Zeitgenössische Gebäude, Gewächshäuser, frei liegende Anbauflächen und kleine Gärtnerhäuschen mit bunten, großen Toren: Bambergs „Gärtnerstadt“ bricht mit dem üblichen Stadtbild und genau das macht es zu etwas Besonderem. Der rechts der Regnitz gelegene Stadtteil ist geprägt vom Wechsel zwischen regulärer Bebauung und großen Freiflächen und besitzt damit ein städtebauliches Alleinstellungsmerkmal. Die Gärtnerstadt ist neben der Insel- und der Bergstadt einer der drei unterschiedlichen mittelalterlichen Stadtteile, wegen derer Bambergs Altstadt seit 1993 zum Unesco-Welterbe der Menschheit gehört.
Weil in der Gärtnerstadt aber nicht nur die materiellen Bestände aus Mittelalter und früher Neuzeit erhalten sind, sondern auch zahlreiche kulturelle Traditionen und Bräuche, bewarb sich der Verein Gärtner- und Häckermuseum nun auch um die Aufnahme in das sogenannte immaterielle Unesco-Weltkulturerbe. Darunter fallen Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten, die Gemeinschaften als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen. In der Gärtnerstadt kommt es in allen Bereichen zum Ausdruck, die die Unesco in den Kriterien zur Aufnahme in das immaterielle Weltkulturerbe festhält.
Die Sache mit dem „Beggfreedla“
Die Sprache kann in Form von Redensarten immaterielles Kulturerbe tragen. Die Gärtner Bambergs reden häufig von „Beggfreedla“ und „Schdadsinäri“. Gemäß der damit verbundenen Plackerei kommt der Name der kleinen Harke von „beggen“ (hacken) und „freedla“ (Schinderei). Auch in vielen Sortennamen sind noch uralte Ausdrücke überliefert, wie beispielsweise die „Schdadsinäri“, Schwarzwurzel. Die Bamberger Gärtner lehnten ihre Bezeichnung an das italienische Wort für die Wurzel an: „scorzonera“. In Bamberg tauchte der Begriff erstmals 1804 auf. In den Jahrzehnten vorher waren viele italienische Kaufleute in die Stadt gekommen, die das Gewächs offenbar mitbrachten. Auch in den darstellenden Künsten fand die Bamberger „Gärtnerei“ ihren Niederschlag: Hans Trautmann verfasste Mundart-Gedichte über Bamberger Gärtner, zahlreiche Gemälde zeigen sie in Trachten und Arbeitssituationen und in den Reliefs des Wunderburg-Brunnens sowie einem Denkmal am Grünen Markt wurden sie sogar in Stein gemeißelt.
Gesellschaftliche Bräuche gehören ebenfalls zum immateriellen Weltkulturerbe. Die Bamberger Gärtner pflegen besonders religiöse Riten und nehmen an zahlreichen Prozessionen teil. Die fünfte Jahreszeit und damit Höhepunkt für die Gärtner ist Fronleichnam: fast mannshohe Statuen der fünf Schutzheiligen der Gärtner, ihrer Vereine und Bruderschaften begleiten den Festzug. Und weil dieses Fest sich als zentrales Gärtnerfest etabliert hat, führt am darauffolgenden Sonntag die kleine Fronleichnams-Prozession durch die Gärtnerstadt. Auch landwirtschaftliches Wissen und traditionelle Handwerkstechniken sind in Bambergs Gärtnerei überliefert. Die Gärtner optimierten sehr früh die Fruchtfolge. Mit ihrem ausgeklügelten Anbausystem konnten sie bis zu sechs mal im Jahr ernten. Die „Beggfreedla“ verwenden die Gärtner schon seit Jahrhunderten. Auch besondere Pflanzen wurden in der Bamberger Gärtnerei etabliert, deshalb führen verschiedene Gärtnereien hauseigene Wirsing- oder Rettichsorten.
Immaterielles Kulturerbe muss von den Menschen auch in der Gegenwart aktiv ausgeübt und an folgende Generationen weitergeben werden. In Bamberg stellen sich die zwei traditionellen Gärtner-Bruderschaften und die beiden Gärtnervereine dieser Aufgabe. Mittlerweile werden sie von verschiedenen anderen Seiten unterstützt. Als Schnittstelle der verschiedenen Aktivitäten dient das Gärtner- und Häckermuseum. Die Gartentradition hat die Gärtner Bambergs über die Jahrhunderte zusammengeschweißt. Bis in die 1970er Jahre hinein sollten sie nur untereinander heiraten, die Stadtgesellschaft teilten sie in Gärtner und Private. „Wir sind Gärtner“ hieß es immer dann, wenn sie auf ihre Fachkompetenz hinweisen oder sich vom Rest der Bevölkerung abgrenzen wollten. Mit dieser enormen Identifikation mit einer bestimmten Gruppe erfüllt die Bamberger Gärtnerei noch ein weiteres wichtige Kriterium der Unesco. Die Bundesrepublik ist dieses Jahr dem Unesco-Übereinkommen zum immateriellen Kulturerbe beigetreten und hat sich dazu verpflichtet, ein bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Deutschland zu erstellen, in welches die Gärtnerstadt aufgenommen werden will.
Die Bewerbung ging an das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Aus den insgesamt rund 20 in Bayern eingegangenen Bewerbern werden zwei für die deutsche Liste ausgewählt. Dr. Hubertus Habel, Kurator des Gärtner- und Häckermuseums Bamberg, ist zuversichtlich: „Die Bamberger Gärtnerei ist sehr komplex, ihre Tradition und Kultur umfasst viele Bereiche. Sie ist außerdem aus einem sehr langen historischen Hintergrund gewachsen. Da rechne ich mir gute Chancen aus. Dass die Gärtnerstadt als Teil der Bamberger Altstadt bereits unter dem Unesco-Weltkulturerbe steht, ist noch ein Sahnehäubchen.“
Dreistufige Bewerbung
Neben den Vorschlägen der 16 Bundesländer wird es zwei länderübergreifende Projekte geben, sodass die deutsche Liste insgesamt 34 Einträge erhalten wird. Darüber hinaus kann die Bundesrepublik im Rahmen des ersten Aufnahmezyklus bei der Unesco zwei Vorschläge für das internationale Verzeichnis einreichen, die das unabhängige Expertenkomitee der Deutschen Unesco-Kommission auswählen wird. Vielleicht steht die Bamberger Gärtnerei dann gleichauf mit dem spanischen Flamenco, dem japanischen Puppentheater und dem iranischen Teppichknüpfen auf der Liste der schützenswerten Traditionen. Die Entscheidung über die Aufnahme in das deutsche Verzeichnis fällt voraussichtlich bis 15. April 2014. Und weil so viele hochwertige Anträge beim Kultusministerium eingegangen sind, hat Minister Ludwig Spaenle beschlossen, eine bayerische Liste zu erstellen.