Der 32-Jährige, der in der Nacht zum 16. März in Fürnbach in seinem Elternhaus seine neun Jahre jüngere Lebensgefährtin getötet hat (wir berichteten), war zum Tatzeitpunkt schuldunfähig. Nicht nur in dieser Einschätzung stimmten am Donnerstag am Landgericht Bamberg alle Prozessbeteiligten überein, sondern auch darin, dass der Täter in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden muss.
„So eine Einigkeit haben wir hier sehr selten“, bemerkte Manfred Schmidt, Vorsitzender Richter der Großen Strafkammer, der in seinem Urteil die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie als „alternativlos“ darstellte und zudem auf unbestimmte Zeit anordnete. Weil, wie er sagte, nur die Ärzte und nicht die Gerichte abschätzen könnten, ob und wann von dem studierten Musiklehrer keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr ausgeht. Das Urteil wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig.
Nichts führte dem Gericht deutlicher vor Augen, welches Gefahrenpotenzial in dem an und und für sich zurückhaltenden und friedfertigen Mann schlummert, falls er sich nicht therapieren lässt, als der Weg in die Bluttat in diesem Frühjahr: Spätestens seit 2010 leidet der 32-Jährige unter schizophrenen Psychosen und depressiven Einbrüchen, zur deren Behandlung er seither Antipsychotika einnehmen muss. Das sind Medikamente zur Dämpfung der mit Schizophrenie einhergehenden Leiden wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Schon einmal, 2014, hatte er die Erfahrung gemacht, dass ihn das Weglassen der Arzneien in eine schwere Psychose führte. Nichtsdestotrotz setzte er etwa zwei Wochen vor dem 16. März dieses Jahres eigenmächtig und ohne seine behandelnden Psychologen und Psychiater zu informieren, die Medikamente wiederum ab, wegen der von ihm erkannten Nebenwirkungen wie Schwindelgefühl und Antriebslosigkeit. Nach zwei oder drei Tagen Wohlbefindens gewann dann mehr und mehr der Wahnzustand die Oberhand über ihn. Dieser spitzte sich schließlich in der Nacht auf den 16. März dramatisch und tödlich zu. Im elterlichen Haus hatten sich der Beschuldigte und seine Freundin auf einer Schlafcouch im Wohnzimmer gerade für die Nachtruhe vorbereitet, die 23-Jährige hörte wohl noch mit Kopfhörern Musik oder spielte auf ihrem Handy.
Da sah der Mann plötzlich bedrohliche Lichter um seine Freundin, deren wohl in seine Richtung deutende Hand sich in Krallen verwandelte. Stimmen in seinem Kopf, darunter die seines Vaters, erklärten ihm, die junge Frau sei ein Dämon und wolle ihn töten, dem müsse er zuvorkommen. Der 32-jährige griff daher sein Opfer an, würgte es, trat ihm gegen den Hals, und als die Freundin schon leblos auf dem Boden lag, holte er ein Küchenmesser und rammte es ihr so massiv in den Brustkorb, dass es am Rücken wieder austrat.
Beide Verletzungen, sowohl die am Hals als auch die Stichwunde, seien für sich genommen tödlich gewesen, erklärte Gerichtsmediziner Prof. Dr. Peter Betz (Erlangen); vermutlich sei das Opfer schon gehirntot gewesen, als der Messerangriff erfolgte. Über den Beschuldigten sagte Betz aus, dieser habe zum Tatzeitpunkt nicht unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden und neben der Psychose unter keiner weiteren Erkrankung bzw. Beeinträchtigung gelitten. Die Blutwerte des 32-jährigen bestätigten dessen Aussage, dass er mehrere Tage vor der Tat keine Psychopharmaka mehr eingenommen habe, so der Gutachter.
Gerichtsmedizin und Kriminalpolizei betonten im Zeugenstand, dass es keinen Kampf gegeben habe – die junge Frau hatte keinerlei Abwehrverletzungen und die Wohnung war in ungestörtem Zustand. Für das Opfer muss der Angriff ebenso überraschend wie überwältigend gekommen sein.
Es war eine Tat im Zustand „akuter Schizophrenie in paranoider Ausprägung“, stellte der psychiatrische Gutachter Prof. Dr. Hans-Peter Volz (Werneck) fest. Der Täter habe in seinem Opfer nicht mehr die geliebte Freundin gesehen, sondern nur noch den Teufel, der ihn vernichten wolle; die Einsichtsfähigkeit in seine Tat sei aufgehoben und das Unrecht seiner Handlung für ihn nicht mehr erkennbar gewesen. Wie weit die wahnhaften Vorstellungen gingen, zeige sich daran, dass sich der Musiker nach dem Totschlag gegenüber Notärztin und Polizeibeamten mehrfach darüber erleichtert gezeigt habe, das Böse besiegt zu haben. Er sei verwundert gewesen über das Entsetzen des hinzugeeilten Vaters, dessen Stimme ihn doch aufgefordert habe, zum Messer zu greifen.
Richter Manfred Schmidt sah die von den Psychiatern bescheinigte Schuldunfähigkeit auch dadurch erhärtet, dass kein rational erfassbares Motiv für die Tat erkennbar sei. Das Paar, das sich über die Musik kennengelernt hatte – sie war ursprünglich seine Musikschülerin – hatte sich geliebt; auch wenn beide unter psychischen Problemen gelitten hätten, so sei die knapp drei Jahre dauernde Beziehung doch harmonisch gewesen. Neid, Eifersucht oder dergleichen hätten keine Rolle gespielt. Psychiater Volz machte deutlich, dass es dem Täter im Zustand des Wahns nicht mehr um seine Freundin oder einen konkreten Menschen gegangen sei. „Es hätte jeden treffen können – aber es traf eben diejenige, die ihm in dieser Situation am nächsten war.“
Nicht nur deshalb befürchtete Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann, ohne Unterbringung in der Psychiatrie seien vom Beschuldigten auch in Zukunft schwere Straftaten zu erwarten.
Vor Jahren nämlich hatte es schon einmal einen kritischen Vorfall gegeben, als der vielfache Chor- und Orchesterleiter am Würzburger Bahnhof mit den Worten, er sei der Sohn Gottes, einen Schaffner angegriffen hatte, weil Stimmen ihm befohlen hätten, der Zug müsse sofort abfahren. Damals wurde das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Vor zwei Jahren hatte der psychisch Kranke in einem Gespräch mit seiner Psychologin von seiner Vorstellung gesprochen, seine Freundin und sich mit einem Messer zu töten.
Aufgrund dieser langen, schweren und von Rückschlägen geprägten Krankheitsgeschichte wollte und konnte im Gericht niemand eine Prognose abgeben, in welchem Zeitrahmen und ob der 32-Jährige überhaupt therapierbar ist. Einer fehlenden Einsicht, dauerhaft Medikamente nehmen zu müssen, könnte durch so genannte Depotpräparate begegnet werden, so der Blick nach vorne. Depotarzneimittel setzen ihre Wirkstoffe nach einmaliger (und eventuell kontrollierter) Einnahme über längere Zeiträume frei.
Dem Wunsch von Verteidiger Thomas Gärtner (Bamberg), eine ambulante Therapie in Aussicht zu stellen, erteilte die Strafkammer eine klare Absage. Auf die Ankündigung des Musikers, dem überdurchschnittliche Intelligenz bescheinigt wird, seinem Leben eine neue Richtung geben und ein Fernstudium der Psychologie aufnehmen zu, reagierte eine Anwältin der Nebenklage allergisch: „Dann lernt er ja noch besser, die Ärzte zu täuschen“, spielte die Juristin darauf an, dass seine Betreuer im März das Absetzen der Antipsychotika nicht erkannt hatten.