Kunststoff-Kompetenzzentrum – dieser Begriff, der in jüngster Zeit immer häufiger im Landkreis Haßberge aufgetaucht ist, wird in Zukunft wohl noch zum geflügelten Wort werden. Der Landkreis Haßberge hat nämlich vor, das berichtete Landrat Wilhelm Schneider am Mittwochabend exklusiv im Rahmen eines Pressegesprächs, ein solches Technologietranferzentrum zu gründen. Sitz soll Haßfurt werden, weil die Kreisstadt über eine gute verkehrstechnische Anbindung an Schweinfurt und Würzburg verfügt. Zudem bilden die in Königsberg und Haßfurt mit Umgebung geballt beheimateten Firmen einen Schwerpunkt in der weltweiten Herstellung von Kunststoff-Wellrohren. Zudem sind von den rund 4600 „Kunststoff“-Arbeitsplätzen in der Region Main-Rhön alleine 4000 im Landkreis Haßberge angesiedelt.
Die gute Anbindung nach Schweinfurt und Würzburg ist deshalb so wichtig, weil für die Gründung einer solchen Einrichtung die Mitwirkung der Fachhochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg und Schweinfurt (FHWS), des Kunststoffzentrums SKZ Würzburg, der IHK Mainfranken und der hier in einer „einzigartigen Dichte“ beheimateten Hersteller intelligenter Kunststoff-Wellrohrsysteme notwendig ist, so der Landrat. Mit diesen Organisationen und Unternehmen wurden inzwischen Gespräche geführt und alle Akteure haben sich darauf geeinigt, ein Konzept für ein solches Technologietransferzentrum zu erstellen. Inzwischen wurde auch bereits damit begonnen, um die politische Unterstützung in der Region zu werben. Das ist deshalb besonders wichtig, da es gilt, das Bayerische Wirtschaftsminiterium von der Notwendigkeit der Einführung des Zentrums zu überzeugen. „Zur Zeit will man nicht so viele dezentrale Standorte in Bayern“, erklärte der Landrat einen Trend, der dem Zentrum im Wege stehen könnte. Daher sei es von elementarer Bedeutung, dass sämtliche Unternehmen, die wegen einer Mitarbeit angesprochen wurden, auch den Bedarf einer solchen Einrichtung deutlich bejaht hätten.
Auslöser für Überlegungen, die zu einem Konzept für ein Kunststoff-Kompetenzzentrum geführt haben, war der Regionalplan. „Als wir uns den betrachtet haben“, so Wilhelm Schneider, „mussten wir feststellen, dass der Landkreis Haßberge im Wirtschaftsteil gar nicht auftaucht – quasi ein weißer Fleck.“ Deshalb habe man sich überlegt, „in welchen Bereichen sind wir stark?“, und das Ergebnis, das da Kunststoffkompetenz lautete, gleich in die Mainfranken GmbH eingebracht. Es sei auch von Vorteil gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt Otto Kirchner, geschäftsführender Gesellschafter der „Fränkischen“ in Königsberg – die auch im Kompetenzzentrum federführend sein soll –, Präsident der Industrie- und Handelskammer war. Daraus habe sich das Projekt entwickelt und inzwischen sei man zwar „einen Schritt weiter, aber dennoch erst am Anfang“ der Entwicklung, umreißt der Landrat den Status Quo.
„Wir haben keine Uni oder Fachhochschule“, so Schneider, „aber einen Schwerpunkt in der Produktion neuer Materialien, sprich Wellrohre. Unsere Zukunftschancen sehen wir deshalb in der qualitativen und kooperativen Weiterentwicklung als ländliche Bildungsregion, um der Abwanderung von jungen Generationen entgegenzuwirken.“ Gute Grundlagen für eine „lebenslange Bildungsvielfalt“ seien im Landkreis mit Ausnahme eben von hochschulischen oder Forschungseinrichtungen geschaffen. „Nun gilt es, auch diese Lücke – unter Beteiligung unserer Unternehmen – zu schließen.“
Auf Grundlage dieser Überlegungen entstand die Idee der Gründung des Technologietransferzentrums „Smart Polymer Pipe Systems“, das zusammen mit Hochschulen und Forschungsinstituten der Region umgesetzt werden soll. Ein solches Zentrum würde Unternehmen den einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen wie Laboren, Maschinen, Wissenschaftlern und Studierenden ermöglichen sowie die Bearbeitung von wissenschaftlichen Fragestellungen in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule und unter Bezugnahme von Fördergeldern. Landrat Schneider nennt in dem Zusammenhang als Beispiel die Frage des umweltfreundlichen Recyclings von Wellrohren, was hier erforscht werden könnte.
Parallel lernen Unternehmen in Projekten arbeitende Studenten als mögliche zukünftige Mitarbeiter kennen. Die Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen erhalten durch Studenten und Wissenschaftler einen vielfachen Zugang zu praxisrelevanten Themen und Projekten und zu den Unternehmen. Durch den einmaligen Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik an der FHWS seien bereits weitreichende Kompetenz und ein großes Betreuungspotenzial vorhanden, so der Landrat.
Das Konzept ist auch eines der 17 Leitprojekte der Mainfranken GmbH. Mit der Etablierung einer derartigen Bildungseinrichtung wäre „ein wichtiger Baustein zur Sicherung von Fachkräften“ umgesetzt. Weiterhin sei angedacht, durch die Bausteine „Duale Ausbildung“ und „Fortbildung und Qualifizierung“ sowie durch berufsbegleitende Studiengänge das Spektrum des Kunststoffkompetenzzentrums abzurunden. Eng mit dem Aufbau des Zentrums verbunden sein soll die Schaffung einer Stiftungsprofessur, die zunächst über fünf Jahre finanziert werden müsse. Denn Studenten soll auch die Möglichkeit geboten werden, über eine Mitwirkung an Projekten im Kunststoff-Kompetenzzentrum ihre Diplom- oder gar Doktorarbeit voranzutreiben.
Oder wie Landrat Schneider sagt: „Der Anfang ist gemacht, jetzt müssen wir noch viele Schritte tun und hoffen, dass wir das Zentrum bei uns im Kreis verwirklichen können.“