Sogar nach Amerika lieferte Ehrlinger die Fässer. Winzergenossenschaften in der Pfalz, Rheinhessen und im Rheingau waren angetan von der Fassqualität aus den Haßbergen, bestellten Fässer mit 10 000 Liter Fassungsvermögen. Mit den Fässern hatten die Ehrlingers ihren späteren Kundenstamm erreicht - die Mostbauern. Vom Fass zur Kelterei war der Schritt nicht groß.
Ernst Ehrlinger, der erst vor wenigen Tagen verstorben ist, gründete vor 50 Jahren im Jahre 1953 seine Obstkelterei. Eine Presse war der Grundstock für die Firma. Die Bauern und Obstbaumbesitzer brachten ihre Äpfel und ihre Fässer, Ernst Ehrlinger presste das Obst, der Saft wurde gleich in das Fass gefüllt. Die Dienstleistung kostete ein paar Mark.
Um mobiler zu sein, wurde eine Presse auf einem Auto montiert, damit fuhr der Firmenchef über die Dörfer und presste gleich beim Bauern im Hof. Aber auch selbst wurde der Most schon ausgebaut und ab Fass verkauft. Übrigens, bis in die 70-er Jahre stand in der Ecke des Büros der Firma ein Fässchen Most, die Hofheimer Bürger holten sich im Bembel den Most literweise.
Später stieg Sohn Walter Ehrlinger in das Geschäft ein. Er hatte eine glänzende Referenz, 1958 war er Bundessieger als Wein-Küfer. Walter Ehrlinger baute das Geschäft von der reinen Kelterei zum Lieferanten aus. Die einst so geschätzten Holzfässer wurden durch Flaschen und Kunststoffbehälter abgelöst. Heute, erzählt Bernd Ehrlinger, der in der vierten Generation als Techniker für Obstbau und Obstverwertung für die Produktion zuständig ist, sind nur noch zehn Prozent der gekelterten Säfte für die Direktabnahme. Der Rest wird im Umtausch "Apfel - Gutschrift - Saft oder Most" abgewickelt.
Eine vollautomatische Abfüllanlage wurde 1967 angeschafft, das brachte Arbeitserleichterung. Mit der Büttnerei war endgültig 1970 Schluss, selbst im Betrieb wurden die Holzfässer nicht mehr gebraucht. Edelstahltanks lösten die Holzfässer ab. Dreißig Jahre nach der Gründung wurde das Geschäft gewaltig ausgeweitet. Die damalige Lagerkapazität wurde gleich verhundertfacht. Eine Million Liter des goldgelben Apfelsaftes und Mostes konnte nun gelagert werden. Und auch in der Produktion wurde investiert, eine neue Obstpresse kann 50 Tonnen pro Tag pressen.
Hochsaison herrscht bei den Ehrlingers ab dem ersten Samstag im September. Dann wird der Familienbetrieb neun Wochen lang bis zum Äußersten gefordert. Bis zu 1700 Tonnen Äpfel werden angeliefert. Nicht in großen Lkw-Lieferungen, sondern in Kofferräumen, auf kleinen Anhängern, mit Traktorgespannen bis hin zur Plastiktüte. Bis zu 200 Kunden kommen am Tage, sorgen manchmal für einen "Apfelstau" in Hofheims Osten. Die Äpfel kommen von Landwirten, Obstbauern, Kleingärtnern aus den Haßbergen und dem angrenzenden Thüringen, weitgehend ungespritzt, von Streuobstwiesen. Aus Streuobst wird der beste Apfelsaft.
Das Geheimnis seines herrlichen Aromas sind die traditionellen heimischen Apfelsorten. Wobei, so der Tipp von Bernd Ehrlinger, es auf den richtigen Erntezeitpunkt ankommt. "Nicht zu früh ernten und nicht zu lange lagern, dann kommen auch die wichtigen Vitamine und Mineralstoffe am besten zur Geltung."
Aus dem edlen Saft, der aus der Kelter fließt, produziert die Firma Ehrlinger gleich mehrere Produkte "rund um den Apfel". Da ist der reine Apfelsaft in klarer und der eigentlichen natürlichen trüben Form; Mixgetränke, die auf der Basis Apfel-Kirsch, Apfel-Blutorange, Apfel-Zitrone basieren; Früchtetee mit Apfel zum eiskalten oder heißen Genuss und natürlich die immer beliebter werdende Apfelschorle.
Und wie ist es mit dem Most? Nur noch zehn bis 15 Prozent beträgt der Anteil. Dieser geht übrigens nicht nur in Flaschen über den Heimdienst beziehungsweise Getränkemärkte in den ganzen süddeutschen Raum, sondern auch schon mal in Tanklastzügen mit 25 000 Liter Inhalt. In Sachsenhausen, dem Äppelwoi-Mekka in Deutschland schlechthin, bekommt man den Most aus den Haßbergen von der Kelterei Ehrlinger.
Beste Gelegenheit, einmal hinter die Kulissen der Kelterei zu schauen, gibt es am Sonntag, 3. August. Dann findet bei der Obstkelterei Ehrlinger und bei der Brauerei Raab der Tag der offenen Tür mit Betriebsbesichtigungen statt.