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HASSFURT: Problemfall Feuchttücher: Trocken wischen ist gesünder

HASSFURT

Problemfall Feuchttücher: Trocken wischen ist gesünder

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    Das sieht nicht nur übel aus: Feuchttücher verstopfen Rohre und Kanäle. Es kostet Geld und macht viel Arbeit, bis das Abwasser wieder fließen kann.
    Das sieht nicht nur übel aus: Feuchttücher verstopfen Rohre und Kanäle. Es kostet Geld und macht viel Arbeit, bis das Abwasser wieder fließen kann. Foto: Foto: Gunnar Meister/OOWV

    Das allgemeine Müllverhalten der Menschen hat sich in den letzten Jahren verändert. Wenn ich heute in meinen Rechen schaue, sehe ich alles – vom Wienerle über Tomaten, Zwetschgenkerne, Kümmeli, Rasierklingen.“ Gädheims Klärwärter Klaus Sterling plaudert aus dem Nähkästchen. Der 51-Jährige hat auf dem Sektor schon viel erlebt. Und damit ist er nicht allein. Alle Kläranlagen in Deutschland werden durch Sachen belastet, die in der Toilette entsorgt werden, dort aber überhaupt nichts verloren haben. Ein Druck auf die Spültaste und weg sind Speisereste, Hygieneartikel oder abgelaufene Tabletten. Was die Arbeit der Klärwärter aber richtig erschwert, sind vor allem feuchte Toilettentücher, die sich im zirkulierenden Abwasserstrom verdrehen, also „verzopfen“, und die Pumpen lahmlegen.

    Das kann teuer werden

    Wie vieles andere, das unbedacht über die Toilette entsorgt wird, führt feuchtes Toilettenpapier zu massiven Problemen und kann sehr teuer werden. Zum einen für die Kommune, wenn Kanal oder Kläranlage in Mitleidenschaft gezogen werden. Zum anderen für die Hauseigentümer, wenn die Verstopfung noch auf dem eigenen Grundstück passiert. Mario Krämer, 1. Klärwärter der Stadt Zeil, kennt etliche Beispiele von Häusern, deren Abwassersysteme durch den Gebrauch von Feuchttüchern verstopft wurden, was teure Reinigungsaktionen erforderlich machten.

    Die Versuchung ist groß. Feuchttücher, Babytücher, Hygienetücher sind klein, praktisch und parfümiert. Und noch dazu steht mittlerweile auf vielen, dass sie unbedenklich, da wasserlöslich sind. Also kurzerhand und ohne nachzudenken nach dem Gebrauch ins Klo geworfen – und schon wird's gefährlich. Feuchttücher werden für den Anwender besonders reißfest gemacht. Sie bestehen aus Polyester-Viskose-Gemisch oder Fasern, die mit Kunstharz gefestigt sind. Im Wasser lösen sie sich daher nicht auf, sondern sie verstopfen die Kanalisation und verfangen sich in Abwasserpumpen.

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    Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat einen umfangreichen Test verschiedener Feuchtpapiertücher durchgeführt (zu sehen in der ARD-Mediathek) und nur ein einziges hat sich in einer Kanalisationssimulation aufgelöst, allerdings erst nach 24 Stunden. Die zuständigen Gremien vieler Kommunen klagen über zusätzliche Belastungen in den kommunalen Kläranlagen durch den Gebrauch dieser Toilettenpapiere. Aber was kann man dagegen tun? Es gibt kein Gesetz, das den Gebrauch dieser Tücher verbietet.

    Aufklärung für Schüler

    Die Stadt Haßfurt versucht es mit Aufklärung. Es werden regelmäßig Viertklässer eingeladen und die werden über das wachsende Verstopfungsrisiko durch Feuchtpapier aufgeklärt. Dazu gibt es für die Kinder Flyer, damit sie nicht mit leeren Händen nach Hause kommen, sondern ihre Eltern überzeugen können. Einen solchen Flyer hat zum Beispiel die DWA, die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, unter dem einprägsamen Namen „Vorsicht, Pumpenkiller!“ herausgegeben.

    Haßfurts Klärwerksleiter Matthias Langguth beschreibt den worst case. „Am schlimmsten ist es, wenn es einige Tage nicht geregnet hat. Dann hängen sich die feuchten Toilettentücher in die Kanalisation. Und wenn plötzlich ein Starkregen einsetzt, ballen sich die Tücher zusammen und verstopfen die Pumpen in der Kläranlage.“ Das macht erstens eine Menge Arbeit, die zusätzlich anfällt, und es kann teuer werden, wenn eine Spezialfirma zur Beseitigung dieser Knäuel aus verfilzten und zähen Strängen eingesetzt werden muss. „So eine Firma kostet pro Tag tausend Euro“, erläutert Langguth. Wenn die Kanäle voll sind, landet der Schmodder in den Überlaufbecken und verstopft die Gitterroste. Die Problemlage ist hier ähnlich.

    Verfilzte Feuchttücher legen Abwassersysteme lahm.
    Verfilzte Feuchttücher legen Abwassersysteme lahm. Foto: Foto: Gunnar Meister/OOWV

    Der Zeiler Mario Krämer weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass die Industrie bereits auf das Fehlverhalten der Bürger reagiere. Es seien Pumpen in Planung, die nicht mehr so leicht verstopfen. „Eigentlich ist es aber nicht richtig, dass wir auf die Verursacher reagieren. Besser wäre es, die Ursache abzustellen.“ Wobei er sich darüber bewusst ist, dass es nicht leicht sein dürfte, den Bürger umzuerziehen, angesichts der Tatsache, dass „die Leute einfach alles“ über die Toilette entsorgen. Die Feuchttücher sind für ihn deshalb nur ein Problem von vielen. Nichts desto trotz appelliert er an die Bürger, doch lieber einen Hygienebeutel zu benutzen, als manche Utensilien wie Tampons, Binden, Kondome oder Feuchttücher einfach in die Toilette zu werfen.

    Auch Klärwerk-Mitarbeiter René Schorsch kennt in Hofheim das Problem, wenn „ein Klumpen auf einen Schlag“ kommt. „Pro Pumpe brauchen wir im Schnitt eineinhalb Stunden, um sie auseinanderzulegen, zu reinigen und wieder zusammenzubauen. Da Hofheim aber nur über zwei Pumpstationen verfügt, ist die Belastung nicht so groß wie in anderen Städten, die mehr Pumpstationen im Einsatz haben.“ Schorsch kann sich noch erinnern, als auf den Packungen der Feuchttücher stand, dass sie nicht in der Toilette entsorgt werden dürfen. Heute dagegen sei zu lesen, maximal zwei Tücher sollten im Klo entsorgt werden. Und die bilden dann manchmal, wenn sie in den Pumpen ankommen, einen Zopf „hart wie Stein“.

    Zerkleinerer in Gädheim

    Klärwärter Klaus Sterling aus Gädheim ist froh, dass seine Gemeinde rechtzeitig vor vier Jahren die Initiative ergriffen und den Einbau von zwei Feststoffzerkleinerern ins Kanalsystem eingebaut hat, um die Schwimmstoffe auf Teile mit eineinhalb bis zwei Zentimeter Größe zu zerkleinern, um die Pumpen auf dem Abwasserweg in die Gädheimer Kläranlage vor Überlastungen und Störungen bis zum Ausfall der Technik zu schützen. Dadurch sei das Verzopfungsproblem gelöst, so Sterling. Eine installierte Sonde sorge für eine effiziente Steuerung des ursprünglichen Dauerbetriebs des Zerkleinerers und somit für einen niedrigen Stromverbrauch. „Bei einem Dauerlauf der Zerkleinerer war ein jährlicher Stromverbrauch von 3500 Euro prognostiziert“, so Sterling. Durch die Inbetriebnahme nur bei Erfordernis liege der Stromverbrauch pro Jahr bei 180 Euro. Allerdings kostet ein solcher Zerkleinerer die stolze Summe von rund 16 000 Euro, resümiert der Gädheimer Klärwärter.

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    _ Foto: oovw

    Abgesehen von den immensen Problemen, die durch Feuchtpapier in den Kläranlagen verursacht werden, hat das Magazin „Öko Test“ nach einem Test von 15 feuchten Toilettenpapieren bereits im Januar 2014 darauf hingewiesen – und mehrere Untersuchungen haben dieses Ergebnis inzwischen bestätigt –, dass das feuchte Nachwischen ungesund sein könnte. Das vermeintlich reine Gefühl nach dem Wischen erweise sich als trügerisch, da die Lotion inklusive unerwünschter Stoffe auf dem Allerwertesten verbleibe. Konservierungsmittel seien bei feuchten Tüchern immer an Bord. Die Tester kamen vor vier Jahren zu dem Schluss: „Trocken wischen ist gesünder.“ Diese Aussage kann im Hinblick auf die Kosten, die bei den Reparaturarbeiten in den verzopften Kläranlagen anfallen, eins zu eins auf die kommunalen Haushalte übernommen werden.

    Das gehört nicht in die Toilette Diese Dinge gehören in die Mülltonnen und auf keinen Fall in die Toilette: • Speisereste, Speisefette und -öle; • Hygieneartikel wie Babywindeln, Slipeinlagen, Damenbinden, Tampons, Kondome, Haare, Wattestäbchen, Papiertücher, Feuchttücher; • Zigarettenkippen, Feuerzeuge, Rasierklingen, Flaschenverschlüsse, Papier, Plastik und andere feste Abfälle. • Medikamente (fest und flüssig). Diese Dinge müssen gesondert entsorgt werden: • Batterien, chlorhaltige und ätzende Putz- und Reinigungsmittel, Altöl, Chemikalien, Farben und Lacke und vieles mehr.

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