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SAILERSHAUSEN: Wissenschaftler bauen einen Urwald

SAILERSHAUSEN

Wissenschaftler bauen einen Urwald

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    Uni-Kanzler Uwe Klug, Forstamtsleiter Hans Stark und Professor Jörg Müller (von links) lassen sich von Projektleiter Michael Junginger (rechts) die Funktionsweise einer Insektenfalle erklären. Diese soll später Erkenntnisse über die Artenvielfalt liefern.
    Uni-Kanzler Uwe Klug, Forstamtsleiter Hans Stark und Professor Jörg Müller (von links) lassen sich von Projektleiter Michael Junginger (rechts) die Funktionsweise einer Insektenfalle erklären. Diese soll später Erkenntnisse über die Artenvielfalt liefern. Foto: Foto: Peter Schmieder

    Das Zusammenspiel der Tier- und Pflanzenwelt ist äußerst komplex. Welche Bäume schaffen einen Lebensraum für welche Tierart? Und wie wirken sich Veränderungen im Baumbestand eines Waldes auf die Artenvielfalt aus? Diesen Fragen möchte die Uni Würzburg mit einem deutschlandweit einmaligen Forschungsprojekt im Sailershäuser Wald nachgehen. Am Mittwoch nutzten die Verantwortlichen die Gelegenheit, der Presse sowie Uwe Klug, dem Kanzler der Universität, zu zeigen, was sie dort vorhaben.

    „Der liebe Gott macht tolle Sachen, aber man kann sie so schlecht auswerten“, sagt Jörg Müller, Professor für Tierökologie und Tropenbiologie. Wenn beispielsweise ein Sturm über ein Waldgebiet hinwegfegt, wirft er in kurzer Zeit zahlreiche Bäume um und verändert damit auch den Lebensraum der stehengebliebenen Bäume sowie der Waldtiere. Doch die Natur bringt selten eine Änderung alleine, und so ist es für die Wissenschaftler letztlich schwer, nachzuvollziehen, welche Veränderung im Tierbestand mit welcher Veränderung beim Baumbestand zusammenhängt.

    Künstliche Vielfalt

    Auf genau solche Fragen soll nun die Forschung der Uni Würzburg Antworten liefern: Anstatt die Situation anhand von natürlichen Ereignissen zu untersuchen, wollen die Forscher nun experimentell vorgehen. „Wir betreiben hier Grundlagenforschung: Warum ist der eine Wald artenreicher als der andere?“, erklärt Professor Müller.

    Dafür wurden vier Blöcke von jeweils rund 20 Hektar aus der normalen Waldbewirtschaftung herausgenommen. Jörg Müller beschreibt jede dieser vier Flächen als „in sich sehr homogen“, so dass die Wissenschaftler innerhalb eines Blocks relativ ähnliche Ausgangsbedingungen annehmen können. Nun wurde jeder Block wiederum in 15 Versuchsflächen unterteilt, die beobachtet und mit unterschiedlichen Methoden untersucht werden. Dabei soll auf den Probeflächen unterschiedlich eingegriffen werden – von starken Veränderungen bis hin zu naturbelassenen Stellen.

    „Wir schaffen die Vielfalt künstlich“, beschreibt Jörg Müller das Vorgehen. Etwas flapsiger könne man auch sagen: „Wir bauen unseren Urwald.“ Dabei beschreibt der Professor das Vorgehen der Wissenschaftler: „Man sucht immer die Extreme.“ Das lässt sich unter anderem am Umgang mit Totholz, also den Überresten abgestorbener oder gefällter Bäume, beobachten. Im normalen Forstbetrieb würden dicke Stämme üblicherweise zur Nutzung abtransportiert, während die Wurzeln im Boden bleiben und die Baumkrone im Wald liegen bleibt, weil der Abtransport zu unwirtschaftlich wäre. Bei den Untersuchungen der Uni Würzburg soll nun in einigen Bereichen sämtliches Totholz im Wald bleiben, an anderen Stellen ist eine Stockrodung vorgesehen, bei der ein Bagger auch die Wurzeln aus dem Boden holt, um so wenig Totholz wie möglich im Wald zurückzulassen.

    An wieder anderen Stellen ist ein relativ „normaler“ Umgang mit dem Wald geplant, so wie ihn auch ein Förster bewirtschaften würde. „Das Ziel ist es, krasse Gegensätze zu schaffen“, erklärt Jörg Müller.

    Insektenfallen und Horchboxen

    Und warum gerade Sailershausen? Das hängt unter anderem mit der Nähe zu Fabrikschleichach zusammen. Dort betreibt die Uni Würzburg eine Ökologische Station, in der auch einige der bei Sailershausen genommenen Proben ausgewertet werden. Allerdings haben die Würzburger Forscher rund um den Steigerwaldort keinen Universitätswald. Den gibt es dafür bei Sailershausen.

    „Es kommen schon die ersten Anfragen“, berichtet Hans Stark, Leiter des Universitätsforstamtes in dem Haßfurter Ortsteil. So wollen Leute wissen, warum neuerdings unter anderem Insektenfallen und andere Dinge im Wald hängen. „Wir wollen die Bevölkerung aufklären“, begründet der Förster den Pressetermin. Zu dieser Gelegenheit begleitete auch Unikanzler Uwe Klug die Projektverantwortlichen in den Wald, um sich das Forschungsprojekt seiner Universität anzusehen.

    Mit dabei war auch Forstwissenschaftler Michael Junginger, der Projektmanager der Untersuchungen im Sailershäuser Wald. Er erklärte unter anderem, wie die Insektenfallen funktionieren, die nun im Wald aufgestellt und aufgehängt sind. Durch die gefangenen Tiere soll schließlich untersucht werden, welche Tierarten in welcher Zahl vorkommen, und wie sich diese Zahlen durch die Eingriffe im Wald verändern. Eine weitere Methode, um das Vorkommen bestimmter Arten zu überprüfen, sind Horchboxen, die die Geräusche in ihrer Umgebung aufzeichnen, so dass die Forscher beispielsweise anhand des Vogelgezwitschers erkennen können, welche Vogelarten im betreffenden Teil des Waldes leben. Auch Nistkästen wurden im Wald aufgehängt.

    Ein weiteres Mittel zur Untersuchung der Biodiversität sind Holzstücke, die im Wald aufgehängt sind; in jedem Untersuchungsabschnitt jeweils eines von einem Nadelbaum und eines von einem Laubbaum. Später soll analysiert werden, welche Pilzarten darin leben.

    „Im Moment sind wir noch in der langweiligsten Phase“, meint Jörg Müller. Denn derzeit ist außer den Tierfallen und Horchboxen im Wald noch nicht viel zu erkennen. Das wird sich im Herbst ändern, wenn die geplanten Eingriffe im Wald anstehen. Rund zwei Wochen wird es dauern, bis alle Bäume nach Wunsch der Wissenschaftler bearbeitet sind. Die Methoden gehen vom Fällen von Bäumen über Beschädigungen, die den Baum töten, so dass stehendes Totholz übrig bleibt, bis hin zu Beschädigungen, von denen sich ein Baum wieder erholen kann. Erledigen soll das eine Vollerntemaschine.

    Erkenntnisse für Förster

    Laufen soll das Projekt insgesamt acht bis neun Jahre. Für die ersten zwei davon wird es von der Bundesumwelthilfe mit 122 900 Euro gefördert. Forstamtsleiter Hans Stark verspricht sich von den Untersuchungen auch Erkenntnisse für die Waldbewirtschaftung. Unter anderem erhofft er sich auch eine Antwort auf die Frage, ob es wirklich eine gute Idee ist, wie aktuell üblich nach einem Sturm möglichst schnell alles Totholz aus dem Wald zu holen.

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