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SULZBACH: „Rote Rebellin“ trinkt mittlerweile lieber Tee

SULZBACH

„Rote Rebellin“ trinkt mittlerweile lieber Tee

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    Tee und Bücher statt Politik: Wenn sich am 7. Oktober der neugewählte bayerische Landtag konstituiert, wird Dr. Gabriele Pauli nicht mehr dabei sein: Die frühere Fürther Landrätin und CSU-Rebellin, die zuletzt als Parteilose im Parlament saß, will sich zukünftig „Themen widmen, die mich auch noch interessieren.“ Dazu zählt die Landschaftsgärtnerei: Im Betrieb von Markus Hofmann und Bastian Saffer im 120-Einwohner zählenden Dorf Sulzbach, einem Stadtteil von Hofheim, stellte die Noch-Abgeordnete am Samstag eine Kräuterteemischung vor, die sie gemeinsam mit Hofmann und Saffer vertreiben möchte.

    Auf die Idee ihren eigenen Kräutertee zu kreieren kam die Politikerin durch ihren Bruder: „Axel befasste sich als Lebensmittelchemiker mit Naturkräutern und ihren Wirkungen“, erzählte Pauli bei der Verkostung. Bevor Alexander („Axel“) Pauli Ende 2012 mit nur 54 Jahren an Krebs starb, gab er seiner Schwester den Rat, das Leben heute zu nutzen, ohne auf ein besseres Morgen zu warten. „Er hat gesagt: Wenn ich gewusst hätte, dass dieses Leben schon das beste ist, was ich bekommen kann, dann hätte ich mehr daraus gemacht.“ Nun will die 56-Jährige sein Wissen um die Kraft der Kräuter anwenden.

    Bestärkt wurde sie in ihrem Vorhaben durch den Kontakt zu den Garten- und Landschaftsbauern Markus Hofmann und Bastian Saffer, den Pauli noch aus ihrer Zeit als Fürther Landrätin kennt. In deren Betrieb sollen zukünftig die Zutaten für die geplanten sieben Kräutertees angebaut werden, darunter auch seltene Arten wie alter Hopfen. „Die Rezepturen mussten wir erst austüfteln“, schilderte Pauli die Entstehung. „Viele Kräuter beeinflussen sich ja gegenseitig, die Mischung macht es dann aus.“

    Die Mittfünfzigerin vertraut auf die Expertise der beiden Gartenfachleute: „ich bin ja eigentlich Politikerin, keine Teeanbauerin.“ Sie habe früher viel Kaffee getrunken, bekennt Pauli: „Heute fange ich den Tag mit Salbeitee ruhiger an.“

    So ruhig, wie es zuletzt um die parteilose Abgeordnete in den letzten zweieinhalb Jahren geworden war, wollte sich Pauli nicht aus dem Maximilianeum verabschieden: Am Donnerstag vergangener Woche stellte sie – rechtzeitig vor der Landtagswahl – in München ihre Biografie „Die rote Rebellin“ vor, in der sie 23 Jahre aktive Berufspolitik aus ihrer Sicht schildert.

    „Klarstellung“ habe sie gewollt, „keinen Racheakt“, sagte Pauli, „über mich sind viele Märchen erzählt worden“. Dennoch rechnet sie im Buch mit der CSU ebenso ab wie mit dem Vorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. CSU steht laut Pauli für „Chaotisch, sündig, unbelehrbar“, ihr Chef, Ministerpräsident Horst Seehofer, sehe Menschen als „Schachfiguren und Statisten“ an.

    SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher nahm im Wahlkampf gern die Gelegenheit wahr, diese Passagen bei der Präsentation zu zitieren, verteidigte aber Aiwanger, den Pauli „Meister der politischen Intrige“ nennt, gegen ihre Vorwürfe. Von der Fraktionsdisziplin habe sie sich „wie entmündigt“, legte Pauli am Samstag nach und beklagte, dass ihr, die 30 000 Wählerstimmen für die Freien Wähler geholt hatte, 20 Abgeordnete die Arbeitsgrundlage im Parlament entziehen konnten.

    Zu den „Visionen einer besseren Welt“, die die CSU-Dissidentin im Buch vorstellt, zählen eine menschenfreundliche Wirtschaftspolitik, ein bedingungsloses Grundeinkommen, bessere Kinderbetreuung, Schulen, in denen Lernen Spaß macht und ihre umstrittene Idee der „Ehe auf Zeit“.

    In der SPD wird die „Zerstoiberin“, die ohne Partei nicht mehr für den Landtag kandidieren konnte, keine neue politische Heimat finden. Rinderspacher finde sie immer noch „durch und durch konservativ“, berichtete Pauli weiter von der Pressekonferenz. „Das Attribut rot bezieht sich auf meine Haare, die früher mehr rot waren, auch das Rebellische wird ja mit rot assoziiert. Bekannt sei ebenso ihre rote Ducati, mit dem Motorrad war sie oft abgelichtet worden.

    Auch den Landkreis Haßberge hat die Politikerin erstmalig mit dem Motorrad kennengelernt, bei einer Tour 2005. Ihren damaligen Kollegen Rudolf Handwerker hat die ehemalige Fürther Landrätin noch aus ihrer Anfangszeit in guter Erinnerung: „Der Rudi und ich waren 1990 als frisch gewählte Landräte die jüngsten, wir waren eher die Frechlinge.“

    Passend zu Situationen, die Pauli in ihrem Buch schildert, sind zunächst sieben Teesorten geplant. Die Autorin kritisiert in ihrer Bilanz unter anderem den starken Einfluss der Lobbyisten, vor allem aus der Pharmaindustrie, auf die Politik. Er führe dazu, dass die Menschen zu viel Geld bezahlen müssten. „Dabei muss man nicht unbedingt immer gleich zu Medikamenten greifen“, so die Politikerin, „manchmal würde einem ein Tee reichen, um wieder ins Lot zu kommen.“ Vielleicht ein Tee wie der „Drive-drauf“, eine feurig-hitzige Spezialmischung aus Melisse, Salbei, Kamille, Pfefferminze, Schafgarbe, Ringelblume und Weißdorn, den die einstige CSU-Rebellin anbietet.

    Während Pauli den Tee ausschenkt, verließt Saffer die passende Textstelle über Paulis Vorschlag einer „Ehe auf Probe“, mit dem sie sich in der CSU ins Abseits stellte: „Die Sprengkraft war mir klar: Das ging für eine konservative Partei gar nicht. Doch Ideen leben manchmal von der Überzeichnung, sonst werden sie nicht gehört.“ Der erste Tee, der vermarktet werden soll, ist jedoch eher zum Relaxen gedacht und heißt „Mal runterkommen“.

    Harmonie fand Pauli in der Politik „selten bis nie“, dafür aber in der Natur: „Hier in diesem wunderschönen Garten, dieser totalen Idylle, sieht man, wie Harmonie funktionieren kann“, schwärmte sie. Jahrelang habe sie „sehr tief in der Politik dringesteckt“, wie in einer Firma. Besonders die Querelen um die von ihr gegründete „Freie Union“, Intrigen und endlose Satzungsdiskussionen hätten sie zermürbt: „Lang hätte ich das nicht mehr durchgehalten“, bekannte Pauli.

    Ihre Enttäuschungen hat die Politikerin im Buch aufgearbeitet. Sie waren „Haltestellen, die uns Gelegenheit zum Umsteigen geben, und zwar genau dann, wenn es Zeit wird, das Leben neu zu spüren“, wie sie schreibt.

    Jetzt steigt Pauli aus der Politik aus und sieht sich als „einfache Bürgerin“, Rückkehr nicht ausgeschlossen: „Noch habe ich einen Fuß in der Politik, den will ich auch nicht da rausnehmen“, sagte sie. Zunächst möchte die vielseitig Interessierte „etwas ganz Anderes machen“: Ihre Biografie vorstellen, Bücher in ihrem eigenen Verlag „Politics and Power“ verlegen, ihre Kräutertees anbieten und Seminare mit dem Titel „Der Mut in mir“ abhalten. „Wenn wir nicht so viel Angst hätten, könnten wir viel mutiger und erfolgreicher sein“, sagte die 56-Jährige in Sulzbach. „Erst wenn ich weiß, wo ich hinwill, schmilzt die Angst und ich verrenke mich nicht mehr.“

    Das Buch: Dr. Gabriele Pauli: „Die Rote Rebellin – Fortschritt braucht Provokation“, verfasst mit dem Journalisten Manfred Otzelberger, Gütersloher Verlagshaus, 255 Seiten, 19,90 Euro.

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