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HASSFURT: Wohngemeinschaft oder Lebensgemeinschaft?

HASSFURT

Wohngemeinschaft oder Lebensgemeinschaft?

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    Hat eine 59-Jährige zweieinhalb Jahre lang Leistungen vom Job-Center kassiert, obwohl sie mit ihrem Lebensgefährten in einer festen Beziehung lebte? Oder handelte es sich, wie die Anwälte der Frau und ihres zwischenzeitlich Verlobten ausführten, damals nur um ein Verhältnis zwischen Vermieter und Mieterin? Um den Sachverhalt im Nachhinein aufzuklären, wären sehr umfangreiche Ermittlungen nötig gewesen – mit ungewissem Ausgang. Deshalb stellte das Gericht die Strafverfahren wegen Betruges mit Auflagen, aber ohne Verurteilung ein: Wenn die Frau 1200 Euro und der Mann 800 Euro zahlen, ist die Sache vom Tisch.

    Im vorliegenden Fall ging es konkret um den Zeitraum vom April 2015 bis Oktober 2017. In dieser Zeit erhielt die Angeklagte laufende Leistungen vom Job-Center. Ilker Özalp als Vertreter der Staatsanwaltschaft warf ihr vor, dem Amt gegenüber verschwiegen zu haben, dass sie in einer festen Beziehung lebte. Die Juristen sprechen in diesem Fall von einer sogenannten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, kurz auch „V und E Gemeinschaft“ genannt. Diese 2007 gesetzlich beschlossene Formulierung ersetzt den bis dahin gängigen Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft.

    Die Behörde hatte errechnet, dass die Hilfebezieherin dadurch einen Gesamtbetrag von gut 4200 Euro zu Unrecht erhielt. Da die Hausfrau den Antrag gestellt und unterschrieben hatte, war sie des Betrugs angeklagt. Ihr vorgeblicher Vermieter, ein 50-jähriger Außendienstler, saß wegen Beihilfe zum Betrug auf der Anklagebank. Seit Januar 2018 sind beide miteinander verlobt.

    Verdachtsmomente

    Die Frau war mit Rechtsanwalt Horst Soutschek erschienen, Verteidiger des Mannes war Jens Fichtner. Die Angeklagten äußerten sich nicht persönlich zu den Vorwürfen, was ihr gutes Recht ist.

    Eine Sachbearbeiterin des Amtes erklärte im Zeugenstand, wie man darauf gekommen war, dass hier geschummelt worden sein könnte. Die Verdachtsmomente beruhten zum einen darauf, dass die vorgeblichen Mieten entgegen der im Mietvertrag festgelegten Regelung nicht überwiesen, sondern angeblich in bar übergeben worden seien. Zum anderen erhärtete sich der Betrugsverdacht insbesondere nach Durchsicht der Kontoauszüge. Mit den Barabhebungen vom Konto, argumentierte die Zeugin, hätte die Frau nicht gleichzeitig ihre laufenden Mietzahlungen und ihre Lebenshaltungskosten bestreiten können.

    Anschließend nahmen die Rechtsanwälte die Behördenmitarbeiterin regelrecht ins Kreuzverhör. Sie argumentierten, dass zahlreiche Menschen mit geringsten Ausgaben für Lebensmittel über die Runden kämen. Zudem habe die Sozialbehörde keinerlei Ermittlungen über die tatsächlichen Wohnverhältnisse vorgenommen. Niemand könne belegen, dass in dem fraglichen Zeitraum die beiden Tisch und Bett miteinander geteilt hätten. Nach dem Gesetz sei ein tatsächliches Zusammen-Leben erforderlich, um eine „E und V Gemeinschaft“ zu bilden. Ein bloßes Zusammen-Wohnen reiche nicht aus. Amtsrichterin Ilona Conver wies in einer vorläufigen Einschätzung allerdings auf Ungereimtheiten hin. So wurden beispielsweise vom Konto der Hilfebezieherin ständig Tankrechnungen beglichen, obwohl diese gar kein Kraftfahrzeug besitzt. Sie hielt die Angelegenheit insgesamt gesehen noch nicht für genügend aufgeklärt.

    Strafbefehle

    Im Vorfeld hatte der Staatsanwalt Strafbefehle an die nicht Vorbestraften geschickt. Demnach sollte die Beschuldigte 1600 Euro und ihr jetziger Verlobter 800 Euro Geldstrafe zahlen. Wenn man diese Strafbefehle akzeptiert, gleicht dies einer Verurteilung. In diesem Fall hätte das Job-Center mit Sicherheit einen Rückzahlungsbescheid über den berechneten Schaden erlassen.

    Mit der Einstellung – wenn auch mit Auflagen in ähnlicher Höhe – wurde ein Urteil vermieden. Damit erfolgt keine Eintragung ins Bundeszentralregister und die Frau muss keinen Euro der Leistungen zurückzahlen.

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