vorliegt, möchte Bürgermeister Eck eine außerordentliche Gemeinderatssitzung ansetzen, um vor Ort das Bauvorhaben zu besprechen. Der Standort der (bereits erstellten) Biogasanlage, so meint er heute, wäre für den Viehstall besser geeignet gewesen – weil dieser damit weiter von der Wohnbebauung entfernt wäre. Auch ein Wiederaufbau des Stalls in den gleichen Dimensionen wie sie das abgebrannte Gebäude hatte, wäre aus Sicht des Bürgermeisters wohl weniger problematisch als die aktuellen Pläne der Schulers.
Drei bis vier Monate Bauzeit, dann stehe der neue Stall im Großen und Ganzen, meint Schuler. Damit hat er die Hoffnung noch nicht begraben, wenn schon nicht zum Jahrestag des Großbrands, dann wenigstens Ende des Jahres den neuen Stall zu erblicken, wenn er sich auf seinem Hof umschaut, „als Weihnachtsgeschenk“, wie er sagt. Ob dies klappt, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell die Behörden das Bauvorhaben absegnen und wie schnell der Widerstand von Anwohnern abebbt. Doch der Protest werde gar noch wachsen, schätzt Bürgermeister Eck.
Damals, in den Tagen nach dem Brand, hatten viele – gefragt und ungefragt – öffentlich verkündet, Familie Schuler beim Wiederaufbau ihrer Existenz alle Wege zu ebnen. Davon ist heute wenig zu spüren.