O?zapft is“ hieß es am Samstag in Rügheim. Nach vier Jahren Planung, Bauarbeiten und vielen überwundenen Hürden war es endlich soweit: Das erste im sanierten Rügheimer Brauhaus gebraute Bier – ein „Rügheimer Spezial“ – wurde aus einem Edelstahlfass gezapft und fand gleich viele neugierige, durstige Kehlen, denen das würzige, bernsteinfarbene Märzen mundete.
Brautechnik im Wert von rund 250 000 Euro hat der im Jahr 2014 gegründete Brauverein Hofheimer Land in das historische Gebäude gesteckt, das zuvor mit Fördermitteln aufwendig restauriert wurde. 64 Mitglieder zählt der Verein, von denen nur rund die Hälfte in Rügheim wohnt, meint Rainer Huth, der Vorsitzende des Vereins. Viele Mitglieder kommen aus dem Umland, manche aber auch von weither, etwa aus Berlin oder Regensburg. Sie stammen jedoch aus Rügheim beziehungsweise Goßmannsdorf und haben die Beziehung zur alten Heimat nicht aufgegeben.
„Rügheimer Spezial“
Das „Rügheimer Spezial“ braute der Vereins bereits im Oktober, um es am Samstag, dem ersten offiziellen Brautag, zu kredenzen. Alle Bierfreunde konnten dabei Lukas Hein, dem einzigen gelernten Brauer des Vereins, der seinen Beruf in Zeil ausübt, bei der Herstellung eines hellen Bockbiers über die Schulter schauen. Das Starkbier wird am 6. Januar beim „Stärkeantrinken“ in Rügheim ausgeschenkt. Zum Brauen des Bockbiers werden zwei Malzsorten und drei Hopfensorten verwendet, darunter Bitter- und Aromahopfen aus der Hallertau und aus Spalt.
Um 10 Uhr erfolgte das „Einmaischen“ im Maischbottich. Dabei wurden 500 Liter Leitungswasser mit Gerstenmalz bei einer Wassertemperatur von 47 Grad vermischt. Die Maische wird dann für eine jeweils festgesetzte Zeit auf unterschiedliche Temperaturen erhitzt – das sogenannte Temperatur-Rasten. Dabei verwandelt sich das Malz teilweise in Zucker, der später von der Hefe in Alkohol verwandelt wird. Danach wird die Maische geläutert, das heißt, Feststoffe, wie Spelzen und Schalen vom Malz, werden von der Flüssigkeit getrennt. Aus diesem sogenannten Treber kann Brot gebacken werden. Meist wird er aber an Tiere verfüttert.
Würze im „Whirlpool“
Die gereinigte Flüssigkeit heißt von nun an „Würze“ – das spätere Bier. Sie wird bei 100 Grad gekocht und es wird Hopfen zugegeben. Danach kommt die heiße Würze in den „Whirlpool“, wo sie mittels einer Düse in eine Drehung – ähnlich wie in einer Zentrifuge – versetzt wird. Dabei bildet sich in der Mitte ein Trubkegel, der aus Eiweißbruch und ungelösten Hopfenbestandteilen besteht. Bei 500 Litern Würze entsteht etwa ein Eimer voll mit Trub, der nicht weiterverwendet werden kann und weggeschüttet wird.
Anschließend wird die Würze durch einen Wärmetauscher gepumpt und auf die gewünschte Gärtemperatur – in diesem Fall 14 Grad Celsius – abgekühlt. Die Würze gelangt dann in den Gärtank, der sich im Keller des Brauhauses befindet. Dort wird sie mit Hefe versetzt. Die Hefe verwandelt den in der Würze enthaltenen Zucker in Alkohol und Kohlensäure. Bevor der Gärvorgang abgeschlossen ist, wird das Jungbier in Lagertanks umgepumpt, wo die Endvergärung unter Druck stattfindet. Das Bier muss nun drei bis vier Wochen reifen. Durch die Lagerung bilden sich unerwünschte Inhaltsstoffe zurück. Das Bier wird dadurch angenehmer und verträglicher.
Am Samstag wurden in Rügheim 500 Liter Bier gebraut, das nach der Lagerzeit in Edelstahlfässer mit fünf beziehungsweise zehn Litern Inhalt abgefüllt wird. Normalerweise wird das Bier dann nur an Mitglieder ausgegeben. Nur in Ausnahmefällen, wie am 6. Januar, kommt auch die Bevölkerung in den Genuss, es gegen eine Spende probieren zu dürfen. Verkaufen darf es der Verein nicht.
Bis zu 1000 Liter Bier könnten in dem Brauhaus am Tag gebraut werden. In den acht Lagertanks a 500 Litern, die sich im Keller befinden, können 40 Hektoliter Bier gelagert werden. Auch andere Biersorten sollen in Zukunft gebraut werden, beispielsweise ein Weizenbier. Ein Pils kann nicht gebraut werden wegen der fehlenden Filtrationsanlage.
Handwerkliches Geschick gefragt
Brauergeselle Lukas Hein war am Samstag in seinem Element. „Hier ist noch viel mehr handwerkliches Geschick gefragt, als bei meiner Arbeit in der Brauerei“, sagte er. Der Fokus an seiner Arbeitsstelle liege mehr auf dem Reinigen und dem Überwachen der automatisierten Anlagen. Neben Bierbrauen können die Rügheimer auch Brot im Brauhaus backen. Der Backofen dafür ist vorhanden. Offiziell eingeweiht wird das Brauhaus im kommenden Jahr, wenn alles reibungslos funktioniert, sagt Vorsitzender Rainer Huth. Dann können auch Landrat, Bürgermeister und Ehrengäste das Rügheimer Bier probieren und werden sicherlich nicht „unterhopft“ den Heimweg antreten.