Einer dieser Postbeamter heißt Rainer Hofmann und wohnt in Breitbrunn. Der ist normalerweise für die Geschäftskunden in Bamberg zuständig. In dieser Nacht aber wirft er sich einen Zauberermantel um, setzt sich einen schwarzen spitzen Hut auf den Kopf und lässt sich von seiner Frau Heike mit 23 druckfrischen Potter-Büchern im Auto rund hundert Kilometer quer durch den Landkreis fahren. Mit dabei ist auch sein Sohn Timo - stilecht als Zauberlehrling verkleidet.
045 Uhr: Rainer Hofmann hält in Ebelsbach. Er steht vor einem dunklen Haus und klingelt. Nichts. Hofmann wartet. Er klingelt wieder und klopft gegen die Tür. Nach längeren Warten gehen die Lichter in dem Haus an. Eine ältere Dame öffnet, steht im Nachthemd und mit zerzaustem Haar vor dem seltsamen Postboten im Zaubererkostüm und schaut ihn verdutzt mit einem Anflug von Fassungslosigkeit an. Hofmann stellt sich freundlich lächelnd vor und erklärt: "Ich komme von der Post. Es handelt sich um eine Nachtzustellung."
Die Oma schaut auf das Potterpäckchen, überlegt kurz und dann fällt ihr ein: "Oh, das hat mein Enkel bestellt. Der hat das Klingeln wohl nicht gehört und schläft oben." Sie nimmt das Buch entgegen und will es am Morgen ihrem Enkel geben. Hofmann verabschiedet sich, wünscht eine gute Nacht und schon geht's weiter nach Gleisenau.
Angekommen. Hier brennen noch die Lichter im Haus. Hofmann klingelt einmal und muss nicht warten. Doris Melber hat zwar schon ihren Schlafanzug an, aber: "Schlafen kann ich in dieser Nacht nicht. Ich werde jetzt gleich anfangen zu lesen. Ich teile mir das Buch mit meinem Sohn, der ist genauso gespannt auf die neuen Abenteuer von Harry Potter wie ich", freut sie sich und reist gleich das Päckchen auf. Zum Plaudern hat Postbeamte Hofmann keine Zeit. Er muss weiter.
"Einige standen recht verwirrt an der Haustüre"
Rainer Hofmann nächtlicher Postbote
Es stehen noch weitere Adressen auf dem Plan. Sein Weg führt ihn weiter nach Kirchlauter, dann über Königsberg bis nach Neubrunn in den heiligen Ländern. "Ich muss mich beeilen, dass ich alle Lieferungen bis etwa zwei Uhr schaffe", macht der Postbeamte deutlich.
Wie es in der Nacht weiter lief, erzählt Hofmann am Tag darauf am Telefon. "Die Aktion lief gut. Einige der Empfänger hatten ihre Bestellung allerdings wieder vergessen und sind etwas verwirrt an die Haustüre gekommen und fragten sich wohl erst einmal, was denn der Briefträger mitten in der Nacht von ihnen wollte." Punkt 220 Uhr lieferte Hofmann sein letztes Buch in Neubrunn ab, wo die Kunden schon auf ihn gewartet haben, denn er musste gar nicht erst klingeln, bevor schon die Türe aufgerissen wurde. Der Postbeamte wurde alle 23 Bücher los.
Übrigens: Sein Sohn, der Zauberlehrling Timo, muss sich noch etwas gedulden mit Band sechs. Timo liest erst noch die älteren Bände, bevor er sich mit Harry Potter und dem mysteriösen Halbblutprinz auseinander setzt.
Stichwort
Verkaufsschlager Harry Potter
Bereits vor der Veröffentlichung hatte sich "Harry Potter und der Halbblutprinz" als Verkaufsschla- ger erwiesen. Beim Internethänd- ler Amazon waren drei Tage vor der Veröffentlichung über 200 000 Vorbestellungen eingegangen. Damit avancierte "Harry Potter und der Halbblutprinz" zum meist- vorbestellten Buch der Unterneh- mensgeschichte.