Vor über 100 Jahren wurde der Schönleinsplatz als schönster und repräsentativster Platz Bambergs geplant und gestaltet. Und heute offenbart er nach Auffassung der Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V. "ein Desaster": Hässliche Schaltkästen, trockengelegter Brunnen, uneinheitliche Sitzmöblierung und mehr hat aus dem einstigen Wohnzimmer der Stadt eine schmuddelige Abstellkammer gemacht. "Alles ist nur hingeklatscht, das muss doch jemand genehmigt haben", zeigte sich Vereinsvorsitzender Martin Lorber verhalten empört.
Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Schutzgemeinschaft Alt Bamberg hatte er am "Tag des offenen Denkmals" Quartier bezogen am Schönleinsplatz, um mit einer besonderen Aktion auf die Misere dort und anderswo im öffentlichen Raum Bambergs aufmerksam zu machen.
Gelbe Luftballons markieren kritikwürdige Stellen
Martin Lorber legte dabei Wert auf die Feststellung, dass diese Aktion überparteilich war und auch entsprechend zielführend sein sollte. Zumindest war es der Schutzgemeinschaft gelungen, die derzeit bundeswahlkämpfenden großen Parteien, die am Schönleinsplatz überdimensional plakatiert haben, für die Kampagne zu gewinnen: CSU, FDP, Grüne und SPD ließen ihre Plakatwände mit Infomaterial der Schutzgemeinschaft zupflastern. Auch VOLT stellte sich hinter die Aktion. Doch "deren Plakat haben wir nicht mehr gebraucht", erklärte Lorber.
Gelbe Luftballons markierten die kritikwürdigen Stellen am Schönleinsplatz. Gedanklich ließ sich von ihnen aus ein roter Faden knüpfen. Ein solcher Faden wäre nach dem Willen der Schutzgemeinschaft ein Masterplan für den öffentlichen Raum und ein darauf aufbauendes Handbuch: in Phase eins erstellt von externen Spezialisten und in Phase zwei mit Bürgerbeteiligung. Denn laut Martin Lorber fehlt bisher in Bamberg "ein Grundkonzept für die Gestaltung, ein Mindestmaß an Qualität bei allen Elementen und eine verpflichtende Instandhaltung".
Stadtteilbezogenes Leitkonzept nötig
Dabei sei es wichtig, die Heterogenität Bambergs herauszuarbeiten und zu betrachten, denn der Straßenraum in der mittelalterlichen Altstadt unterscheide sich beispielsweise von einem in der östlichen Stadterweiterung. So müsse ein stadtteilbezogenes Leitkonzept entwickelt werden, das qualitative Standards festlege, Umsetzungen erleichtere und den Erhalt langfristig garantiere, fordert die Schutzgemeinschaft.
Der klimagerechte Umbau von Straßen und Plätzen etwa durch Flächenentsiegelung und Verwendung von versickerungsfähigen Oberflächenmaterialien könne bei der Verwirklichung dieses Masterplans ebenfalls vorangebracht werden, ist sich der Verein sicher.
Forderungen seien "nichts Utopisches"
Martin Lorber verwies auf Städte wie Dresden, Offenbach, Pforzheim oder Pirna, in denen Fachleute unter Berücksichtigung der Bürgerwünsche eine solche Stadtplanung "hervorragend umgesetzt haben". Vereinsvorsitzender Lorber hatte natürlich nicht nur den Schönleinsplatz als "abgegriffene Visitenkarte" im Visier, sondern beispielsweise auch den Bahnhofsvorplatz, den "vollgestellten" Harmoniegarten, Lange Straße oder den Markusplatz: "Ein gesamtstädtischer Ansatz muss her, für den ein Mal Geld in die Hand genommen wird, um dann sparen zu können", so Lorber. Schließlich fordere die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg "nichts Utopisches", wie auch die Resonanz auf diesen Aktionstag rückschließen lässt.
Lorber und seine Mitstreiter kamen mit vielen interessierten Bambergern, Architekten, Anwohnern des Schönleinsplatzes ins Gespräch. Tenor dieses Austausches war: "Der Bedarf an einem Masterplan ist da und muss angepackt werden". Sichtbares Zeichen der Zustimmung waren etliche Aufkleber in Herzform, die Befürworter eines Masterplans sozusagen als roten Faden auf eine Fototafel der Schutzgemeinschaft pappten.
Trockengelegter Brunnen missfällt Anwohnern
Für den 43-jährigen Arnaud L., der mit seiner Familie in der einmündenden Friedrichstraße wohnt, gehört der Schönleinsplatz zum Alltag, wie er sagte. Gern hole er sich einen Kaffee im Café Rondo und nutze die grauen Stromkästen als Ablagefläche für den Becher. Viel lieber würde er jedoch für die Pause eine Bank am Brunnen nutzen, räumte Arnaud ein: "Doch der Brunnen läuft nicht!". Dafür würden ihm die "gut gepflegten Blumenbeete" gefallen und die Nähe zu den Spielgeräten für seine Kinder im Harmoniegarten.
Der Wahlbamberger wies auch auf das ein oder andere sanierte Haus am Platz. Diese liebevoll hergerichteten Denkmäler ließen den einstigen Charme erahnen. Was Arnaud am Schönleinsplatz regelrecht stört, ist allerdings nur der Aktualität geschuldet: "Die politischen Plakate finde ich nicht schön!", betonte Arnaud. Umso mehr freute es ihn, dass an diesem Sonntag wenigstens für einige Stunden die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg zumindest darüber Oberwasser bekam.
