Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, liebe Leser,
in diesen Tagen werden wir ganz besonders an manche Farben unseres Lebens erinnert. Es ist Anfang November – und immer wieder, wenn es auf Allerheiligen und Allerseelen zugeht, wenn die Gräber geschmückt werden und man sich auf dem Friedhof versammelt, holen einen die unterschiedlichsten Gefühle und Gedanken ein. Auch wenn der Friedhofsgang in diesen Tagen ‚ganz anders’ ist – eines bleibt: die liebende Erinnerung an Menschen, die im Herzen immer lebendig bleiben.
Denn viele versammeln sich gerade in diesen Tagen an dem Ort, an dem ihre lieben Angehörigen ihre letzte Ruhe gefunden haben. Wir denken an den Gräbern an ganz bestimmte Personen oder sonst einen liebvertrauten Menschen, mit dem man viele Wege im Leben gegangen ist. Es sind Wege, die Spuren hinterlassen haben und deshalb ist für so manchen der Weg zum Friedhof ein ganz ‚schwerer’ Gang.
Wir werden in unseren Gedanken zwangsläufig mit dem Thema „Tod – Sterben – Was kommt danach? - Hoffnung“ konfrontiert, denn auch die Natur liegt im Sterben. Stellen wir uns einmal vor, wir würden die sterbende Natur in diesen Tagen das erste Mal erleben und wir wüssten nichts von einem Frühling. Welch schreckliche Erfahrung wäre dann der Herbst. Alles geht zugrunde. Blumen verwelken und Bäume sind kahl. Wenn wir nicht wüssten, dass neue Blumen erblühen und grüne Blätter wieder sprießen würden, dann wäre der Herbst wahrlich fürchterlich.
Und genau in diesen nach außen trostlosen und düsteren Tagen sieht man viele Menschen, die sich im Friedhof aufhalten und die ihre Gräber mit frischen Blumen schmücken und ein Grablicht anzünden. Das Licht ist ein Symbol des Glaubens, das uns die Hoffnung schenkt: Es gibt einen Frühling. Es gibt einen Frühling nicht nur in der Natur, sondern auch für die Menschen, deren Leib auf dem Friedhof begraben ist.
Für uns Glaubende ist Jesus Christus das ewige Licht. Das Grablicht will uns deshalb sagen: Hier liegt ein Mensch begraben, aber jetzt ist er bei Gott. Er lebt im Licht der Ostersonne - er ist mit Jesus auferstanden.
„Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen“. Diese Worte aus dem Johannes-Evangelium sind demnach weit mehr als nur ein billiger Trost oder ein leeres Versprechen. Sie sind die sichere und verbindliche Zusage dessen, der uns vorausgegangen ist vom Leben hinein in den Tod und weiter ins bleibende und erfüllte Leben bei Gott.
Der Herbst ist demnach nicht fürchterlich für den, der an den Frühling glaubt und der Friedhof nicht schrecklich für den, der an die Auferstehung glaubt. Wir gehen über den Friedhof und besuchen unsere „Lieben“, weil wir an ein Leben nach dem Tod glauben. Und diese hoffnungsvolle Zusage wünsche ich besonders jenen, die in diesen Tagen mit einem traurigen Herz vor dem Grab eines lieben Verstorbenen stehen.
Der Autor: Manfred Griebel ist Krankenhausseelsorger und Diakon in der Pfarrei St. Kilian Haßfurt.