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"Sie müssen verstehen, dass das eine große Chance ist"

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"Sie müssen verstehen, dass das eine große Chance ist"

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    Oliver Strauß packt an seiner Praktikums-Stelle gerne zu und möchte nach
dem Ende der berufsvorbereitenden Maßnahme am liebsten in einem
Bauunternehmen arbeiten.
    Oliver Strauß packt an seiner Praktikums-Stelle gerne zu und möchte nach dem Ende der berufsvorbereitenden Maßnahme am liebsten in einem Bauunternehmen arbeiten. Foto: FOTO TORSTEN GEILING

    Lkr. Hassberge Wer sich auf dem Weg ins Berufsleben aus welchen Gründen auch immer verrennt, hat es in Zeiten eines verwaisten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes schwer, den Einstieg zu schaffen. Berufsvorbereitende Maßnahmen können ein Mittel zum Erfolg sein, wie es das Bildungs- und Schulungs-Institut in Haßfurt anbietet.

    Mit den Händen in den Hosentaschen herumstehen und große Reden schwingen, das ist nichts für Oliver Strauß. Der 16-jährige aus Augsfeld packt lieber an: Er wirft einen kurzen Blick auf den Auftragszettel des Installateurs und holt dann die benötigten Styroporplatten aus den hohen Lagerregalen des Baustoffhandels.

    Oliver steckt gerade in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) der Bundesagentur für Arbeit. "Das ist ein wichtiges Qualifizierungsinstrument, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu ermöglichen", sagt Sigrid Weber vom Bildungs- und Schulungs-Institut (BSI) in Haßfurt. Denn Oliver ist von der Hauptschule ohne Abschluss abgegangen.

    "Ich habe nicht gerne gelernt", sagt er knapp und verschwindet wieder im Lager. Trotzdem hat er einen Ausbildungsplatz bei einem Metzger gefunden, den er jedoch nach einem Jahr wieder aufgab. "Das war nicht das Richtige." Doch das möchte er nun mit Hilfe des BSI finden.

    Das Bildungs- und Schulungs-Institut mit Hauptsitz in Schweinfurt hat Niederlassungen in Unter- und Oberfranken und auch in den neuen Bundesländern in Suhl. Die Außenstelle in Haßfurt besteht seit 1999. Fast von Anfang an arbeitet dort die Diplom-Sozialpädagogin (FH) Sigrid Weber mit Jugendlichen wie Oliver. Insgesamt gibt es 91 Plätze, deren Teilnehmer von den Berufsberatern der Agentur ausgesucht und dann in die Industriestraße 16 geschickt werden.

    Derzeit absolvieren 91 junge Erwachsene die Maßnahme, die im Gegensatz zu früher nun individualisiert und durch eine neue Konzeption passgenau auf die einzelnen Jugendlichen zugeschnitten ist. Und das ist wichtiger denn je. "Insbesondere durch die steigenden Anforderungen in den Ausbildungsberufen und einer veränderten Lage auf dem (Lehrstellen-)Markt ist die Berufsausbildungsvorbereitung ein wesentliches Instrument für den erfolgreichen Start in den Beruf", betont Sigrid Weber.

    Eine BvB gliedert sich in verschiedene Qualifizierungsebenen und Inhalte, die je nach Lebenslauf und Stand der Teilnehmer innerhalb von neun bzw. zehn Monaten durchlaufen werden. "Im Vordergrund steht dabei immer die Beendigung der Arbeitslosigkeit und die Vermittlung eines Ausbildungsplatzes". Deshalb spielt ein zielgerichtetes Bewerbertraining auch eine große Rolle.

    Wer aber welchen Weg geht, legen die Bildungsbegleiter des BSI unter anderem in Einzelgesprächen mit den Jugendlichen fest. Neben Sigrid Weber sind das die Diplom-Sozialpädagogen (FH) Martin Hain und Martina Vogel sowie die Diplom-Pädagogin Carmen Grubert.

    "Wir sind weder Eltern noch Lehrer", meint Sigrid Weber, eher die große Schwester oder der große Bruder, der auch mal bei privaten Problemen ein offenes Ohr hat. "Ein gewisses Maß an Distanz muss aber da sein", damit das System funktioniert, das seine Stärken unter anderem in der Flexibilität hat.

    Denn eigentlich beginnt die BvB mit einer Eignungsanalyse, während der persönliche Stärken, Neigungen sowie die Leistungsfähigkeit ermittelt werden, um gemeinsam mit dem Teilnehmer den Berufswunsch realistisch einschätzen zu können. Entweder man entscheidet sich für eine andere Ausbildung oder man versucht beispielsweise den Hauptschulabschluss nachzuholen, wie es Oliver vor hat, der nun die BvB-Grundstufe besucht und sich durch den Förderunterricht fit für die Anschlussprüfung machen möchte. Im vergangenen Jahr haben zehn von zwölf Teilnehmern ihren Abschluss extern nachgeholt.

    In der Förderstufe feilen die Jugendlichen an ihren beruflichen Grundfertigkeiten. Dabei werden sie in den Werkstätten von sechs Ausbildern unterstützt. Darüber hinaus sind Praktika ein wichtiges Element. Das BSI hat zwischen Bamberg, Haßfurt und Schweinfurt einen großen Stamm an Betrieben, die Plätze zur Verfügung stellen. Bei der Firma Batzner Baustoffhandel aus Ebern, Niederlassung Haßfurt, absolviert gerade Oliver unter den Augen von Niederlassungsleiter Marco Niklaus ein Praktikum. "Jeder Jugendliche hat eine Chance verdient", beschreibt dieser die Philosophie des Unternehmens, das immer wieder Praktikumsplätze zur Verfügung stellt und auch schon Teilnehmerinnen zur Bürokauffrau oder Kauffrau im Einzelhandel ausgebildet hat.

    Dass dieses Modell funktioniert, zeigt die Bilanz, die vor der Sozialpädagogin auf dem Schreibtisch liegt (siehe auch nebenstehenden Bericht). Lediglich vier Prozent der Jugendlichen haben die BVB ohne einen direkten Einstieg ins Berufsleben abgeschlossen.

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    "Das Durchhaltevermögen ist bei uns ein Thema über alle Qualifizierungsebenen hinweg", sagt Sigrid Weber, "die Jugendlichen müssen verstehen, dass das eine große Chance ist", und dass man die Brocken nicht gleich hinschmeißt, weil man selbst oder der Chef mal einen schlechten Tag hat.

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