Käme Jesus Christus im Jahre 2013 zu Welt, so würde er wohl in eine syrische Flüchtlingsfamilie hineingeboren. Maria und Josef würden sich nicht auf Geheiß des Kaisers August und seines syrischen Statthalters Quirinius zur Volkszählung aufmachen von Nazareth nach Bethlehem, wie es im Lukasevangelium steht. Sie befänden sich vielmehr unter den Männern, Frauen und Kindern, die dem Morden und dem Elend des syrischen Bürgerkriegs entkommen wollen und deren Zahl die Hilfsorganisation UNHCR auf mittlerweile über eine Million schätzt.
Maria und Josef aber bräuchten auch im Hier und Heute eine Bleibe, und leider ließe die ganze Welt sie spüren, dass sie noch viel weniger willkommen sind als 2000 Jahre zuvor. Gerade einmal 5000 syrische Flüchtlinge will die Bundesrepublik Deutschland aufnehmen und hat ungeachtet aller Not noch nicht einmal ein Drittel seiner Zusage erfüllt – so berichtete es das Fernsehmagazin Monitor dieser Tage. Und so, als wolle man Hohn und Spott über die Elenden ausschütten, müssen diese die unglaublichsten bürokratischen Hürden nehmen, um Aussicht auf eine Herberge zu bekommen: Monitor zufolge muss jede Flüchtlingsfamilie persönlich und per Telefon einen Antrag beim UNHCR stellen. Man kann sich vorstellen, wie leicht das Vätern und Müttern fällt, die meist ohne Habseligkeiten und knapp dem Tode entronnen mit den Ihren ein trauriges Dasein in einem der zahlreichen Flüchtlingscamps fristen.
Vielleicht, weil Josef und Maria und all die anderen Syrer unter dem Generalverdacht stehen, Al-Kaida-Terroristen zu sein, und wenn nicht bei uns Bomben legen zu wollen, so doch in der Absicht zu kommen, schamlos unser Sozialsystem auszunützen, prüfen die verschiedensten internationalen und nationalen Institutionen in mehr als einer Handvoll weiterer Verfahren, ob die Not denn tatsächlich so groß ist, dass man für die Betroffenen einen Platz im eigenen Stall suchen sollte. Monitor rechnet mit Verfahrensdauern von bis zu zwei Jahren: Der Tod muss ein Bürokrat sein – und in Deutschland hat er wohl seine Lehre absolviert.
Es ist eine Schande für ein reiches Land wie die BRD, dass es sich gegenüber den Flüchtlingen hartherziger verhält als der hartherzigste Wirt in den so beliebten Krippenspielen zur Herbergssuche. Es ist eine doppelte Schande für ein Land, das sich auf christliche Werte beruft, aber Barmherzigkeit und Nächstenliebe so mit den Füßen tritt. Es scheint leicht, Versprechungen zu machen. Und noch leichter, Ausreden zu finden, wenn dann wirklich jemand an der Tür klopft.
Die schöne Adventszeit, eigentlich hat sie doch gerade begonnen. Die ersten Schneeflocken kurz vor dem Wochenende, leuchtende Sterne über den Einkaufsstraßen, Weihnachtsmärkte allerorten, Adventskonzerte in unseren Kirchen. Trotz Kommerzes und Weihnachtsrummel: Man könnte fast ein wenig besinnlich werden. Doch welchen Sinn haben all die schönen Weihnachtskrippen, von denen ja gerade viele Maria und Josef auf der Suche nach einem Quartier zeigen, wenn sie nichts bewirken? Wenn wir denen, die Schutz brauchen, keinen Schutz gewähren.
Man fragt sich, ob im Bundestag nicht auch eine Weihnachtskrippe aufgebaut ist, an der die Herren und Damen Abgeordneten und Minister vorbeilaufen, wenn sie Politik machen, und ob dort bloß Ochs und Esel im Stall stehen. Und man fragt sich, ob unser abweisendes Verhalten nicht nur eine Schande, sondern auch eine Sünde ist – unsere Pfarrer werden am Sonntag in der Messe vielleicht die Antwort geben. Martin Sage