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KNETZGAU: Wasserkontrolleure: Karpfen würden als Erste dran glauben

KNETZGAU

Wasserkontrolleure: Karpfen würden als Erste dran glauben

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    Das Bassin, in dem die Koi-Karpfen und Goldfische schwimmen, fasst 5000 Liter. Es wird mit gereinigtem Abwasser gespeist.
    Das Bassin, in dem die Koi-Karpfen und Goldfische schwimmen, fasst 5000 Liter. Es wird mit gereinigtem Abwasser gespeist. Foto: Fotos: Michael Mößlein

    Wer an Coca-Cola und Knetzgau denkt, dem kommt süße Brause in den Sinn. Mancher erinnert sich an unterschiedliche Geschmacksrichtungen. Andere denken im Zusammenhang mit dem Unternehmensstandort im Maintal an einen der großen Arbeitgeber im Landkreis Haßberge. An die Rolle, die dort 18 Fische spielen, denken allenfalls Insider. Dabei arbeiten diese schon länger für den Getränkehersteller, als die meisten der 450 Beschäftigten des Betriebs.

    Ihr Arbeitsplatz ist die Kläranlage. „Sie sind Mitarbeiter der ersten Stunde“, sagt Klärwärter Stephan Götz über seine „Kollegen“. In einem Raum des Betriebsgebäudes am östlichen Rand des Coca-Cola-Geländes im Knetzgauer Gewerbegebiet steht ein Bassin, das 5000 Liter Wasser fasst. Darin schwimmen europäische Koi-Karpfen. Zwischen ihnen tummeln sich einige deutlich kleinere Goldfische. Die Fische haben dort ihr Revier, seit die Kläranlage vor 20 Jahren ihren Betrieb aufgenommen hat. Koi-Karpfen können 60 Jahre alt werden, erklärt Berthold Götz (52), der Leiter der Qualitätssicherung am Coca-Cola-Standort in Knetzgau, der auch stellvertretender Werksleiter ist.

    Wenn's nicht passt, reagieren die Fische

    Dass sich die Karpfen seit so langer Zeit offensichtlich pudelwohl fühlen, ist ein gutes Zeichen. Denn in das Bassin, in dem sie schwimmen, fließt ein Teil der etwa 800 000 Liter gereinigten Abwassers, die der Getränkehersteller pro Tag zwei Kilometer entfernt in den Main einleitet. Die Fische sind sogenannte Bio-Indikatoren. Falls etwas mit der Kläranlage nicht passt und das gereinigte Wasser zu viele Giftstoffe enthält, dann würden die Fische schnell darauf reagieren. Sie würden nach Luft schnappen oder im Extremfall kieloben im Wasser treiben. Doch dazu kam es noch nie, versichert Berthold Götz.

    Die Kläranlage des Coca-Cola-Werks in Knetzgau steht am östlichen Rand des Geländes. Sie ging vor 20 Jahren in Betrieb.
    Die Kläranlage des Coca-Cola-Werks in Knetzgau steht am östlichen Rand des Geländes. Sie ging vor 20 Jahren in Betrieb. Foto: Michael Mößlein

    Der Einsatz der Fische ist quasi das Netz mit doppeltem Boden für die werkseigene Kläranlage, eine Art letzte Kontrolle, bevor das geklärte Wasser das Werksgelände verlässt. Bevor es ins Fisch-Bassin fließt, wird es bereits im Labor geprüft – doch man weiß nie. Die deutschen Gesetze schreiben den Einsatz solcher zusätzlicher Bio-Indikatoren für Kläranlagen nicht vor. Doch der weltweit agierende Getränkeproduzent, so berichtet es Berthold Götz, schreibe dies für seine Standorte mit eigenen Kläranlagen vor. Er legt in seinem „Wastewater-Manual“ (Abwasser-Handbuch) sogar fest, welche Fischarten hierfür einzusetzen sind. Je nachdem, in welchem Land eine Kläranlage steht, sind unterschiedliche Fische vorgeschrieben.

    Der im Jahr 1978 eröffnete Standort in Knetzgau ist der einzige der 18 Produktionsbetriebe von Coca-Cola in Deutschland mit eigener Kläranlage. Weltweit haben laut Berthold Götz nur sieben Werke eine eigene Kläranlage. Die restlichen leiten ihre kompletten Abwässer in das örtliche Kanalnetz ein – und zahlen dafür einen ordentlichen Batzen Geld. Dabei zeige die Kläranlage im Knetzgauer Werk, dass sich deren Betrieb für das Unternehmen nicht nur rechnet, meint der stellvertretende Werksleiter. Die Kläranlage spare dem Unternehmen pro Jahr sogar noch Geld.

    Wer sich die 1500 bis 2000 Kubikmeter Leitungswasser vor Augen hält, die das Knetzgauer Werk täglich bezieht, bekommt ein Gefühl für Dimension, um die es hier geht. Im vergangenen Jahr wurden in Knetzgau, einem der größten deutschen Produktionsstandorte, laut dem Unternehmen gut 480 Millionen Liter als Ein- und Mehrweggetränke abgefüllt; das entspricht 63 Millionen Kisten. Doch im gleichen Zeitraum fiel etwa die gleiche Menge Abwasser an, hauptsächlich durch das Spülen des Leerguts sowie der Abfüllanlagen. Dieses Abwasser – nicht jedoch die sonstigen Abwässer, etwa von Toiletten – fließt in die eigene Kläranlage.

    In der Kläranlage gelangt das Abwasser zunächst in drei je 300 Kubikmeter große Ausgleichsbehälter, erklärt Berthold Götz. In den Behältern vermischt sich das Abwasser. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil der Zuckergehalt des Abwassers schwankt, je nachdem, wie viel Zuckerrückstände sich in den zu spülenden Flaschen und Anlagen befunden haben. Doch die Bakterien, die im folgenden Vorversäuerungsbecken den pH-Wert der Klärbrühe neutralisieren, kämen mit solchen starken Schwankungen nicht zurecht.

    Biogas wird zum Heizen verwendet

    Etwa drei Viertel der ankommenden Klärfracht wird laut Berthold Götz anaerob abgebaut, also ohne Sauerstoff. Dabei entsteht kein Klärschlamm. Es fällt allerdings Biogas an, das das Unternehmen wiederum zum Heizen nutzt, was den Erdgasverbrauch um bis zu einem Fünftel senkt und dazu beiträgt, die Wirtschaftlichkeit der Kläranlage zu steigern.

    Berthold Götz, der stellvertretende Werksleiter, füttert die Fische in ihrem Bassin.
    Berthold Götz, der stellvertretende Werksleiter, füttert die Fische in ihrem Bassin. Foto: Michael Mößlein

    Die Betreuung der Indikator-Fische obliegt den beiden Klärwärtern am Standort Knetzgau. Diese teilen sich eine Stelle in der Kläranlage. So steht Stephan Götz, wenn er Dienst hat, nicht nur im Labor und prüft dort nach den in jeder Kläranlage üblichen Messverfahren die Abwasserwerte. Zu seinen Aufgaben zählt auch das Füttern der Koi-Karpfen und Goldfische. Wenn die tägliche Fütterungszeit gekommen ist, klopft er dreimal ans Fisch-Bassin. Dies ist für die Fische das Zeichen, dass es gleich etwas gibt. Dann kippt er einen Becher ganz normales Futter für Teichfische ins Wasser. Unmittelbar darauf kommt Leben ins Wasser und die schon wartenden Fische schießen an die Wasseroberfläche und schnappen nach den auf dem Wasser schwimmenden Futter-Bröckchen.

    Das Alleinstellungsmerkmal, das die Kläranlage dem Knetzgauer Werk unter den deutschen Standorten des Getränkeherstellers verleiht, macht die Verantwortlichen vor Ort stolz. So lernen alle Auszubildenden, ganz gleicher welcher Fachrichtung, die Kläranlage mehrere Tage lang kennen.

    Besuchergruppen, die durch die Produktionsanlagen geführt werden, seien regelmäßig positiv überrascht, wenn sie zur Kläranlage kommen, berichtet der stellvertretende Werksleiter, erst recht, wenn sie die Fische sehen und erfahren, weshalb diese dort gehalten werden.

    Die eigene Kläranlage auf dem 200 000 Quadratmeter großen Betriebsgelände hat für Berthold Götz aber auch noch eine weitere wichtige Bedeutung: „Mit dem geklärten Abwasser geben wir der Natur wenigstens einen Teil des Wassers, das wir brauchen, wieder zurück.“ Vor dem Hintergrund des großen Wasserverbrauchs des Unternehmens ein nachvollziehbares Argument.

    Gemeinde begrüßte Werkskläranlage

    Klärwärter Stephan Götz prüft den Sauerstoffgehalt des Wassers.
    Klärwärter Stephan Götz prüft den Sauerstoffgehalt des Wassers. Foto: Michael Mößlein

    Die Entscheidung für eine werkseigene Kläranlage fiel in den 90er Jahren, nach fast 20 Betriebsjahren. Wie Knetzgaus Bürgermeister Stefan Paulus auf Anfrage erklärt, musste die Gemeinde seinerzeit in die Kläranlage, die die Abwässer aus den Ortsteilen Knetzgau, Zell und Westheim aufnimmt, investieren. Es musste abgewogen werden, die Kläranlage, die für eine Kapazität von 19 000 Einwohner-Gleichwerten ausgelegt ist, um 15 000 aufzustocken, falls das Coca-Cola-Werk weiter seine Abwässer einleitet.

    Dies hätte mehrere Millionen gekostet, die die Gemeinde nicht hätte stemmen können, sagt Paulus. Deshalb habe man das Unternehmen vom Zwang, seine Abwässer komplett ins örtliche Kanalnetz einzuleiten, befreit und sei froh gewesen, dass auf dem Werksgelände eine eigene Kläranlage entstand.

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