Ein ländlicher Raum, umzingelt von drei größeren Städten – so lässt sich der Kreis Haßberge mit seiner Lage zwischen Schweinfurt, Bamberg und Coburg beschreiben. Als Wirtschaftsstandort hat die Region daher mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Um sich diesen zu stellen, hat der Landkreis im Dezember 2016 bei der Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung (GEFAK) aus Marburg ein Standortmarketingkonzept in Auftrag gegeben. Am Mittwoch stellte GEFAK-Mitarbeiter Josef Rother im Landratsamt in Haßfurt Ergebnisse vor.
Qualifizierte Leute wandern ab
„Qualifizierte Leute verlassen uns, zum Beispiel um zu studieren, und nur ein Teil von ihnen kommt zurück“, sagte Landrat Wilhelm Schneider zu Beginn der Regionalkonferenz zur Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Landkreis Haßberge. Das bezeichnete er als großes Problem. Dass die Arbeitslosenquote im Landkreis sehr niedrig ist, wirke auf den ersten Blick positiv, „aber Arbeitskräfte sind Mangelware“, nannte der Landrat ein Problem, dass sich dadurch für die heimischen Unternehmen ergibt.
Auch die Bekanntheit der Region könne noch gesteigert werden. So meinte Schneider, ein Haßbergler, der im Urlaub gefragt werde, wo er herkommt, antworte selten mit seinem Heimatort oder dem Landkreis Haßberge. „Meistens sagt man dann: Zwischen Bamberg, Schweinfurt und Coburg“, meinte er. Daran solle sich künftig etwas ändern, so dass Menschen in anderen Gegenden auch mit dem Namen Haßberge etwas anfangen können. Dann übergab der Landrat an Josef Rother von der GEFAK, der die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung im Landkreis vorstellte.
Schneider und Rother wiesen darauf hin, dass es sich hier nicht um eine anonyme Befragung handelte. Die Unternehmer, die auf die Anfrage geantwortet hatten, sind auch in der Auswertung der Umfrage klar benannt. Zusätzlich gab es eine Schülerbefragung, die auch die Wünsche der zukünftigen Arbeitskräfte im Landkreis verdeutlichen soll.
Von den Fragebögen, die die GEFAK an die Unternehmen versendet hatte, kamen 381 zurück – das entspricht 22 Prozent der Anfragen. Rother betonte, dies sei eine sehr gute Quote. Mit 9000 Mitarbeitern vertreten diese etwa jeden vierten Arbeitsplatz in der Region. Dabei war es den Forschern wichtig, dass sowohl große als auch kleine Unternehmen vertreten waren.
Regiomontanus könnte helfen
„Binnenmarketing geht vor Außenmarketing“, beschrieb Josef Rother einen Grundsatz des Standortmarketingkonzept. So wolle er bei den Unternehmen ansetzen, die schon im Landkreis sind und daran arbeiten, diese in der Region zu halten. „Man kann das auch zeitlich sehen“, meinte er: Je besser die Bedingungen vor Ort sind, desto leichter sei es später auch, neue Interessenten anzuziehen. Auch was die Einwohner angeht, sei es wichtiger, sich um die jungen Familien zu bemühen, die bereits im Landkreis leben, als sich um Neuansiedlungen zu kümmern.
In der Befragung sollten die Unternehmer angeben, wie sehr sie mit bestimmten Standortfaktoren im Kreis Haßberge zufrieden sind. Im Durchschnitt kam dabei für den Kreis ein recht hoher Zufriedenheitswert heraus. Besonders gelobt wurde von den Unternehmern die Verkehrsanbindung durch den Straßenverkehr, die geringen Lebenshaltungskosten, die Nähe zur Natur und die Kinderbetreuungsangebote. Sehr schlecht bewerteten sie dagegen, dass es kaum eine Möglichkeit gebe, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Auch Arbeitskräfte seien kaum verfügbar, es fehle an Nähe zu Forschungseinrichtungen sowie an Hotels und Tagungseinrichtungen. Ein weiteres Problem sei außerdem die Versorgung mit schnellem Internet, die an vielen Stellen des Landkreises noch zu wünschen übrig lasse.
Ein Punkt, den Josef Rother ansprach, war die unterdurchschnittliche Frauenerwerbsquote im Kreis Haßberge. Um hier etwas zu ändern, müsse es mehr Möglichkeiten zur Arbeit in Teilzeit oder im Home Office geben. Rother warnte allerdings davor, Home Office als „Allheilmittel“ zu sehen, denn oft führten solche Tätigkeiten zu sozialer Isolation und einer mangelnden Abgrenzung zwischen Beruf und Privatsphäre.
„Außerdem fehlen dann oft repräsentative Räume für Gespräche mit Kunden.“
Pendlerstation als Ansatzpunkt
Als mögliche Lösung dieser Probleme brachte er die Einrichtung einer Pendlerstation ins Gespräch. In einer solchen gäbe es Schreibtische, die Mitarbeiter verschiedener Unternehmen nutzen können. Auch Konferenzräume, die für alle nutzbar sind, könnte es dort geben. Möglicherweise könnten so Unternehmen aus Schweinfurt oder Bamberg Pendler, die im Kreis Haßberge wohnen, an einigen Tagen von dort aus arbeiten lassen. Auch für Selbstständige könne es ähnliche gemeinsam genutzte Büroräume geben.
Weiter gab Rother an, eine Steigerung der Bekanntheit der Region und eine Förderung des Tourismus seien aus Sicht vieler Unternehmer wichtig. Er warf die Idee in den Raum, mit dem aus Königsberg stammenden mittelalterlichen Mathematiker Regiomontanus eine Berühmtheit aus der Gegend zu nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. So brachte er einen „Freizeit- und Wissenspark Königsberg“ ins Gespräch und zog Vergleiche zum Mathematikum in Gießen oder dem Science Center „Phaeno“ in Wolfsburg. Zur Zusammenarbeit heimischer Unternehmen mit Bildungseinrichtungen meinte Rother, der Kreis sei auf einem guten Weg: mehr als die Hälfte hätten entsprechenden Kontakt zu Schulen.
„Was Studierende angeht, ist aber noch Luft nach oben, viele Unternehmen wünschen sich mehr Kontakt zu Hochschulen.“
Der Ruf des Handwerks
In der anschließenden Diskussion meldete sich unter anderem Haßfurts Bürgermeister Günther Werner zu Wort. Er zeigte sich skeptisch, ob ein solcher Hochschulkontakt dauerhaft zustandekommen könnte. Seine Erfahrung, beispielsweise mit der Power-to-Gas-Anlage in Haßfurt, sei, dass die Universitäten zwar gerne kommen, um neue Technologien zu erforschen und deren Einrichtung zu begleiten. „Aber danach sind sie wieder weg“, meinte Werner.
Als sich einige Vertreter von Handwerksbetrieben zu Wort meldeten, wurde deutlich, dass ihnen vor allem der Mangel an Arbeitskräften zu schaffen macht. Michael Gerhart, Geschäftsführer beim Haßfurter Tagblatt, regte in diesem Zusammenhang an, der Ruf des Handwerks müsse wieder aufgewertet werden. Er sehe es als Problem, dass aus Sicht vieler Menschen eine Berufsausbildung weniger Wert sei als ein Studium.