Der weiße Federflaum ist noch im grünen Gras zu sehen. Doch dort, wo vor eineinhalb Wochen auf dem Truschenhof bei Untermerzbach noch 200 Enten und Gänse gewatschelt sind, herrscht nun gespenstische Leere. Allerdings ist deutlich, wenn auch etwas gedämpft, ein vielstimmiges Quaken zu hören. Es dringt durch eine grüne Folie, die wie ein Vorhang vor die komplette Längsseite des Geflügelstalles gezogen ist.
Im Gefängnis
Bei genauem Hinsehen erkennt man Dutzende Gänse, die sich aus ihrem Gefängnis heraus lautstark zu beschweren scheinen. "Die wollen raus und flattern", sagt Hans Büchner, dem der Bauernhof gehört. Büchner ist ein kräftiger bodenständiger Mann, der seit 1958 Legehennen im Stall stehen hat und seit den 80ern Enten und Gänse züchtet. Die "armen Viecher" muss er in all den Jahren zum ersten Mal wegsperren und er macht keinen Hehl daraus, dass er die Vorgaben aus der Politik für "aufgebauscht" hält.
Zum Schutz gegen die Vogelgrippe müssen nämlich nach einer Eil-Verordnung der Bundes- und Landesbehörden alle Vogelhalter ihre Tiere in Ställen unterbringen, die von oben wasserdicht und an den Wänden zumindest so engmaschig sein müssen, dass keine kleinen Vögel sich in die Behausung des Federviehs verirren können. Als Gefahr für ein Einschleppen der Vogelgrippe haben die Behörden nämlich die Zugvögel ausgemacht, die derzeit auf dem Weg in ihr Winterquartier Deutschland queren.
Für Geflügelzüchter wie Hans Büchner kommt dies mehr als ungelegen, da derzeit Hochsaison herrscht und die Ställe nun bis auf den letzten Platz voll gepfercht werden müssen. "Darunter kann natürlich auch die Qualität leiden", macht er sich Sorgen, doch seine Tiere einfach wegschlachten will und kann er auch nicht: "Die meisten davon sind noch nicht fertig gemästet." Und so müssen sie sich im Stall hinter dem grünen Vorhang zusammenkuscheln.
"Die Enten und Gänse wollen raus und flattern"
Hans Büchner Geflügelzüchter
"Im Großen und Ganzen halten sich die rund 500 Geflügelhalter im Landkreis daran", und bringen die etwa 22 000 Hühner, 500 Gänse, 2000 Enten und mehrere 100 Puten "in Sicherheit", sagt Susanne Greiner-Fischer, Veterinärrätin im Landratsamt Haßberge. "Auch Strauße und Emus haben wir im Landkreis", lacht die Tierärztin, was man bisher am Veterinäramt aber nicht wusste, obwohl eigentlich eine Anzeigepflicht für Geflügelhalter besteht. "Ein anonymer Hinweis hat uns darauf gebracht", sagt Susanne Greiner-Fischer.
"Alle können wir nicht kontrollieren, sonst müssten wir ja 20 zusätzliche Leute einstellen", sagt Roland Hesselbach. Der Veterinär-Assistent am Landratsamt steht gerade neben Hans Büchner und sieht aus, als hätte es einen kriminalistischen Zwischenfall am Truschenhof gegeben. Er trägt Einmal-Handschuhe und einen weißen Schutzanzug, der am Bauch blutrot befleckt ist. Auch auf der Schürze und den weißen Gummistiefeln von Hans Büchner zeichnen sich solche Spritzer ab. "Wir haben Schlachttag", sagt der Landwirt, an dessen rosigen Wangen weiße Federn kleben.
Dann nimmt er aus einem Anhänger eine Gans, betäubt sie und lässt sie mit einem feinen Schnitt am Hals ausbluten. Das ist der Moment, auf den der Veterinär-Assistent gewartet hat, um eine Blutprobe zu ziehen. "Die Proben werden eingeschickt und dann auf Vogelgrippe getestet", sagt Roland Hesselbach, während er das kleine Röhrchen verschraubt. Rund 30 solcher Blut- und Tupferproben, die an der Kloake abgestrichen werden, hat er in den letzten Tagen genommen. Dutzende weitere hat er noch vor sich. Hans Büchner findet gut, dass die Tiere getestet werden. "Schließlich möchte auch ich wissen, dass meine Viecher gesund sind."
Denn das Risiko einer vorerst unbemerkten Erkrankung besteht: "Wir hatten die Vogelgrippe ja schon in Deutschland", erinnert Susanne Greiner-Fischer, vor zwei Jahren war das, als in den Niederlanden die Vogelpest ausbrach, die dem neuen Virus sehr ähnlich ist. "Damals haben wir gesehen, dass so etwas schneller gehen kann, als man denkt." Deshalb hält sich die Veterinärrätin auch mit Risikoabschätzungen zurück. "So ein Virus ist einfach unberechenbar".
Einschläge kommen näher
Die Einschläge kommen schließlich immer näher: Waren die 500 Gänse, die vor kurzem in China an dem Virus verendet sind, noch weit entfernt, so melden die Medien inzwischen Todesfälle aus Großbritannien, Rumänien oder Kroatien. Doch selbst wenn die Vogelgrippe in Deutschland und im Landkreis Haßberge wüten sollte, mag das zwar eine Gefahr für die Vögel dort sein, aber noch lange nicht für die Menschen. "Das ist dann in erster Linie ein veterinärmedizinisches Problem", meint Dr. Jürgen Reimann, der Leiter des Gesundheitsamtes im Landkreis Haßberge, "und das bleibt hoffentlich auch so."
Weitere Informationen gibt es im Landratsamt unter Tel. (0 95 21) 27 175.