Nicht nur in den Ballungsräumen, auch im Landkreis Haßberge haben am Freitag die Lehrerinnen und Lehrer ihren Unmut zu den geplanten schlechteren Arbeitsbedingungen im Rahmen des bayernweiten Aktionstags des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV) kund getan. 400 Grund- und Mittelschullehrer sowie Förderlehrer sind im Haßbergkreis davon betroffen. Die BLLV-Kreisvorsitzenden Matthias Weinberger (Haßfurt), Sven Steger (Eltmann), Gisela Schott (Hofheim) und Birgit Finzel (Ebern) erläuterten in einem Pressegespräch die Verschlechterungen und formulierten ihre Forderungen.
"Die angekündigten Maßnahmen sind ganz fatal für die Arbeitsmotivation der Lehrkräfte, weil die Wertschätzung gegenüber den Kollegen anderer Schulen fehlt", sagte Sven Steger. Anfang Januar hatte der Bayerische Kultusminister Michael Piazolo die wesentlichen Änderungen mitgeteilt. Hiernach soll die die wöchentliche Unterrichtspflichtzeit von 28 auf 29 Stunden erhöht werden. Das Mindeststundenmaß bei Antragsteilzeit soll zukünftig 24 Wochenstunden, bei Lehrkräften für Sonderpädagogik 23 Wochenstunden betragen. Neue Freistellungsmodelle wie sogenannte Sabbatjahre können in den nächsten Jahren – unabhängig von der Dauer – allgemein nicht genehmigt werden.
Eine Schulstunde ist nicht gleich 45 Minuten
Nun erscheinen selbst 29 Wochenstunden auf den ersten Blick etwas wenig gegenüber anderen Berufen. Die vier Kreisvorsitzenden betonten aber, dass es sich hierbei nur um die reine Unterrichtszeit handelt. Dazu kommen noch jeweils eine Viertelstunde Vor- und Nachbereitungszeit pro Schulstunde sowie die Unterrichtsvorbereitung Zuhause und Zeiten für die Korrektur, Eltern- und Lernentwicklungsgespräche. Somit komme man locker auf eine 40-Stunden-Woche. Mit den jetzigen 28 Wochenunterrichtsstunden stünden die Grundschul-, Mittelschul- und Förderlehrer aber jetzt schon wesentlich schlechter da als ihre Kollegen in anderen Schularten, wo diese Verpflichtung geringer ausfalle.
Die Lehrer seien heute schon am Limit, Erkrankungen wie das Burnout-Syndrom an der Tagesordnung, so Birgit Finzel. Die geplanten neuen Regeln würden die Lehrer enttäuschen und demotivieren, so dass dadurch nichts besser würde. Schließlich ginge dies auch zu Lasten der Kinder und der Qualität des Unterrichts.
Wer ungünstig geboren ist, bleibt wesentlich länger im Dienst
Als selbst betroffene berichtete Gisela Schott über die ihr genommene Möglichkeit, bereits mit 64 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Ihre Lebensplanung sei damit über den Haufen geschmissen worden, weil sie jetzt ein Jahr länger arbeiten müsse. Im ungünstigsten Fall könne sich das sogar auf 22 Monate verlängern, wenn ein Kollege in einem ungünstigen Monat geboren ist, so Schott. Im Übrigen gebe es diese unvorteilhafte Regelung bei keinen anderen Beamten - nur bei den Lehrern der betroffenen drei Schularten.
Auch wenn die eine Mehrarbeitsstunde pro Woche vorläufig auf fünf Jahre begrenzt sei und auf ein Arbeitszeitkonto gebucht werde, wovon nach einer Ruhephase die Stunden abgefeiert werden können, sieht es Matthias Weinberger als schlimm an, dass solche Entscheidungen am "grünen Tisch" getroffen werden. "Die Praktiker vor Ort wurden nicht gefragt", bemängelte der Kreisvorsitzende und wies auch auf die vielen Härtefälle hin, die es gebe. Besonders die Pädagogen im Alter von 50 plus würden sich sehr schwer tun, nun 24 Stunden Unterricht leisten zu müssen, wenn sie bisher zum Beispiel nur 16 Stunden in Teilzeit arbeiten. Aber auch bei Kindern im Haushalt der Lehrkräfte sei es fast unmöglich, eine geringe Stundenzahl auf Teilzeit plötzlich enorm ausweiten zu müssen.
Die Lehrer haben alles aus den Medien erfahren
Besonders sauer aufgestoßen ist den vier Lehrern, dass sie zuerst aus der Presse über die Änderungen erfahren mussten, bevor sie selbst informiert wurden. Zwar kam an dem bewussten Tag spätnachmittags eine Email an die Schulleitungen, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Großteil der Lehrer nicht mehr vor Ort, so dass diese erst am nächsten Tag davon erfuhren, als es schon durch die Medienwelt ging.
Mit dem Aktionstag setzten die Lehrer aus dem Landkreis ein Zeichen mit einer Postkartenaktion. Dazu wurden nach Unterrichtsende an allen betroffenen Schulen Postkarten von den Lehrkräften individuell gestaltet und mit ihren persönlichen Botschaften und Wünschen versehen. Diese werden bayernweit eingesammelt und dem Kultusminister übergeben. Ziel ist es, bessere Arbeitsbedingungen dringend umzusetzen, wozu eine höhere Eingruppierung der Grund- und Mittelschullehrkräfte ebenso gehöre wie eine flexible Lehrerbildung und eine Aufwertung der Fach- und Förderlehrkräfte.
