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KREIS HASSBERGE: Selbsthilfegruppe: Keine Angst vorm Leben

KREIS HASSBERGE

Selbsthilfegruppe: Keine Angst vorm Leben

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    Die Leiterin der Gruppe: Carolin Hajek-Werner steht seit einem Jahr der Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ vor.
    Die Leiterin der Gruppe: Carolin Hajek-Werner steht seit einem Jahr der Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ vor. Foto: Foto: Michael Mösslein

    Menschen, die Depressionen haben und unter Ängsten leiden, werden in der Gesellschaft noch immer an den Rand gedrängt. Wer dem allgemeinen Leistungsdruck nicht standhält, gilt schnell als schwach und faul. Etliche Betroffene sehen im Suizid den letzten Ausweg. Die Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ möchte Menschen mit Depressionen und Angststörungen auffangen und sie aus ihrer Isolierung befreien – ihnen wieder Freude am Leben vermitteln.

    Laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention sterben in Deutschland etwa 10 000 Menschen pro Jahr durch Suizid – pro Stunde ein Toter. Nach Schätzungen von Experten unternehmen jeden Tag rund 40 junge Frauen und Männer zwischen 15 und 25 Jahren einen Suizidversuch, berichtet der Deutsche Caritasverband. Wie viele von ihnen depressiv sind, geht aus den Angaben anlässlich des jährlichen Welttags der Suizidprävention an diesem 10. September nicht hervor. Eine Statistik, die Aufschluss darüber geben könnte, gibt es nicht.

    Junge Gruppenleiterin

    Ebenso unseriös wäre es, darüber zu spekulieren, wie viele Menschen die Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ in den rund vier Jahren seit ihrer Gründung dazu bewogen hat, ihr Leben nicht zu beenden; einen Suizidfall innerhalb der Gruppe gab es noch nicht. „Den Gedanken an Suizid hatte aber schon jeder von uns“, sagt Carolin Hajek-Werner. Die 27-Jährige aus Oberhohenried ist eine selbstbewusste Frau. Dennoch kostet es ihr merklich Kraft, offen über die Depressionen zu reden, an der sie erkrankt ist. Seit einem Jahr leitet sie die Selbsthilfegruppe, zu deren dreiwöchentlichen Treffen durchschnittlich fünf oder sechs Teilnehmer aus dem gesamten Haßbergkreis ins St.-Bruno-Heim nach Haßfurt kommen. „Die Gruppe hat mir viel gegeben“, sagt Hajek-Werner. „Sie bietet mir Rückhalt.“

    Allein der Weg in die Gruppe, schildert die Gruppenleiterin, koste den Betroffenen sehr viel Kraft und Überwindung. Für Menschen mit Angststörungen noch mehr, als für Depressive, denn oftmals gehöre die Scheu vor Menschen mit zum Krankheitsbild einer Angststörung. Beim ersten Schritt zur Selbsthilfegruppe sind die Betroffenen auf sich allein gestellt; Zwang bringe hier nichts, meint Hajek-Werner. In der Gruppe fänden die Betroffenen dann jedoch das Verständnis für ihre Lebenssituation, das sie sonst allzu oft vermissen. In der Gruppe treffen sie auf Menschen, die keine Ärzte oder Therapeuten sind, und denen sie dennoch nicht umständlich erklären müssen, warum ihre Stimmung stets gedrückt ist und Alltäglichkeiten für sie oft eine kaum überwindbare Hürde darstellen.

    Zielgruppe sind Berufstätige

    Der Altersdurchschnitt in der Selbsthilfegruppe beträgt etwa 40 Jahre, berichtet Hajek-Werner. Zielgruppe seien Menschen, die noch im Berufsleben stehen. Dies solle ältere Menschen nicht diskriminieren, erläutert die Gruppenleiterin. Nur hätten Altersdepressive oft andere Probleme beim Meistern ihres Alltags als Berufstätige.

    Ein Hauptanliegen der Selbsthilfegruppe ist neben dem Austausch der Mitglieder das gemeinsame Ziel, den Umgang der Öffentlichkeit mit Menschen mit Depressionen zu verändern. „Es ist keine Schande, Depressionen zu haben“, stellt Hajek-Werner fest. Selbstverständlich, sollte man meinen. Doch offensichtlich nicht für jeden. „Im Alltag versuchen Menschen mit Depressionen und Ängsten eigentlich immer, ihre Krankheiten zu überspielen“, sagt die 27-jährige Gruppenleiterin. Vielen Menschen, so ihre Erfahrung, fehle das Verständnis für ihre Situation. Die Auswirkung ihrer Krankheit sei Depressiven schließlich nicht anzusehen. Was sie durchmachen, gehe über ein normales Stimmungstief weit hinaus. Die tiefe Traurigkeit und Energielosigkeit, unter denen Betroffene leiden, passten schlecht in die Vorstellungswelt, die sich Nichtbetroffene von einem Krankheitsbild machen.

    „Unsere Hoffnung ist, dass Depressionen und Angststörungen in unserer Gesellschaft irgendwann einmal wie jede andere Krankheit auch akzeptiert werden und wir Betroffenen uns nicht ständig rechtfertigen müssen. Zum Beispiel dafür, dass wir – wie Menschen mit anderen Krankheiten auch – mehr Fehltage im Job haben als Gesunde“, sagt Hajek-Werner.

    Innerhalb der Selbsthilfegruppe hören die Mitglieder voneinander, wie es trotz ihrer Handicaps möglich ist, das Leben im Griff zu halten. Der Gruppenzusammenhalt, das Umeinanderkümmern ist besonders dann wichtig, wenn Betroffene Rückschläge erleiden. „Bei Depressiven geht es nie nur bergauf“, sagt Hajek-Werner, „es geht immer wieder auch zurück.“ Gerade deshalb sei es wichtig zu lernen, auch mit kleinen Erfolgen zufrieden zu sein.

    Selbsthilfegruppen empfohlen

    Dieses stützende Korsett, das Selbsthilfegruppen Menschen mit Depressionen und Angststörungen bieten, ist ein wichtiger Grund dafür, dass stationäre Therapieeinrichtungen ihren entlassenen Patienten meistens empfehlen, nach Beendigung der Therapie einen Anschluss an eine wohnortnahe Selbsthilfegruppe zu suchen. Andernfalls drohen Rückfälle, die halbwegs stabilisierten Betroffenen erneut völlig aus der Bahn zu werfen.

    Die Treffen der Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ in Haßfurt seien thematisch offen, berichtet Hajek-Werner. „Meistens bringt ein Teilnehmer ein brennendes Thema mit.“ Darüber werde dann in der Gruppe gesprochen. Referenten zu bestimmten Themen würden dann zu den Treffen eingeladen, wenn die Teilnehmer dies wünschen. Auch Ausflüge stünden ab und zu auf dem Programm.

    Notizen zur Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“

    Über die Gruppe: Die Selbsthilfegruppe „Lebensmüde? Lebensmut!“ für Menschen mit Depressionen und Angststörungen (vor allem für Jüngere und Berufstätige) trifft sich alle drei Wochen, freitags von 19 bis 21 Uhr im St.-Bruno-Heim („Bruno-Treff“) in Haßfurt. Das nächste Treffen ist am 27. September. Die Termine der Treffen werden in der Presse bekannt gegeben und sind über die Kontaktadresse zur Gruppe abzufragen. Auch in Ebern gibt es eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen und Angststörungen (auch für Ältere). Beratungen erfolgen dort derzeit im individuellen Gespräch. Kontakt zur Gruppe: Haßfurter Gruppe: Carolin Hajek-Werner, Tel. (0 95 21) 9 58 25 43, E-Mail: lebensmuede-lebensmut@web.de; Eberner Gruppe: Frauke Esper, Tel. (0 95 31) 41 27 (ab 15 Uhr, Anrufbeantworter).

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