„Ich kann mich noch gut an Gottfried erinnern“, erzählt Christa Fritsche, die Großnichte von Gottfried Wicklein, der genau wie sie in Unfinden geboren und aufgewachsen ist. „Wenn er zu Besuch kam, dann brachte er mir und meinen Geschwistern an Ostern immer diese roten Gusshasen aus Zucker mit. Und er verteilte auch welche an alle Nachbarskinder, so großherzig war er.“ Auch selbstgemachte Schokolade habe er mitgebracht: „Die war ganz besonders gut.“
Der Besuch des Fabrikanten aus der Stadt im kleinen Dörfchen Unfinden war ein Erlebnis: „Er hatte schon früh ein Auto, einen roten VW-Käfer. Das ganze Dorf hat immer geguckt, wenn er damit vorgefahren ist.“ Auch der Hahn der Familie war irritiert: Er ist immer zum Auto gelaufen, hat sich in den Felgen gespiegelt und wie wild an dem Auto herumgepickt, berichtet die 65-Jährige. Auch habe Wicklein sich dann sehr städtisch gekleidet. „Aber trotzdem war der Gottfried so ein echter Üfelter.“
„Er und seine Schwestern haben sich rausgebuckelt aus der Armut“
Christa Fritsche Verwandte von Gottfried Wicklein
In der Hand hält sie ein Foto des Fabrikgründers, der darauf mit seinen beiden Schwestern Frieda – Fritsches Großmutter – und Gretchen zu sehen ist, eine der wenigen Fotografien, die Christa Fritsche noch hat, nachdem sie bei ihrem Umzug sehr viel ausgemistet und weggeworfen hatte, worüber sie sich heute sehr ärgert.
„Gottfried war ein toller Mensch. Er war sehr klug, man könnte fast sagen listig. Er hat toll Klavier gespielt, viel Geld an die Kirche gestiftet, war sein ganzes Leben lang naturverbunden und immer sehr fleißig. Er und seine Schwestern, die haben sich rausgebuckelt aus der Armut.“
Lebkuchen für die Soldaten
Außerdem erinnert sie sich, dass ihr Großonkel während des Ersten Weltkrieges an alle Unfindener, die im Krieg waren, eine Dose voller Lebkuchen geschickt hat. „Manche haben die Dose auch heute noch. Eine Frau erzählte mir, sie bewahre heute noch Knöpfe in der Lebkuchendose auf.“ Solche Aufmerksamkeiten seien typisch für ihren Großonkel gewesen..
Gottfried Wicklein, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geboren wurde, ging als 15- oder 16-Jähriger nach Mainbernheim und machte dort eine Lehre als Lebküchner. Dann kehrte er zurück und eröffnete eine Bäckerei mit Laden in Unfinden. „Er hat angefangen mit Plundern. Meine Großmutter hat immer erzählt, dass es wunderbare Plunder waren.“
Ein paar Jahre führt er die Bäckerei mitten im Dorf, backt Plunder und später auch schon die ersten Lebkuchen. Dann lernt er seine Ehefrau Gunda Jäckel kennen, die aus einer kleinen Lebkuchenbäckerei in Nürnberg stammt. Gottfried Wicklein übernimmt die Bäckerei, und macht sie nach und nach zu einer großen Fabrik.
„Ich war als junges Mädchen mal öfter dort, und kann mich an die Produktion erinnern. Dort haben während der Saison rund 700 Menschen gearbeitet“, erzählt Fritsche. Nach dem Tod ihres Vaters, Christa Fritsche ist gerade 20 Jahre alt, geht sie sogar für ein halbes Jahr nach Nürnberg, um bei Wicklein Lebkuchen zu arbeiten: „Ich habe Lebkuchen sortiert und verpackt. Besonders erinnere ich mich an den Duft in der Fabrik: Es roch ganz intensiv nach Honig und Gewürzen. Ich kann es immer noch riechen, wenn ich daran denke. Eine Zeitlang habe ich dann auch im Laden in der Buchner-Straße gearbeitet.“
In Erinnerung geblieben ist ihr auch, dass Gottfried Wicklein immer höchste Maßstäbe angelegt hat, an seine Mitarbeiter genauso wie an die Qualität der Zutaten: „Er hat nur den besten Honig und die besten Mandeln verwendet. Er hatte eine richtig gute Zunge, ja eine außergewöhnlich gute Zunge, und hat immer die Qualität des Teiges selbst kontrolliert.“
Außerdem habe Gottfried Wicklein immer auch selbst mitgebacken: „Seine Haselnusslebkuchen, die waren ein Traum, die werde ich nie vergessen. Da ist der Teig so richtig aufgerissen, so wie es sein muss bei guten Lebkuchen. Wunderbar.“
Fritsche kommt ins Schwärmen, wenn sie an die handgemachten Lebkuchen von früher zurückdenkt. Auch sie ist eine leidenschaftliche Bäckerin, etwas, was sie mit ihrem Großonkel verbindet.
Produktion lange Handarbeit
Zu Zeiten von Gottfried Wicklein sei die Produktion noch reine Handarbeit gewesen. Erst sein Sohn Karl habe dann nach dem Tod des Vaters die Fertigung teilweise auf Maschinen umgestellt und die Fabrik weitergeführt, bis er dann im Alter von nur 47 Jahren plötzlich verstarb.
„Dann hat seine Schwester Christa die Fabrik geerbt. Doch sie hätte viel investieren und modernisieren müssen, und hat dann an die Nürnberger Lebkuchen-Fabrik Schmidt verkauft.“ Ob diese heute noch nach dem Original-Rezept von Gottfried Wicklein backt, das weiß Fritsche nicht: „Aber meine Tante Christa, die mittlerweile schon 87 ist, schickt mir jedes Jahr an Weihnachten aus Nürnberg ein Paket voller Wicklein-Lebkuchen.“
Und wenn sie durch die Supermärkte läuft, und es überall Wicklein-Lebkuchen zu kaufen gibt, dann ist Christa Fritsche auch ein bisschen stolz – auf ihren tüchtigen Großonkel, der es von einer kleinen Dorfbäckerei zu einer großen Fabrik gebracht hatte.
Stichwort
Lebkuchen So etwas ähnliches wie Lebkuchen hatten schon die alten Ägypter, aber den Lebkuchen, wie wir ihn heute kennen, haben wohl die Belgier erfunden und die Aachener übernommen. Schließlich wurde er auch in fränkischen Klöstern hergestellt und leicht abgewandelt. Als Pfefferkuchen wird er 1296 in Ulm erwähnt, im 14. Jahrhundert ist der Lebkuchen in und um Nürnberg bekannt. Woher er seinen Namen hat, ist nicht klar. Am wahrscheinlichsten ist die Theorie, dass der Lebkuchen von „libum“ abstammt, was im Lateinischen Fladen heißt.
Die Firma Wicklein ist einer der großen Hersteller der mittlerweile als Produkt geschützten „Nürnberger Lebkuchen“. Bei der Firma selbst gibt es keine genauen Informationen mehr über die Geschichte. Sie wurde 1988 von der Nürnberger Firma Lebkuchen-Schmidt übernommen.