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Landkreis Haßberge: Haßbergkreis: Warum es den Begräbnisstätten an Wertschätzung fehlt

Landkreis Haßberge

Haßbergkreis: Warum es den Begräbnisstätten an Wertschätzung fehlt

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    Gräber, die liebevoll wie kleine Gärten gestaltet werden, sind eine Besonderheit der deutschen Friedhofskultur. Das Foto entstand auf dem Friedhof in Königsberg.
    Gräber, die liebevoll wie kleine Gärten gestaltet werden, sind eine Besonderheit der deutschen Friedhofskultur. Das Foto entstand auf dem Friedhof in Königsberg. Foto: Sabine Meißner

    Die Deutsche Friedhofskultur ist als immaterielles kulturelles Erbe in die Unesco-Liste aufgenommen worden. Bundesweit haben Friedhöfe ein Hinweisschild angebracht, das sie als Teil dieses nationalen Kulturerbes ausweist. Wie sieht es auf den Begräbnisstätten in den Haßbergen aus?

    Das Jahr 2020 wird für das deutsche Friedhofswesen als historisches in die Geschichte eingehen, denn im März hat die Kultusministerkonferenz auf Empfehlung der deutschen Unesco-Kommission die Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe erhoben. Der unvorhersehbare Corona-Lockdown hatte im Frühjahr andere Prioritäten gesetzt, weshalb die entsprechende Würdigung erst im September erfolgte.

    Zu jeder Jahreszeit ist der Friedhof ein würdevoller Orte der Ruhe und des Gedenkens. Das Foto zeigt den Haßfurter Friedhof.
    Zu jeder Jahreszeit ist der Friedhof ein würdevoller Orte der Ruhe und des Gedenkens. Das Foto zeigt den Haßfurter Friedhof. Foto: Sabine Meißner

    Die Bekanntgabe im März geschah gewissermaßen zeitgleich mit dem Corona-Lockdown und erhielt damit skurrile Züge, lässt aber Parallelen zu: Es ist zu bemerken, dass sich Menschen mit dem Thema Tod und Sterben und dem Umgang mit der eigenen Endlichkeit auch abseits der Feiertage Allerheiligen und Totensonntag beschäftigen. Die Themen Friedhofs- und Trauerkultur, die in der Vergangenheit fast zum Tabuthema geworden waren, finden somit zurück in die Gesellschaft. Das ist in den meisten deutschen Städten und Gemeinden so - auch im Haßbergkreis?

    Tag des Offenen Friedhofs wurde abgesagt

    Der Tag des Offenen Friedhofs, der als Landkreisveranstaltung am 20. September in Neubrunn stattfinden sollte, wurde wegen Corona-Beschränkungen abgesagt. Die private Vorbereitung der Gräber auf den Winter ist von den meisten Familien zum Feiertag Allerheiligen dennoch abgeschlossen. Sie haben ihre Gräber „winterfest“ gemacht und mit entsprechendem Schmuck versehen.

    Gerade das ist es, was die nationale Unesco-Kommission veranlasste, die deutsche Friedhofskultur offiziell als immaterielles Kulturgut zu würdigen. Die Friedhöfe seien Orte der Identifikation der Bürger mit ihrer Geschichte, heißt es in deren Begründung. An den Gräbern könne man regionale und überregionale Besonderheiten erkennen. Wichtige Ereignisse spiegelten sie ebenso wider wie sich geschichtliche Abläufe ablesen ließen.

    Die Friedhöfe hierzulande seien Orte der Identifikation der Bürger mit ihrer Geschichte, heißt es in der Begründung der Kommission zur Anerkennung der Friedhofskultur als immaterielles Kulturerbe. An den Gräbern könne man regionale und überregionale Besonderheiten wichtiger Ereignisse, Persönlichkeiten und geschichtlicher Abläufe ablesen. Die Einschätzung trifft auch auf die Begräbnisstätten des Heimatkreises, wie den Friedhof von Zeil, zu.
    Die Friedhöfe hierzulande seien Orte der Identifikation der Bürger mit ihrer Geschichte, heißt es in der Begründung der Kommission zur Anerkennung der Friedhofskultur als immaterielles Kulturerbe. An den Gräbern könne man regionale und überregionale Besonderheiten wichtiger Ereignisse, Persönlichkeiten und geschichtlicher Abläufe ablesen. Die Einschätzung trifft auch auf die Begräbnisstätten des Heimatkreises, wie den Friedhof von Zeil, zu. Foto: Sabine Meißner

    Vielerorts finde man die Gräber bekannter Persönlichkeiten auf den Friedhöfen, die von der jeweiligen Kommune oft als Ehrengrab markiert und gepflegt werden. Nicht zuletzt war die Art und Weise, wie in Deutschland Gräber als kleine Gärten der Erinnerung gestaltet werden, eines der Kriterien für die Anerkennung der Unesco. Es solle auch eine besondere Wertschätzung der vielen Ehrenamtlichen sein, die den jeweiligen Friedhofsverwaltungen zur Seite stehen.

    Wer hat den schönsten Friedhof

    Trifft das alles auch für die Begräbnisstätten im Haßbergkreis zu? Einer, der sich hier seit längerem für die Friedhofskultur engagiert, ist Kreisfachberater Guntram Ulsamer. Im Sommer 2015 betreute er den Kreiswettbewerb zur Ermittlung des schönsten Friedhofs, wobei schön im Sinne von würde- und kulturvoll zu verstehen war. Die Initiative war vom Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege ausgegangen. Im Heimatkreis hatte sie überwältigende Resonanz gefunden und machte deutlich, wie viele Menschen in fast allen Haßberge-Orten an der Gestaltung ihrer Friedhöfe mitwirken.

    Ein Beispiel, wie die Besucher mit regionalen und historischen Besonderheiten des Begräbnisplatzes ihrer Gemeinde vertraut gemacht werden, liefert der Friedhof von Bramberg. Eine Tafel mit Informationen des Kreisheimatpflegers Günther Lipp informiert am Eingangstor über die Geschichte des Friedhofs vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
    Ein Beispiel, wie die Besucher mit regionalen und historischen Besonderheiten des Begräbnisplatzes ihrer Gemeinde vertraut gemacht werden, liefert der Friedhof von Bramberg. Eine Tafel mit Informationen des Kreisheimatpflegers Günther Lipp informiert am Eingangstor über die Geschichte des Friedhofs vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Foto: Sabine Meißner

    Ulsamer ist gemeinsam mit seinem Kollegen in der Geschäftsleitung, Johannes Bayer, und der Verwaltungsangestellten Karin Bulheller Ansprechpartner und Berater für etwa 6500 Mitglieder des Kreisverbandes für Gartenbau und Landespflege Haßberge. Die Beteiligung von 44 Friedhöfen eines Kreises am Friedhofswettbewerb war bayernweit überdurchschnittlich und fand auch überregionale Beachtung.

    Friedhofskultur hat geringen Stellenwert

    Von dieser Redaktion um seine Einschätzung gebeten, stellte Ulsamer fest: „Leider besitzt das Thema Friedhofskultur bei uns im Landkreis noch nicht den Stellenwert, der ihm zusteht. Es gibt hier im Kreis keinerlei Aktionen und Informationen zur Anerkennung der Friedhöfe als immaterielles Kulturerbe."

    "In vielen Kommunen ist das Thema Friedhof bei den Sachbearbeitern von relativ geringem Belang. Sie sind in erster Linie Verwaltungsangestellte, die diese Aufgabe bearbeiten dürfen oder müssen. Für die Wertschätzung der Friedhöfe ist bereits die Auswahl des geeigneten – oder eher weniger geeigneten - Fachpersonals ein Spiegel. Oft kommen die Friedhofsgärtner aus fachfremden Berufen. Häufig wird aus praktischen Erwägungen statt eines Gärtners eher ein Maurer oder Schlosser eingestellt. Allerdings muss ich einräumen, dass leider selten bei der Einstellung ausgebildete Gärtner zur Verfügung stehen", so der Kreisfachberater.

    Kreisfachberater Guntram Ulsamer.
    Kreisfachberater Guntram Ulsamer. Foto: Sabine Meißner

    "Bei uns im Kreis werden die Friedhöfe verwaltet. Bei der Gestaltung kommt in der Mehrzahl der Fälle den funktionalen Aspekten, wie Pflegeleichtigkeit und Kostenersparnis, ein höherer Stellenwert zu als den kulturellen Gesichtspunkten. Zudem sind die Gemeinden gegenwärtig gefordert, das Thema „Urnenbestattungen“ zu bewältigen, das in der Vergangenheit eine untergeordnete Rolle in unserer Region spielte oder in einigen Kommunen gar nicht gefragt war. Alles in allem scheint es auf mehreren Ebenen notwendig zu sein, für den Erhalt, die Pflege und weitere Entwicklung des wichtigen kulturellen Erbes Friedhofskultur zu werben“, so Guntram Ulsamer.

    Wissenschaftliche Betrachtung von außen

    Bei den Praktikern sieht es durchaus anders aus. Mehrere Gewerke aus dem Kreis hätten sich am Tag des Offenen Friedhofs beteiligt, darunter Friedhofsgärtnerei, Grabmal- und Steinmetzbetrieb sowie der Bestatterverband, die Friedhofsverwaltung und Seelsorger. Sie alle tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, die Friedhöfe als Orte der Ruhe, Kultur und Natur würdig zu gestalten.

    Bei der Betrachtung des Themas kann wie so oft ein Blick von außen hilfreich sein. Diesen tat bereits vor einigen Jahren Reinhard Kulick, Wissenschaftler und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Professor an der Universität in Mainz. Bei einem seiner Vorträge über die Bedeutung der Sandsteinindustrie im Maintal zwischen Eltmann/Ebelsbach und Haßfurt äußerte er sich kritisch zum Umgang der Stadt Eltmann mit den Grabmalen der Familien Vetter und Ankenbrand.

    Er fragte: „Was ist geblieben?“ Noch würden die großen Grabmale der ehemaligen Steinfürsten auf dem Eltmanner Friedhof von deren Ruhm zeugen. Aber sie führten ein eher ungepflegtes Dasein, meinte er und fragte kritisch: „Kann eine Stadt wie Eltmann es sich leisten, diese Grabmale derart zu vernachlässigen?“ Die Frage, was die Stadt mit privaten Gräbern zu tun haben möge, stellte sich wohl damals. Wenn auch mittlerweile hier und da Arbeiten zur Aufwertung von Grabmalen vorgenommen worden sind, so zeigt nicht zuletzt Ulsamers Einschätzung, dass der Heimatkreis in dieser Frage anders tickt als andere Kommunen im bundesweiten Vergleich.

    Aktion "Friedhöfe auszeichnen"Mehr als 120 Städte haben sich mit rund 300 Friedhöfen am 17. September an der Aktion „Friedhöfe auszeichnen“ beteiligt. Dieser Tag war zum bundesweiten Aktionstag nach der Unesco-Ernennung erklärt worden. Seitdem weisen Schilder auf vielen Friedhöfen in allen Teilen Deutschlands auf die Würdigung als Kulturerbe hin, unter anderem in den fränkischen Städten Ansbach, Fürth und Nürnberg sowie in Oberbayern in Berchtesgaden und Ingolstadt.Die Auftaktveranstaltung fand auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin statt. Dabei würdigten evangelische und katholische Bischöfe sowie Politiker, aber auch der Kunstwissenschaftler Dirk Pörschmann, Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, ihrerseits die gesellschaftliche Bedeutung der Friedhofskultur.In Deutschland gibt es 32 000 Friedhöfe, im Friedhofswesen sind mehr als 100 000 Menschen beschäftig.Die Ernennung „Immaterielles Kulturerbe Friedhofskultur“ in Deutschland erfolgte auf Antrag der Initiative Kulturerbe Friedhof.Im Juni 2020 wurde das „Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur“ als unabhängiger, gemeinnütziger, eingetragener Verein mit Sitz in Unna gegründet. Geschäftsführer ist Tobias Pehle. Die Finanzierung erfolgt aus Projektmitteln, Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Partner sind unter anderem die AG Friedhof und Denkmal, Kassel.Quelle: sme

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