Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

KREIS HASSBERGE: „Wenn sich nichts ändert, ist der Ofen aus“

KREIS HASSBERGE

„Wenn sich nichts ändert, ist der Ofen aus“

    • |
    • |

    Die Müdigkeit steckt Daniel Bethmann, 30-jähriger Milchbauern aus Rügheim noch in den Knochen. Die vergangenen beiden Nächte hat er kaum geschlafen. Mit fünfzig Milchbauern aus der Region ist er nach Brüssel gefahren, um vor dem EU-Ratsgebäude zu demonstrieren. Endlich faire Preise für ihre Milch haben sie gefordert.

    Es ist sechs Uhr morgens, das monotone Klicken der Melkanlage hallt durch den Melkstand. Bethmann gähnt. Einer Kuh nach der anderen stülpt er das Melkgeschirr über die Zitzen. Seine Mutter hilft ihm täglich, manchmal muss sie auch alleine ran, wenn er mit dem Bundesverband deutscher Milchviehbetreiber (BDM) unterwegs ist.

    „Die Treffen und Aktionen des BDM machen mir Mut. Mit den anderen Bauern diskutieren und kämpfen, das motiviert mich an schweren Tagen weiterzumachen“, sagt er und sein müder Blick weicht aus dem Gesicht, als er begeistert zu erzählen beginnt: von Demonstrationen in Brüssel, vom Treffen mit Angela Merkel in Bad Kissingen, dem BDM und seinen Aktionen. Neben dem Bauernverband ist der BDM offiziell der wichtigste Vertreter der Milchbauern. Doch statt Zusammenhalt herrscht zwischen den beiden Verbänden Streit. Die Milchbauern, die mit Bethmann im Bus nach Brüssel gereist sind, sind aus dem Bauernverband aus- und dem 1998 gegründeten BDM beigetreten. Sie haben sich alleine gelassen gefühlt.

    Betriebe stehen vor dem Aus

    „Der Bauernverband vertritt doch nur noch die Interessen der großen Molkereien und Massenbetriebe und sieht zu, wie die Mittelstandbetriebe dem Bankrott entgegengehen“ sagt Hans-Hermann Nöhring, ein Bauer aus Neustadt/Aisch. „Wir fordern, dass die Milchquote nicht abgeschafft wird und auch nicht weiter erhöht wird. Das kostet niemanden etwas und wir bekommen endlich einen fairen Preis für unser Produkt“ sagt Bethmann. Die Milchquote wurde 1984 eingeführt und sollte die Milchmenge begrenzen, die jeder Landwirt produzieren darf. Überproduktion sollte verhindert, die Preise sollten stabilisiert werden. „Aber sie wurde nie richtig angewendet“, klagen die fränkischen Milchbauern.

    Sie fordern deshalb mit dem BDM, dass Bauern, die zu viel Milch produzieren, bestraft werden. Das lehnt der Bauernverband ab. Er will mehr Subventionen für den Export von Milch. Aber Bauern wie Bethmann wollen das nicht. „Wir wollen keine Zuschüsse, wir wollen dem Steuerzahler nicht auf der Tasche liegen“, sagt ein Bauer aus Mellrichstadt. Und: „Es kann doch nicht sein dass Mineralwasser teurer ist als Milch.“ Doch der Bauernverband sitzt scheinbar am längeren Hebel. Es ist dessen Vorsitzender Gerd Sonnleitner, dem Merkel und die Minister Gehör schenken.

    Von neun Uhr morgens bis fünf Uhr abends demonstrierten die fränkischen Bauern auf dem Place Schuman in Brüssel. Gegen Mittag fuhren mehrere hundert Schlepper hupend ins Regierungsviertel ein. Außer ihnen waren fast 5000 Demonstranten zusammengekommen.

    Belgier und Franzosen schossen gehäckseltes Stroh in die Luft, ließen literweise Gülle in die Straßen des Brüsseler Regierungsviertels laufen. Autoreifen wurden verbrannt, dicke dunkle Rauchwolken stiegen in den Himmel. In Kombination mit den Polizeisirenen kam fast Bürgerkriegsartige Stimmung auf.

    Als Gerd Sonnleitner vor dem Gebäude auftauchte, schlug auch die Stimmung bei den bis dahin friedlichen deutschen Bauern um: Buhrufe, Eier flogen, Kastanien und sogar eine hölzerne Mistgabel. „Bauernmörder“ und „Judas“ skandierten sie. Sonnleitner verschwand wieder im Ratsgebäude. Für die meisten Anwesenden ist er die Personifikation ihrer schlechten Situation. Ihr Held und Hoffnungsträger ist Romuald Schaber, der Vorsitzende des BDM.

    Er versucht die aufgebrachten Bauern zu beschwichtigen: „Hartnäckigkeit und Geduld. Aber keine radikalen Maßnahmen.“ Per SMS kommunizierten die Agrarminister aus dem Ratsgebäude mit Schaber auf dem Place Schuman. Am Ende verkündet er ein enttäuschendes Ergebnis: Keine Änderung in Sicht. Doch die Bauern sind überzeugt auf diesem inoffiziellen Treffen der Agrarminister ein Zeichen gesetzt zu haben und wollen weiterkämpfen.

    „Am 19. Oktober geht es nach Luxemburg. Wieder demonstrieren und diesmal – heißt es – sollen konkrete Entscheidungen fallen“, sagt Bethmann. Gerade hat er die letzte Kuh gemolken. Dass er wieder dabei ist, ist für ihn klar: „Wenn sich bis spätestens Mitte nächsten Jahres nichts ändert, ist der Ofen aus. Dann müssen wir dicht machen.“

    Bauern gehen an die Reserven

    Seit Sommer 2008, macht seine Milchwirtschaft nur noch Minus. Die Reserven, die er vor zwei bis drei Jahren ansparen konnte, als der Milchpreis hoch war, sind zwar noch nicht ganz aufgebraucht, aber so weit will er es auch nicht kommen lassen. Ohne den Verdienst seines Vaters, der inzwischen fünf Tage die Woche als Klauenpfleger arbeitet, stünden sie schlecht da, sagt er.

    Einschränken müssten sie sich vor allem beim Tierarzt. „Diese Kosten können wir nicht mehr tragen“, sagt Bethmann. Bei der ein oder anderen Kuh müsse man auf die Behandlung verzichten und hoffen, dass sie sich wieder erholt. Oder sie komme eben eher zum Metzger. Ein Verlust für den Bauern, nicht nur wirtschaftlich. „Man hängt an seinen Tieren, das ist doch klar“, sagt der Bauer.

    Motivation zum Durchhalten

    100 Hektar müsse er bewirtschaften, 48 Kühe versorgen und im Jahr 400 000 Liter Milch liefern, 1100 Liter am Tag. Dass der Job als Bauer hart ist, man bei Wind und Wetter, trotz Krankschreibung in den Stall muss, wenn andere im Bett bleiben können, haben sie natürlich von vornherein gewusst. „Die Arbeit hat uns aber trotzdem immer Spaß gemacht“, sagt er. Doch jetzt fehle die Motivation, das durchzuhalten, da sie jeden Monat Miese machten. Einziger Trost für viele Milchbauern sind die EU-Subventionen, die im Herbst ausgezahlt werden. Doch langfristig sei das keine Lösung.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden