Ein rund 80 Jahre alter dekorativer Stammkrug eines der letzten jüdischen Mitbürger ist in nun den Besitz der Stadt Zeil gelangt. Der „Stadttürmer“ Franz Hoffmann hatte sich seit geraumer Zeit um dieses Exponat bemüht. Stadtoberhaupt Thomas Stadelmann zeigte sich erfreut darüber, dass dieses Erinnerungsstück in Zeil geblieben ist, obwohl es auch auswärtige Interessenten gegeben habe.
Wie Heimatforscher Ludwig Leisentritt bei der Übergabe erzählte, wohnte Max Goldmann mit seiner Frau Frieda in der dritten Generation in einem Haus in der Langgasse. Seine Vorfahren hatten das stattliche Fachwerkgebäude 1838 erworben. Als „Kultmetzger“ oblag es ihm, für seine Glaubensgenossen in Zeil und Umgebung koscheres Fleisch von Kälbern, Ziegen und Lämmer zu liefern. Nach dem 1. Weltkrieg hatte die jüdische Gemeinde wegen der vielen Wegzüge ihren Status verloren. Die Auflösung wickelte der letzte Kultusvorsitzender Urias Silbermann ab. Nach seinem Tod war es dann an Max Goldmann, einen Käufer für die Synagoge gegenüber der Gastwirtschaft Göller zu suchen. Das Gebäude wurde schließlich von Bürgermeister Nikolaus Drebinger erworben. Man weiß, dass Goldmann damals den Käufer auch unter dem Aspekt auswählte, dass die einstige Würde des Gotteshauses nicht verletzt wird. So hatte man in Gleusdorf beim Verkauf festgelegt, dass keine Schweine im Anwesen gehalten werden dürfen.
Als Max Goldmann 1941 in Zeil verstarb, blieb sein Stammkrug mit dem kunstvoll eingravierten Namen auf dem Zinndeckel in der Vitrine der benachbarten Gastwirtschaft „Drei Kronen“ in der Langgasse stehen. Bei der Stilllegung der Gaststätte vor etwa 20 Jahren verwahrte ein Mitbürger dieses Relikt. Vor einiger Zeit gelangte der Krug in den Besitz von Franz Hoffmann, der ihn nun Bürgermeister Thomas Stadelmann übergab. Der versprach, dieses Andenken an die Jahrhunderte lange Tradition jüdischen Lebens in Zeil in Obhut zu nehmen– handelt es sich doch um ein Stück Zeiler Geschichte. Um den Krug herum befinden sich zwei Motive, von denen eins zunächst Rätsel aufgab.
Eine Darstellung des Kruges zeigt ein kunstvolles Geflecht eines Hopfenstrauches. Für das andere Motiv gab es zunächst keine Erklärung. Doch hat der Heimatpfleger Günter Lipp aus Ebern einen entscheidenden und plausiblen Hinweis gegeben. Danach ist die Abbildung ein ironischer Hinweis darauf, dass man aus einem Fass Bier mehr zapfen könne als eigentlich darinnen ist. Man kann auf der Darstellung sehen, wie sich der Schankwirt tanzend darüber freut. Das Motiv auf dem Krug sollte den Wirt wohl ermahnen, den Gerstensaft bis zum Strich einzuschenken. Der sogenannte Schanknutzen der Wirte sorgte über 100 Jahre lang in München und Bayern für Diskussionsstoff. Seit 1899 gibt es den „Verband zur Bekämpfung betrügerischen Einschenkens“. 1984 konnte der Verein durchsetzen, dass beim Oktoberfest keine steinernen Krüge mehr verwendet werden. Glaskrüge gelten allgemein als hygienischer und haben den Vorteil, dass sich genau feststellen lässt, ob auch wirklich die betreffende Menge eingeschenkt ist. Freilich behaupten Kenner, dass sich in einem Tonkrug wegen seiner besonderen Oberflächenstruktur die Kohlensäure länger im Gerstensaft hält und das Bier dadurch länger frisch bleibt.
Das jüdische Ehepaar Max und Frieda Goldmann lebte bis zum Aufkommen der Nazis geachtet und wohlgelitten in Zeil. Wie Bürgermeister Rudolf Winkler nach dem Krieg an die Behörden berichtete, war das Schlachthaus von Max Goldmann recht einfach eingerichtet. Das Inventar bestand nur aus einem Hackstock, einigen Schlachtmessern, einem Beil, einer Handfleischmaschine sowie einigen Fleischhaken. Max Goldmann war einer der letzten Juden in unserem Bereich, die noch im zuständigen Friedhof in Kleinsteinach beerdigt wurden.
Ein Jahr nach seinem Tod musste seine Frau im April 1942 zu einem Sammellager mit anschließender Deportation nach Würzburg fahren. Bevor Frieda Goldmann vom Gendarmen Weber zum Bahnhof geleitet wurde, hatte ihr der Schneider Nikolaus Langguth einige Geldscheine in ihren Mantel eingenäht. Wie Zeitgenossen erzählten, sei sie vor ihrer Abreise in einem Akt innerer Einkehr von ihrem Haus zum Kreuzfriedhof und zurück gelaufen. Nach Aussagen alter Zeiler habe das Ehepaar sehr fromm gelebt. An den Sabbattagen hat das Ehepaar gegen eine kleine Gabe seinen Ofen von christlichen Kindern „anschieren“ lassen.
Vor ihrer Abreise ließ sich die Witwe von einer ihr wohl gesonnenen Familie einen Bleistift und eine frankierte Postkarte geben, die sie von ihrem neuen Aufenthaltsort nach Zeil schreiben wollte. Sie war nicht niedergeschlagen, soll sich sogar gefreut haben auf ihre neue „Heimat“, was immer sie sich darunter vorstellte. Schlechter, so meinte sie arglos, könne es ihr gar nicht mehr gehen. Ein weiterer Beleg dafür, dass viele Juden bis zuletzt keine Kenntnis von den Vernichtungslagern der Nazis hatten.
Frieda Goldmann ist am 25. April 1942 von Würzburg aus in einem Gütertransportzug nach Belcec/Lublin, unweit des berüchtigten KZ Majdanek, deportiert worden. Dabei passierte sie noch einmal ihre Heimatstadt Zeil. Mit dabei waren noch 36 Glaubensgenossen aus dem Bezirk Haßfurt, 43 aus dem Bereich Hofheim und zwölf aus Untermerzbach und Reckendorf. Kurz vor ihrer Abreise nach Würzburg hatte Frieda Goldmann einige Stücke ihrer sicher nicht üppigen Habe an befreundete Nachbarn geschenkt. Einen siebenarmigen Leuchter erhielt Greta Wacker, die diesen an die Schwester des damaligen Geistlichen Rates, Rosa Rüdenauer, weitergab. Die ist später nach dem Tod ihres Bruders nach Bad Mergentheim verzogen. Ein jüdisches Gebetbuch sowie eine jüdische Kopfbedeckung (Kippa) soll sich noch im Besitz einer Zeiler Familie befinden.