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HAßFURT/SCHWEINFURT: Warten auf das Kind: Mit der Hebamme an der Seite

HAßFURT/SCHWEINFURT

Warten auf das Kind: Mit der Hebamme an der Seite

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    Dank Ultraschall kann man heute in der neunmonatigen Wartezeit auf das Kind das Ungeborene sehen und seinen Herzschlag hören.
    Dank Ultraschall kann man heute in der neunmonatigen Wartezeit auf das Kind das Ungeborene sehen und seinen Herzschlag hören. Foto: Foto: Thinkstock

    Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.“ (Lukas, 2,6-7)

    Laut dem Lukas-Evangelium bewältigte Maria die Geburt Jesu in einem Viehstall – alleine. Zwar dürfte ihr Mann Josef ihr damals, vor etwa 2000 Jahren, beigestanden haben, aber keine Hebamme, wie es heute üblich und sogar vorgeschrieben ist. Zuhause, in der vertrauten Umgebung, gebären heute nur zwei Prozent der Schwangeren in Deutschland. Im Landkreis Schweinfurt steht ihnen dabei Hebamme Lisa Volk zur Seite, die einzige, die Hausgeburten übernimmt.

    Geburt ist etwas Normales

    Geburt ist etwas Normales, ein natürlicher körperlicher Vorgang. „Das habe ich erst bei der Hausgeburtshilfe so richtig erfasst“, sagt die 55-jährige Hebamme aus Grettstadt. Ihre Ausbildung hat Lisa Volk üblicherweise in einer Klinik absolviert und dort danach auch zehn Jahre als angestellte Hebamme gearbeitet.

    Seit 1994 begleitet sie auf freiberuflicher Basis Frauen und ihre Partner bei einer Hausgeburt. „Weil ich mich dann ganz auf die Frau einstellen kann, weil ich dann nicht drei oder mehr Gebärende gleichzeitig betreuen muss und nebenbei noch andere Aufgaben habe“, erklärt sie mit Blick auf ihre Klinikzeit. Und: Weil sie jede der Frauen aufgrund der wochenlangen Betreuung in der Schwangerschaft gut kennt, und weil sie ihnen voll gerecht werden kann, und weil die Hausgeburt „eine abwartende Geburtshilfe ist“. Man könne zuwarten, man müsse Geduld haben und könne sehen, wie viele Faktoren ineinandergreifen.

    Manchmal auch ins Krankenhaus

    „Mein Job ist es zu erkennen, wenn man nicht abwarten kann.“ Etwa zehn Prozent der Gebärenden lasse sie rechtzeitig ins Krankenhaus verlegen. „Das sind aber keine Notfälle“, betont Volk, sondern Situationen, wenn beispielsweise „die Frau nicht mehr will oder die Geburt nicht mehr weitergeht“. Oder wenn sich nach der Geburt die Plazenta nicht richtig löse. Sie sei froh, dass es die Klinik gebe.

    Das Sicherheitsthema sei vor allem für die Männer ein Grund, eine Hausgeburt abzulehnen. „Ich zeige ihnen dann die Statistiken, das überzeugt sie am ehesten“, lächelt Lisa Volk. Und was den „blutigen Schmutz“ anbetrifft, sieht die Hebamme auch kein Hindernis für eine Hausgeburt: „Normalerweise gibt es eine Waschmaschine voll Wäsche und einen Eimer Abfall.“

    Das Kind arbeitet bei der Geburt mit

    Zur Normalität der Geburt gehöre es, dass der Auslöser das Kind ist, sagt Lisa Volk. Wissenschaftlich belegt ist, dass das Ungeborene Hormone produziert, die über eine Reihe von Reaktionen die Wehen auslösen können. „Das Kind arbeitet bei der Geburt mit“, weiß die erfahrene Hebamme. Sie hat ihre Hände am Bauch der Schwangeren, sie redet auf das Kind ein, hilft beim Drehen. Außerdem hat sie die Erfahrung gemacht, dass „ihre“ Frauen über die Geburt sehr gut informiert sind, besser als in der Klinik. Und: Die meisten Frauen verhalten sich intuitiv wehengerecht und können aus eigener Kraft gebären.

    Keine Schmerzmittel

    In der Klinik würden dagegen oft routinemäßig Maßnahmen ergriffen wie Wehentropf oder Wehenhemmungstropf, PDA oder Dammschnitt. „Ich gebe auch keine Schmerzmittel“, sagt sie. Höchstens etwas Homöopathisches.

    Etwa 20 Hausgeburten pro Jahr mit steigender Tendenz betreut Lisa Volk, die selbst Mutter zweier Kinder ist. Zu ihren Klientinnen zählen junge und ältere Mütter, Erstgebärende oder Frauen, die bei einer Klinikentbindung schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es sind Schwangere mit der Überzeugung, dass Geburt etwas Normales ist, wofür man nicht ins Krankenhaus muss.

    Teuere Versicherungen

    Erst prüft die Hebamme, ob die Entscheidung vertretbar ist, dann entscheidet sie „mit Herz und Bauch, ob ich mit den Frauen arbeiten kann“. Sie habe auch schon Schwangere abgelehnt, denn „Geburt ist Vertrauenssache“.

    Dass Lisa Volk die einzige Hausgeburtshelferin im Landkreis Schweinfurt ist und dass allgemein freiberufliche Hebammen immer weniger praktizieren, liegt ihrer Meinung nach an der immens hohen Haftpflichtversicherung, mit der sich dieser Berufszweig laut Gesetzgeber gegen Folgeschäden versichern muss. „Zur Zeit sind das 6800 Euro pro Jahr, und nächstes Jahr werden es noch 500 Euro mehr“, erklärt die Grettstädterin. „Als ich angefangen habe, waren es einmal 350 Mark im Jahr.“

    Weil die Krankenkasse zwar die Geburt selbst, aber oft nicht die Bereitschaftszeit der Hebamme zahlt, übernehmen die Gebärenden selbst diese Pauschale von 250 Euro. „Das ist es ihnen wert.“ Für die eventuelle zweite Hebamme, die im Hintergrund bereitsteht, zahlt die Krankenkasse nur vier Stunden, egal, wie lange diese tatsächlich zur Verfügung steht.

    Hebamme ist Pflicht

    Gesetzliche Vorgabe ist es, dass bei jeder Geburt eine Hebamme dabei sein muss – die sogenannte Hinzuziehungspflicht. Ein Arzt muss nur bei Komplikationen gerufen werden. Aber es gibt zu wenige Hebammen, so dass derzeit diskutiert wird, diese Pflicht zu streichen, erklärt Lisa Volk.

    Kleinere Krankenhäuser, siehe Werneck, schließen ihre Geburtsstationen, auch Haßfurt ist gefährdet. Die Folge: „Geburtshilfe wird zentralisiert“, meint die Hebamme, Frauen müssten künftig lange Anfahrten bis zum Kreißsaal in Kauf nehmen. „Dann wird es viele Autogeburten geben oder ungeplante Hausgeburten.“

    Früher, eigentlich immer, konnten Frauen alleine gebären. In manchen Kulturen wurden und werden sie heute noch unterstützt von Mutter, Oma oder Tante. Vielleicht hatte auch die junge Frau Maria in Bethlehem ihren Sohn Jesus mit solcher Hilfe zur Welt gebracht. Wer weiß? Der Evangelist Lukas war jedenfalls nicht dabei und darüber geschrieben hat er nicht und auch kein anderer.

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