Das dürfte das spannendste Seminar werden, das es am Regiomontanus-Gymnasium seit der Neuordnung der Oberstufe gegeben hat. Der Kurs von Katrin Hiernickel gehört zum Erasmus-plus-Projekt mit dem Titel „Local traces of Jewish life in Europe“ (engl.: „örtliche Spuren jüdischen Lebens in Europa“) und findet zusammen mit Partnerklassen in Polen, Rumänien, Portugal und Griechenland statt. Sie forschen gemeinsam zum jüdischen Leben in Europa. In jedem dieser Länder findet ein mehrwöchiger Workshop statt, an dem jeweils fünf Schüler aus den beteiligten Schulen teilnehmen.
Die ersten, die in den Flieger stiegen, waren Jonas Glöckner, Alexandra Trawe, Marius Werner, Anna-Lena Hahn, Janik Scholz sowie die Lehrerinnen Alexandra Weber und Katrin Hiernickel. Neun Tage verbrachten sie im Februar in Rumänien.
Kultureller Austausch
„Erasmus“ ist ein Programm der Europäischen Union, das kulturellen Austausch und Begegnung fördert. „Ohne die Fördermittel wäre ein solches Projekt schon wegen der Reisekosten gar nicht möglich“, so Katrin Hiernickel. Es hat ein bisschen gedauert, bis sie und ihre Schüler sich in dieses Netzwerk zwischen fünf Schulen und fünf Ländern hineingedacht haben. Doch als es Anfang Februar losging, waren die Haßfurter gut vorbereitet, über die Internetplattform des Projekts hatten sich die Partner-Schüler bereits vorgestellt. „Ansonsten wollen wir uns überraschen lassen“, erklärte Alexandra Trawe in einem Gespräch vor der Reise. Ganz gut mit Land und Leuten vertraut ist ihre Lehrerin; Katrin Hiernickel besuchte Rumänien schon einige Male.
Nach der Reise sprachen die Schüler über ihre Erlebnisse. Viele Eindrücke haben sie mitgebracht. Schließlich steht neben dem Forschungsprojekt zum jüdischen Leben auch der kulturelle Austausch, die Jugendbegegnung im Fokus des Projekts. So erlebten die Oberstufenschüler in Sighetu Marmatiei eine zwar kleine, aber sehr lebendige jüdische Gemeinde. Sie erfuhren, dass es hier früher über 12 000 Juden gab; heute umfasst die Gemeinde noch 130 Menschen mit einem relativ hohen Altersdurchschnitt. Viele Spuren der jüdischen Geschichte entdeckten sie auf Friedhöfen und an Gedenkstätten, die an den Holocaust erinnern. Aber auch unter der kommunistischen Herrschaft ging die Verfolgung von Minderheiten weiter.
Intensiv befassten sich die Schülerinnen und Schüler mit Elie Wiesel. Der Nobelpreisträger wurde in der Region Maramures geboren, mit 15 wurde er nach Auschwitz deportiert. Er überlebte den Holocaust und wanderte aus – wie so viele. In seinem Geburtshaus wird sein Leben nachgezeichnet.
Neben diesen sehr nachdenklichen Aspekten des Rumänien-Besuchs gab es viele zwischenmenschliche Begegnungen. Die Gastschüler warteten voller Freude auf die Gäste – und überall, wo sie hinkamen, bogen sich die Tische. „Wir wurden ständig gefüttert“, erzählte Katrin Hiernickel. „Dabei ging es uns Lehrern noch gut: Wir konnten abends ins Hotel. Den Schülern wurde von den Gasteltern sogar nach dem Festmahl beim Bürgermeister noch mal ein Abendessen angeboten.“
Gastfreundschaft
„Die Gastfreundschaft in Rumänien ist wirklich Wahnsinn“, findet Anna-Lena Hahn. „Und der Kontrast zwischen Stadt und Land“, ergänzt Janik, sei stark aufgefallen. Auch die Schule, die „Regele Ferdinand-Highschool“, unterscheidet sich ganz wesentlich vom Schulzentrum in Haßfurt. „Jedes Klassenzimmer ist anders, so ein bisschen zusammengeschustert aus dem, was man hat, aber total gemütlich“, waren sich die fünf einig. Überall sind auch deutsche Spuren sichtbar, denn schon im 12. Jahrhundert kamen deutsche Siedler in diese abgelegene Bergwelt.
Sogar einen Vortrag an der Universität erlebten die Erasmus-Teilnehmer, die zum Abschluss des Workshops ihre Ergebnisse in Präsentationen vorlegten. Bei einem Zwischenstopp in Ungarns Hauptstadt Budapest war unter anderem das dortige ehemalige Ghetto ein Anlaufpunkt.
Die Mitschüler der ersten Gruppe sind jetzt umso gespannter auf ihre Projekt-Reisen. Der Abschluss-Workshop wird im nächsten Jahr in Haßfurt sein – schon jetzt gilt es, diesen Projektteil vorzubereiten. Katrin Hiernickels Schülern ist bewusst, dass das ein sehr aufwändiges Seminar wird – aber eben auch ein ganz besonderes, das ihnen ganz spezielle Erfahrungen vermitteln wird.