Vielleicht das dramatischste Ergebnis, das der Wahlabend gebracht hat: Gerade noch knapp über zehn Prozent der Wähler gaben der SPD ihre Stimme im Haßbergkreis. Eine Woche ist die neue Kreisvorsitzende Johanna Bamberg-Reinwand im Amt. Sie nimmt das Ergebnis beinahe sarkastisch auf: "Wir können nicht mehr tiefer fallen", sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Traurig sei sie, dass die SPD beim bestimmenden Thema Klimaschutz offenbar keine wichtige Rolle spielt. Bamberg-Reinwand: "Wir können nicht das wettmachen, was die Bundespartei verschlafen hat". Sie blickt aber am Wahlabend vor allem nach vorne: "Wir müssen noch mehr die Basis motivieren, auf die Straße gehen, Klinken putzen".
Anders ist die Stimmungslage bei den Bündnisgründen. Vorstandsmitglied Harald Kuhn: "Ich schwebe einen halben Meter über dem Boden". Den Grund, dass die Grünen ihr Ergebnis im Landkreis mit knapp 13 Prozent beinahe verdoppelt haben, sieht er auch darin, dass die Partei geschlossen aufgetreten sei, ein "guter Spirit" deutlich wurde. Wie die SPD-Vorsitzende Bamberg-Reinwand kann er der Wahl zudem als positiv abgewinnen, "dass die Radikalen nicht so zugelegt haben, wie zu befürchten war".
Vogel: "Trendwende geschafft"
Mit dem Ergebnis könne man durchaus zufrieden sein, sagt CSU-Kreisvorsitzender Steffen Vogel. Auch wenn seine Partei mit rund 46 Prozent zweieinhalb Punkte unter der letzten Europawahl liege, bedeute dies im Verhältnis zum Ergebnis der Landtagswahl eine Trendwende. Was ihn begeistere: die hohe Wahlbeteiligung von rund 61 Prozent. Das zeige, dass viele Menschen "Ja" sagten zu Europa.
Und dieses "Ja" wurde auch in Gesprächen am späten Nachmittag beim Wahllokal in der Haßfurter Stadthalle deutlich. Rund ein halbes Jahrhundert liegt zwischen den beiden Frauen und dennoch ist ihre Antwort frappierend identisch: Weil ihnen nicht egal ist, was mit Europa passiert, sagen Rosel Hölzner aus Mariaburghausen und eine 28-jährige Haßfurterin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen will.
Werbung in den sozialen Netzwerken
Warum es der 28-jährigen Haßfurterin wichtig ist, zur Wahl zu gehen: So oft habe man nicht die Möglichkeit, mitzubestimmen. Darum nimmt sie diese Gelegenheit auch wahr. Denn wer nicht wähle, vergebe seine Stimme. Dass es den Eindruck gebe, dass viele junge Menschen zur Wahl gegangen sind, das sieht sie auch als Ergebnis der Werbung für die Europawahl in den sozialen Netzwerken.
Rosel Hölzner ist mit ihrem Mann Reinhard kurz nach 17 Uhr zur Wahl gekommen. Eine ruhige Zeit haben sie erwischt. Am Nachmittag war dies anders, berichten Wahlvorstand Hans Weber und seine Kolleginnen Ingrid Heimrich und Katharina Tschischka.

Was Weber aufgefallen war: Es waren viele junge Leute und junge Familien gekommen. Weber schmunzelnd: "Wir hätten zeitweise gar einen Kindergarten aufmachen können." Und er fährt fort: Aber das sei ja gerade positiv, dass sich auch junge Menschen für die Zukunft Europas interessieren. Und Katharina Tschischka fügt hinzu: Es sei doch schön, wenn Kinder beim Wählen dabei sind, "wenn schon früh Demokratie eingeübt wird".
Für eine 30-Jährige aus Haßfurt, die ebenfalls nicht genannt sein will, stellt sich die Frage, zur Wahl zu gehen oder nicht, überhaupt nicht, denn: "Das Wahlrecht wurde hart erkämpft, überhaupt das Frauenwahlrecht."
Alle Zahlen zur Europawahl - auch aus den einzelnen Gemeinden im Landkreis Haßberge - gibt es unter
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