Dass die Verfasserin dieses Artikels vor einem Pressegespräch zum Duschen geschickt wird, ist ihr in fast 30 Berufsjahren zum ersten Mal passiert. „Hier beginnt der Verbraucherschutz, ohne dass es der Verbraucher merkt“, erklärt ihr Landwirtschaftsmeister Klaus Schneider. Auf seinem Hof in Bischofsheim hat der BBV zum „Stallgespräch“ eingeladen. Und wer in den Schweinestall hinein will, muss duschen und „hauseigene“ Kleidung tragen. Die Hygiene-Schleuse schützt die Tiere vor Keimen und Krankheitserregern – und damit vor Medikamenteneinsatz. Das Stallgebäude ist ein geschlossener Kreislauf, auch Waschmaschine und Trockner stehen hier, die Kleidung kommt nicht nach draußen.
„Wir möchten mit diesen Stallgesprächen die Realität auf den Bauernhöfen zeigen und unsere Mitgliedern vor haltlosen Unterstellungen schützen“, erklären BBV-Kreisobmann Klaus Merkel und der Geschäftsführer des BBV, Klaus Pieroth. Der immer wieder kolportierte Vorwurf, Schweinezüchter würden zu viele Antibiotika einsetzen oder mit Hormonen die Mast beschleunigen, sei jedenfalls in Deutschland und der EU weder belegbar noch sinnvoll.
Teure Medikamente
Allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei es für einen Landwirt am wirtschaftlichsten, wenn seine Tiere ohne Infektionen aufwüchsen. Denn Medikamente seien teuer, „und außerdem unterliegen wir einer so engmaschigen Dokumentationspflicht, dass Missbrauch gar nicht möglich wäre,“ so Schneider.
210 Muttersauen stehen in seinem Stall, bis zu 27 Ferkel wirft jede in einem Jahr. Gruppenhaltung praktiziert er bei den Sauen, die in den ersten Wochen trächtig sind. „Der Tierschutz sieht das gern. Die Praxis zeigt aber, dass das Vor- und Nachteile hat“, erläutert der Profi. Denn viele Sauen würden sich zum Ruhen auch gern zurückziehen, und in der Gruppe gebe es auch immer wieder „Zusammenstöße“.
116 Tage trägt eine Sau im Schnitt. Zum Abferkeln kommt sie dann aber in einen Einzelstand und in einen Schutz-Korb. Der schützt die Ferkel davor, erdrückt zu werden – und auch den Bauern, denn auch eine „schwangere“ Sau kann unter Stimmungsschwankungen leiden.
Die Schneiders – Sohn Christoph ist schon vor Jahren in den Betrieb eingestiegen – versuchen, den größten Teil des Futters für ihre Tiere selbst zu produzieren. Auf 100 Hektar gelingt ihnen das nicht ganz, sie suchen weitere Pachtflächen.
2500 Kubikmeter Gülle produzierten seine Schweine im Jahr, erklärt Klaus Schneider. Die Gülle bringt er zur Biogasanlage nach Haßfurt und düngt mit dem Substrat, das nach der Vergärung übrig bleibt. Das ist hochwertiger Dünger, riecht aber deutlich weniger als Schweinegülle.
Auch bezüglich der Düngung sähen sich Landwirte immer wieder Unterstellungen ausgesetzt. „Niemand wirft 10-Euro-Scheine auf seinen Acker, was ja eine Überdüngung bedeuten würde“, so Schneider. Und Merkel ergänzt: „Ein Kilo Stickstoff kostet einen Euro.“
Die Vorschriften zur Düngung indes seien von einer bedarfsgerechten Regelung weit entfernt. Hier gebe es starre Vorgaben, zu welchen Zeiten Düngung verboten sei – und weitere seien in Vorbereitung. Das Problem dabei: Die Natur, die Witterung hielten sich nicht an Vorgaben. „Wer letzten Herbst nicht gedüngt hat, hat schon jetzt einen vorprogrammierten Ernteverlust“, so Merkel angesichts des milden Winters. Im Gegensatz dazu war im vergangenen Jahr im Frühling zur vorgeschriebenen Düngezeit der Boden noch gefroren. „Wenn der Profi nicht auf Wetterkapriolen reagieren darf, dann stimmt was nicht“, so der Agraringenieur. Die neuen Vorgaben, die derzeit diskutiert würden, seien deshalb „gut gemeint, aber schlecht gemacht“. Die diskutierte Frühjahrsdüngung widerspreche auch dem Bodenschutz, ergänzt Klaus Schneider, „denn wenn ich jetzt auf den Acker fahre, betoniere ich ja meine Flächen.“
„Pauschaler Vorwurf“
Als Schweinehalter sei er „Unterstellungen gewohnt“. Er ist nach eigenem Bekunden froh, dass sich Ehefrau Sabine mit der Bürokratie herumschlage. Engmaschig müssten sie dokumentieren – und sähen sich dennoch immer wieder dem pauschalen Vorwurf von Hormon- oder Antibiotika-Einsatz ausgesetzt.
Dazu erklärt Dr. Gerhard Stößel, Schweine-Fachtierarzt vom Tiergesundheitsdienst Schwarzenau: „Es gibt in der Schweinezucht in Deutschland definitiv keinen Hormoneinsatz. Und 25 Prozent der Betriebe kommen komplett ohne Antibiotika aus.“ Natürlich gebe es mal ein Milchfieber (quasi eine Brustentzündung der Muttersau) oder auch eine Erkältung im Stall. Dann gebe es auch Antibiotika. „Aber im Gegensatz zum Einsatz beim Menschen ist das streng reglementiert und dokumentiert.“
Alle drei Wochen kommt Stößel auf jeden Hof in der Region und nimmt die Tiere in Augenschein. Immer wieder sieht er die Landwirte im Spannungsfeld von Tierschutz, Verbraucher- und Umweltschutz und ihrer Berufsehre. Er bestätigt der Landwirtschaft: „Oberstes Ziel ist die Erzeugung gesunder Nahrungsmittel.“
Dies auch weiterhin in Deutschland zu ermöglichen, dafür arbeite der Bauernverband, so Klaus Pieroth. Mit den Stallgesprächen wolle man mehr Einblick verschaffen.
Schweinehaltung im Landkreis
Im Landkreis Haßberge gibt es 122 Zuchtbetriebe (4671 Tiere) und 325 Mastbetriebe (47 624 Tiere), das sind 13 Prozent der unterfränkischen Schweinehalter. Seit 2007 haben im Kreis 59 Zuchtbetriebe und 48 Mastbetriebe aufgegeben. Die meisten und größten Schweinehalter gibt es in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.