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Warum es ohne Impfschein nichts mit der Hochzeitsnacht wurde

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Warum es ohne Impfschein nichts mit der Hochzeitsnacht wurde

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    Im ehemaligen Siechenhaus in Zeil mussten die Kranken bis zu ihrer absoluten Genesung verharren.  Ludwig Leisentritt
    Im ehemaligen Siechenhaus in Zeil mussten die Kranken bis zu ihrer absoluten Genesung verharren. Ludwig Leisentritt Foto: Foto:

    Die gegenwärtige Diskussion über die Einführung einer Impfpflicht erinnert an die Anfänge der Impfungen in unserer Heimat vor etwas mehr als 200 Jahren.

    Impfungen waren schon damals umstritten. Oft spielten die Geistlichen in ihrer Funktion als Begleiter von wichtigen Ereignissen wie Taufe, Kommunion, Konfirmation und Hochzeit eine wichtige Rolle, für die Impfungen zu werben und sie durchzusetzen.

    Unter der Überschrift: „Gemeinnützige Anstalten im Vaterlande“ berichtete 1806 die „Chronik des Churfürstentums Würzburg“ ausführlich über eine Impfaktion im Landgerichtsbezirk Prölsdorf. Der dortige Justizamtmann Andreas Kummer hatte dort fast sämtliche Kinder gegen die Pocken, auch Blattern genannt, impfen lassen. Berichtet wurde auch darüber, mit welch abenteuerlichen Methoden die weltliche und geistige Obrigkeit in benachbarten Staaten versuchte, die Landbevölkerung zu bewegen, ihre Kinder zum Impfen vorzuführen.

    So machte man darauf aufmerksam, dass Kinder, welche mit Menschenblattern angefallen werden, wie Pestkranke behandelt werden. Sollte ein ungeimpftes Kind auch noch zu Tode kommen, drohte man, die Eltern als die Schuldigen anzusehen.

    Erwähnt wurde ein Vorfall, der möglicherweise auch im Steigerwald verbreitet wurde: Da die vielfältigen Ermahnungen gegen die Trägheit, Verblendung und Vorurteile nicht immer fruchteten, hatte ein böhmischer Geistlicher von seiner Kanzel verkündet, dass er bei jedem Kind, welches an den Blattern stirbt, die Eltern im Kirchenbuch als dessen freventliche Mörder bezeichnen und so ihre Namen dauernder Schande preisgeben werde. Es gab jedoch auch andere Methoden. So durfte ab 1810 nur heiraten, wer gegen Pocken geimpft war und eine entsprechende Bescheinigung vorweisen konnte.

    Hohe Sterblichkeitsrate

    Überschwänglich heißt es in einem Würzburger Blatt: „Auch hier brach endlich der wohlthätige Lichtstrahl der Aufklärung durch die dichten Finsternisse der Vorurtheile, welches man der thätigen Einwürkung des dortigen Beamten (Kummer) zu verdanken hat.“ Wenn die dortigen Mütter mit der Zeit erfahren, dass sie nicht den Verlust ihrer Kinder zu beweinen haben, werden sie für diese Impfung dankbar sein. Schließlich waren vor zwei Jahren in dem 270 Seelen zählenden Geusfeld binnen zwei Monate 16 Kinder an den Pocken verstorben.

    Prölsdorf war damals noch Sitz eines Landgerichtsbezirks, an dessen Spitze der legendäre Justizamtmann und spätere Eltmanner Landrichter Andreas Kummer stand. Dem war von Amtswegen bekannt geworden, dass im Juliusspital in Würzburg unter Leitung zweier renommierter Professoren sich ein Institut etablierte, in welchem Kinder unentgeltlich und erfolgreich geimpft worden sind. Als sich wieder das Gerücht verbreitete, dass im Bamberger Raum „auf eine fürchterliche Weise spuckende Menschenpocken“ wüteten, fasste Kummer den Entschluss, mit gutem Beispiel voranzugehen. Weil er wusste, dass das gute Beispiel die wirksamste Methode ist, andere Menschen zu überzeugen, ließ er als erstes seine eigenen Kinder in seinem Prölsdorfer Amtssitz vom Burgebracher Landgerichtsarzt Dr. Rupp impfen.

    Autorität hilft manchmal

    Acht Tage später begann der Arzt in Gegenwart Kummers in dessen Amtsgebäude mit der Impfung der übrigen Kinder aus dem Amtsbezirk. Kummer begleitete den Arzt auch zu den entlegenen Orten, um notfalls mit seiner Autorität zögernde Eltern zu überzeugen. Insgesamt wurden in Spielhof, Schindelsee, Fürnbach, Neuhaus, Ober- und Untersteinbach, Steinsdorf, Wustviel, Glashütten, Schleichach und Karbach 122 Kinder geimpft. Somit war im ganzen Amt Prölsdorf kein über zwei Monate altes „und in Rücksicht seiner Gesundheitszustände tauglich befundenes Kind mehr, das nicht gegen eine Ansteckung geimpft wäre.“ Nach einem zeitgenössischen Bericht gebühre Kummer und Dr. Rupp „allein das Verdienst vom Fortgang der guten Sache“. Als Initiator und Organisator dieser Impfaktion erhielt Kummer später sogar einen Orden für seinen vorbildlichen Einsatz in seinem Amtsbereich. Unter Hinweis auf die Aktivität im Amt Prölsdorf berichtete ein Regierungsblatt „mit Vergnügen über den Fortgang dieser wohltätigen Erfindung in entfernten Gegenden unseres Vaterlandes“.

    Klugerweise wählte man die für den Landmann bequemen Tage um über die Wichtigkeit der Impfung aufzuklären. Dabei wurden vorhandene Vorurteile abgebaut. Nur hin und wieder zeigten sich Eltern halsstarrig. Die Eltern sollten überzeugt statt gezwungen werden, das „wohltätiger Mittel der Impfung“ zu akzeptieren.

    Oft war es die Kostenfrage, die eine nicht geringe Rolle spielte. Für die hielt Kummer jedoch eine probate Lösung bereit: Armen Leuten, oder solche die zahlen konnten aber nicht wollten, versprach er dennoch eine kostenlose Impfung ihres Nachwuchses. Das notwendige Geld ließ Kummer von den betreffenden Gemeinden aufbringen. Auch sammelte er genügend freiwillige Gaben bei „edeldenkenden Eltern“. Obwohl Dr. Rupp mitunter ziemlich weite Touren größtenteils zu Fuß unternehmen musste, forderte er nie eine Bezahlung für seine Bemühungen. Kummer bemühte sich gleichwohl, dem Arzt nach und nach ihm die eingesammelten Beiträge als Vergütung zukommen zu lassen.

    An anderer Stelle heißt es: „Dem in Rentweinsdorf residierenden Landgerichtsarzt Dr. Hofmann gebührt der Ruhm, der erste gewesen zu sein, welcher um 1802 in Franken die Schutzpockenimpfung im Eberner Amtsbezirk durchgeführt hat. Den Impfstoff bezog er von einem Arzt in Hannover“. Just zu dieser Zeit waren in Aidhausen „etliche 30 Kinder“ an den Blattern gestorben.

    Im „Königlich-Baierischen Regierungsblatt“ heißt es: „Der ehemalige ritterschaftliche Physikus zu Rentweinsdorf, Hofrat Dr. Hofmann, hat sich durch seine unermüdliche und uneigennützige Beförderung der Schutzpockenimpfung ein bleibendes Verdienst um die Gegend erworben.“ Seit 1802 wurden von ihm über 1200 Kinder unentgeltlich und erfolgreich geimpft. Er war es auch, der den Arzt Dr. Diez in Untermerzbach motivierte, der sich in seinem Bereich ebenso hohe Verdienste erworben hat.

    Dr. Volker Grumbach erwähnt in seinem Buch „Pest und Cholera“, dass auch der Haßfurter Arzt Dr. Rebholz bereits 1800 mehreren Kindern des damaligen Vogteiamtes Mariaburghausen sowie in der Stadt Haßfurt Schutzpocken umsonst „einimpfte“.

    1796 hatte erstmals der englische Arzt Edward Jenner einen Jungen mit Kuhpocken infiziert. Erstaunlich schnell haben in unserer Heimat also gleich mehrere Ärzte diese Methode angewendet, um Kinder gegen die gefürchteten Pocken zu immunisieren.

    Als Bayern 1807 weltweit als erstes Land die gesetzliche Pockenschutzimpfung einführte, wehrten sich die zu dieser Zeit zum säkularisierten Bayern gehörigen Tiroler gegen die Impfung. Leute des katholischen Klerus behaupteten, den Tirolern solle heimlich der Protestantismus „eingeflößt“ werden. Die Impfung würde zudem Gottes Werk durchkreuzen und „bayerisches Denken“ einimpfen.

    Eingeimpfte Brutalität

    Gegner der Schutzimpfung hatte es immer schon gegeben. Sogar der große Philosoph Immanuel Kant hatte davor gewarnt, dass mit den Kuhpocken den Menschen auch die „tierische Brutalität“ eingeimpft werde.

    Der ab 1819 in Eltmann tätige Landrichter Andreas Kummer, musste später in seinem Amtbezirk – zu dem auch die Stadt Zeil gehörte – gegen den Widerstand der Bevölkerung eine weitere Pockenimpfung durchführen. Nach dem Ausbruch der Pocken in Dankenfeld rief Kummer als Landrichter 1837 zum dritten Mal zu einer Impfung auf.

    Kummer hatte 1827 angeordnet, bei Ausbruch der Pockenkrankheit sogleich Anzeige zu erstatten. Dies bedeutete jedoch nicht, dass dann eine entsprechende ärztliche und medizinische Hilfe veranlasst worden wäre. Vielmehr war den Behörden in erster Linie daran gelegen, den jeweiligen Ort, in welchem die Pocken ausgebrochen waren, mit einer Quarantäne zu belegen. An den jeweiligen Häusern wurden Schilder angebracht, welche vor dem Betreten warnten. Während des gesamten 19. Jahrhunderts sind die Pocken in unserer Heimat mindestens vier bis fünf Mal aufgetreten.

    „Weiße“ Reinigung

    War ein Pockenkranker bis auf seine ihn künftig zeichnenden Narben genesen oder gar gestorben, ließ der Zeiler Armenpflegschaftsrat das Zimmer mit einer Kalkbrühe desinfizieren. Zeitweise wurden die Kranken im Siechenhaus in der heutigen Telefunkenstraße in Quarantäne gehalten.

    Millionen Tote sind der Krankheit zum Opfer gefallen. Ende der 1960er Jahre sagte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Pocken den Kampf an. Unter dem Motto „Impfungen sind so wichtig wie essen und trinken“ ist es den Medizinern in einer beispiellosen Anstrengung gelungen, das Virus durch Impfungen weltweit zu bekämpfen.

    Die 1874 eingeführte Impfpflicht gegen die Pocken ist seit Mitte der 1970-er Jahre in Deutschland abgeschafft. Durch ein konsequentes Impf- und Bekämpfungsprogramm der Gesundheitsorganisationen wurde erreicht, dass im Jahr 1980 die Welt für pockenfrei erklärt werden konnte. Die gefährlichen Pockenviren werden nur noch in amerikanischen und russischen Hochsicherheitslabors aufbewahrt.

    Splitter rund um das Thema Impfpflicht Überlebende: Friedrich der Große, Joseph Haydn, Amadeus Mozart, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller hatten als Kinder die Pocken und überlebten nur knapp. Angeblich hat die österreichische Kaiserin Maria Theresia nach ihrer Pockenerkrankung alle Spiegel im Schloss verhängen lassen, um ihr entstelltes Gesicht nicht sehen zu müssen. Imbfä: Bis 1980 wurde gegen die Pocken geimpft. Anders als heute wurde der Impfstoff nicht mit einer Spritze, sondern durch das Einritzen in die Haut am Oberarm verabreicht. Das löste eine gewollte Infektion aus, die den Körper dazu anregte, Antikörper gegen die Pocken zu bilden. Nach dem Abschwellen blieben in der Regel zwei ovale Narben zurück. Alte Zeiler nannten sie früher mundartlich „Imbfä“. Man kann sie heute noch bei Leuten sehen die älter als 40 Jahre alt sind. Nur ein Schluck: 1962 haben sich im damaligen Kreis Haßfurt 13 000 Personen unter 40 Jahren an einer Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung beteiligt. Die Impflinge mussten lediglich aus kleinen Plastikbecherchen den in Zuckerwasser enthaltenen Impfstoff schlucken. Weg war er: Von Landrichter Andreas Kummer ist nach den Aufzeichnungen des damaligen Pfarrers eine Begebenheit überliefert, die Einblicke in das Seelenleben der Menschen vor über 200 Jahren gibt. Kummer hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen aus Prichsenstadt stammenden protestantischen Praktikanten namens Ebenauer. Mit diesem hatte er vereinbart, dass der von beiden, der eher stirbt, zurückkommen und dem anderen erzählen solle, wie es in der Ewigkeit aussieht. Am 4. April 1807 starb Ebenauer in Prölsdorf im Alter von 26 Jahren. Nach dessen Tod bekam es Kummer mit der Angst zu tun und er wartete auf die Rückkehr des verstorbenen Praktikanten. Laut Überlieferung zog Kummer zwei Nächte lang seine Dienstuniform nicht aus. Ebenauer kam jedoch nicht wie vereinbart. Impfgegner: An der Charité in Berlin schätzt man den harten Kern der Impfgegner in Deutschland auf höchstens ein Prozent der Bevölkerung. Das wären jedoch immer noch Hunderttausende. (ll)

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