Bei einem Poetry-Slam ist es eigentlich Teil des Konzepts, dass auf der Bühne nicht nur Profis gegeneinander antreten. Üblicherweise gibt es eine Offene Liste, über die sich Teilnehmer noch am Tag der Veranstaltung eintragen können. Diese treten dann im Wettbewerb gegen die geladenen Profis an und haben so eine Möglichkeit, sich einmal auszuprobieren und Feedback zu bekommen zu ihrer Bühnenpräsenz oder den Texten, die sie geschrieben haben.
Doch am Samstag war das etwas anders: Diesmal durften nur Profis als geladene Gäste am Dichterwettstreit teilnehmen. Besonders geärgert hat sich darüber Kiki Tabiri Lee, die an diesem Abend teilnehmen wollte. In einem Offenen Brief beschwert sich die Zeilerin über die Veranstalter und vor allem über Moderator Christian Ritter.
An der Kasse zurückgewiesen
"Für den gestrigen Abend hatte ich eine regionale Nummer geschrieben, vorbereitet und geübt, um dann an der Kasse zurückgewiesen zuwerden", schreibt Lee in dem Offenen Brief, den sie auch dieser Redaktion weiterleitete. "Man hätte in der Zeitung kommuniziert, dass es dieses Mal keine offene Liste gibt. Diesen besagten Artikel konnte ich nirgends finden."
Veranstaltet wird der Haßfurter Poetry-Slam vom Bibliotheks- und Informationszentrum (BIZ) in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Slammer und Moderator Christian Ritter, der die Veranstaltungsreihe moderiert, seit sie 2014 ins Leben gerufen wurde. Sylvia Büttner vom BIZ berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion, die Bibliothek habe die Information, dass es diesmal keine Offene Liste geben werde, auf ihrer Internetseite sowie auf Facebook veröffentlicht. In der Ankündigung in der Zeitung stand nicht explizit, dass es diesmal keine Möglichkeit zur spontanen Teilnahme geben werde. In der Vergangenheit hatte das BIZ jedes Mal in der Pressemitteilung, die den Poetry-Slam ankündigte, auch auf die Offene Liste hingewiesen; diesmal hingegen nicht.
Veranstaltung musste zeitlich getaktet sein
Moderator Christian Ritter begründet im Gespräch mit dieser Redaktion, warum eine Offene Liste beim Poetry Slam diesmal nicht möglich gewesen sei. "Das hat nichts mit inhaltlichen Gründen zu tun", betont er. Vielmehr sei die Entscheidung der Corona-Pandemie geschuldet. Wie jede andere öffentliche Veranstaltung auch brauchte der Poetry-Slam ein Hygiene-Konzept. Dafür brauchte es eine begrenzte, im Voraus bekannte Zahl an Teilnehmern, außerdem musste die Veranstaltung "zeitlich durchgetaktet" sein.
Kiki Tabiri Lee hält das aber für eine Ausrede, da sie "den Künstlern eh nicht zu nahe" komme, "weil ich (Landei) ja nicht mal hinter den Vorhang darf". Sie lässt in ihrem Offenen Brief hingegen durchblicken, dass sie den Eindruck hat, der Moderator hätte etwas gegen regionale Teilnehmer. "Ich habe nun drei Mal mitgemacht und fühlte mich jedes Mal extrem diskriminiert", schreibt sie. Für Christian Ritter und seine Kollegen sei sie nur Luft gewesen. Aus ihrer Sicht habe der Moderator am Samstag "die Gelegenheit genutzt".
Ganz anders hat es Paulina Heumann erlebt, die 2014 als damals 16-Jährige am ersten Haßfurter Poetry-Slam teilgenommen hatte. Sie berichtet von einer "tollen Erfahrung". Zwar habe sie nur wenig mit den anderen Teilnehmer zu tun gehabt, zumal es "ewig her" sei, habe dort aber definitiv "nichts negatives" erlebt. "Wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte, hätte ich nochmal mitgemacht", sagt sie. Auch Sylvia Büttner vom BIZ widerspricht der Aussage, die Ausrichter der Veranstaltung hätten etwas gegen regionale Teilnehmer: "Von unserer Seite aus sind sie sehr willkommen."
Gleiche Regeln für alle
Kiki Tabiri Lee schreibt: "Beim zweiten Auftritt wurde ich vorzeitig abgepfiffen. Da fehlten natürlich die Pointen, die ich bis zum Schluss aufgehoben hatte. Das war extrem unfair!" Christian Ritter betont dagegen, es gebe beim Poetry-Slam nun einmal ein Zeitlimit, das kein Teilnehmer überschreiten darf. "Es gibt halt die gleichen Regeln für alle", sagt der Moderator, der erst durch die Presseanfrage überhaupt von dem Offenen Brief erfuhr und das Schreiben daher bei dem Gespräch mit dieser Redaktion auch noch nicht gelesen hatte. Das Zeitlimit zu überziehen bezeichnet Ritter als "Ausnutzung meines Vertrauens in die Künstler."
Lee schreibt in ihrem Offenen Brief, mittlerweile würden einige Gäste ihretwegen zu der Veranstaltung kommen und auch Eintritt bezahlen. So habe sie am nächsten Tag mehrere Anrufe von Leuten beantworten müssen, die wissen wollten, warum sie nicht da war. "Mit Verlaub: Ich bin echt enttäuscht und sauer."