Jonathan Riegel ist gerade mal 19 Jahre alt. Doch was der junge Mann im letzten Vierteljahr erlebte, reicht, um vor Glück die ganze Welt zu umarmen. Dabei hatte er nicht im Lotto gewonnen, keine Olympiamedaille errungen und auch keine Goldader entdeckt. Alles was ihm widerfuhr, war das Ergebnis von einem gehörigen Stück Arbeit, Fleiß, gemischt mit viel Talent.
Da ist zunächst das Abitur am Regiomontanus-Gymnasium, das er mit einem Notendurchschnitt von 1,3 ablegte. Danach gönnte er sich gemeinsam mit Mitschülern eine Skandinavienreise, um anschließend mit den Würzburgern Domsingknaben, bei denen er seit fast zehn Jahren singt, eine Südafrikatournee anzutreten. Dann stand die Aufnahmeprüfung am renommierten Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen an. Von 496 Bewerben wurden 96 genommen. Jonathan Riegel sicherte sich mit 65 von 72 Punkten seinen Studienplatz.
Am Dienstag, am gleichen Tag, als er die Zusage bekam, reiste er nach Köln zum Weltjugendtag ab. Dort steht er am kommenden Sonntag mit 23 weiteren Sängerinnen und Sängern der Würzburger Dommusik unter Leitung von Domkapellmeister Martin Berger auf der großen Altarbühne, um vor mehr als 800 000 Teilnehmern den Abschlussgottesdienst mit Papst Benedikt XVI. zu gestalten.
Der talentierte Sänger aus Haßfurt sang bereits in Kindermusicals Hauptrollen, seine wahre Begeisterung gilt jedoch der klassischen liturgischen Kirchenmusik. Die "Missa mundi", eine extra für den Weltjugendtag komponierte Messe, ist für Jonathan Riegel das Non plus ultra seiner Karriere. Mit Rücksicht auf das internationale Publikum ist die Messe in Latein verfasst.
Jedes Lied greift die musikalische Tradition eines der fünf Kontinente auf. Das Kyrie ist klassisch europäisch gehalten. Beim Gloria klingt die südamerikanische Musik der Indios durch. Das Credo wird von einem Sitar-Spieler aus Indien untermalt. Afrikanische Trommeln bestimmen das Sanctus-Lied. Und beim Agnus Dei spielt der Klang des australischen Didgeridoo eine tragende Rolle.
Insgesamt elf Lieder hat der 24-köpfige Würzburger Domchor, der aus jungen Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren besteht, in zahlreichen Proben in den letzten Wochen einstudiert. Am heutigen Donnerstag und morgigen Freitag sollen in Köln vor Ort der Feinschliff und gleichzeitig eine Ablaufprobe erfolgen. Schließlich muss am Sonntag beim Abschlussgottesdienst um 10 Uhr, wenn 800 000 Menschen auf dem Marienfeld die Messe feiern und mehr als eine Milliarde Menschen vor dem Fernseher sitzen, alles klappen.
Für Jonathan Riegel wird es ein langer Tag. Schon früh um 5 Uhr heißt es aufstehen, denn der Chor wird bereits um 7 Uhr mit einem Morgenlied die vielen Teilnehmer, die auf dem Marienfeld übernachten, wecken. Besonders freut sich der junge Sänger aus Haßfurt auf das "Lobet den Herren": "Wir werden es gleich in den fünf Sprachen - Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Polnisch - singen" erzählt Jonathan Riegel, der momentan noch kein Lampenfieber verspürt. "Das wird sicherlich anders, wenn wir in der Nähe des Pontifex singen werden" ist sich Jonathan sicher, "denn auf dem Marienfeld hat jeder von uns ein eigenes Headset mit Mikrofon, da kann man sich keinen falschen Ton erlauben".
Gekleidet werden die jungen Sänger aus Würzburg mit weißen Schuhen, weißen Hosen und roten Hemden sein, wenn denn nicht die Fernsehregie wegen des Kontrastes nochmals alles umwirft, so Jonathan Riegel. Berührt ihn der Weltjugendtag? "Klar, wir hatten Italiener bei uns zu Hause. In Haßfurt, das waren schon mal Tage der Begegnung und auch ohne den Chor wäre ich gerne in Köln dabei gewesen", stellt er fest.
Zehn Jahre lang hat ihn sein Vater mindestens zweimal in der Woche nach Würzburg gefahren. Die Würzburger Domsingknaben waren eigentlich nur eine Alternative. Ursprünglich sollte Jonathan auf Anraten seines Klavierlehrers beim Windsbacher Knabenchor landen, hatte dort schon die Zusage. Beim zweitägigen Probewohnen brach er sich einen Arm und seine Mutter sah ihn dann lieber zu Hause. Mit zehn Jahren begann er im Vorchor der Domsängerknaben, schon nach einem Jahr wurde er in den A-Chor bzw. Konzertchor versetzt. Bis zum Stimmbruch hatte er als Knabe eine Altstimme, nach zweijähriger Stimmbruchpause singt er als junger Herr im Tenor.
Den Stimmbruch nutzte der Gymnasiast für einen Schüleraustausch. Von Juni bis Dezember 2001 war er im sonnigen Florida und verbesserte dort neben seinem Englisch auch sein Golfhandicap. Denn auch in dieser Sportart gehört Jonathan Riegel zu den Besten im Landkreis. Was ist nun seine wahre Leidenschaft: Singen oder Golfen? "Das kann man nicht vergleichen, beides hält sich bei mir die Waage", schließt er das Thema ab.
Übrigens, Geld wolle er mit seinen Talenten nie verdienen, wehrt er bescheiden ab: "So gut bin ich nun weder beim Golfen noch beim Singen, um dort erstklassig zu sein." Da verlässt er sich für seine Zukunft mehr auf sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen. Seinen Hobbys kann er dort auch frönen. Golfplatz und Domchor sind vorhanden. Doch zunächst heißt es für den Papst und für die Jugend der Welt zu singen. Dieses Glück hat sein Bruder Johannes (15), der ebenfalls bei den Domsängerknaben singt, nicht. Er ist derzeit im Stimmbruch.