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Zeil: Zeil: Wie die SPD Wähler von der AfD zurückholen will

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Zeil: Wie die SPD Wähler von der AfD zurückholen will

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    SPD-Landratskandidat Wolfgang Brühl, Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (von links) stellten sich den Fragen von Moderatorin Johanna Bamberg-Reinwand, SPD-Ortsvereins- und Kreisvorsitzende.
    SPD-Landratskandidat Wolfgang Brühl, Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (von links) stellten sich den Fragen von Moderatorin Johanna Bamberg-Reinwand, SPD-Ortsvereins- und Kreisvorsitzende. Foto: Wolfgang Sandler

    Unter dem Motto "Frag doch mal...!" stand am Mittwochabend SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zusammen mit MdB Sabine Dittmar und Landratskandidat Wolfgang Brühl interessierten Bürgern im gut gefüllten Nebenraum des Zeiler "EssZimmer" Rede und Antwort. Johanna Bamberg-Reinwand, SPD-Kreis- und Ortsvereinsvorsitzende, hatte die Moderation übernommen. Die Bürger durften Fragen formulieren zu Themen, die ihnen auf den Nägeln brennen. Und natürlich stand auch diese Diskussionsrunde "auf der Zielgeraden im Wahlkampf", so die Moderatorin, unter dem Eindruck der jüngsten Geschehnisse in Thüringen.

    Abbau staatlicher Leistungen sieht Klingbeil als Fehler

    Warum kommen die Politik und die SPD so schlecht an und warum wählen Menschen die AfD, die eigentlich gegen rechts sind?, lautete eine Frage aus Kreisen der Jusos. Und: "Wie holen wir die wieder zurück?"  Lars Klingbeil erweiterte selbst die Fragestellung durch die Überlegung, warum die Prozentzahl der AfD-Wähler in Thüringen fünfmal so hoch ist wie in Bayern, obwohl es beiden benachbarten Bundesländern wirtschaftlich gut gehe. "Der SPD muss klar sein, was für ein Verhältnis haben wir zum Staat? Wir bauen seit Jahren staatliche Leistungen ab, das Land ist durchökonomisiert. Ich halte das für einen Fehler." Klingbeil nannte als Beispiel den Pflegebereich. "Wenn ich sehe, wie die Pflegekräfte von Patient zu Patient hetzen..." Überfüllte Schulbusse, kaputte Schultoiletten, Probleme mit Mobilfunk und Internet trügen dazu bei, dass die Bürger unzufrieden sind. Unzufriedene Bürger wiederum seien eher bereit, AfD zu wählen. Klingbeil gestand in dem Zusammenhang auch ein, "dass in der Flüchtlingspolitik nicht alles funktioniert" habe.

    Lars Klingbeil beantwortete in Zeil Fragen interessierter Bürger zu verschiedenen Themenbereichen.
    Lars Klingbeil beantwortete in Zeil Fragen interessierter Bürger zu verschiedenen Themenbereichen. Foto: Wolfgang Sandler

    Der Generalsekretär erzählte eine Anekdote aus seinem Wahlkreis Rotenburg/Heidekreis in Niedersachsen. Dort rannte einmal ein Wolf auf eine junge Mutter mit Kind zu. Als die Geschichte in Berlin anrüchig wurde, kamen aus der Bundeshauptstadt nur kluge Tipps für den richtigen Umgang mit einem Wolf. "Da fühlen sich Menschen in ihrer Lebensqualität nicht ernstgenommen. Für mich steht da der Schutz des Menschen an erster Stelle", ließ Klingbeil hier keinen Interpretationsspielraum, wie er dieses Problem gerne gelöst gesehen hätte.

    "Ich überlasse die schlechte Laune gerne der AfD, die redet unser Land schlecht."

    Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär

    Die Moderatorin wies zu dem Thema darauf hin, dass die Hetze inzwischen auch im Landkreis angekommen sei. Zum Beispiel sei der Zeiler Bürgermeister "angekäst" worden: "Was habt Ihr mit dem Land angerichtet?" Johanna Bamberg-Reinwand stellte noch einmal die Frage: "Warum gehören Politik und SPD nicht mehr dazu?" Dazu der Generalsekretär der Partei: "Weil wir uns auch schlecht darstellen." Ihm werde manchmal vorgeworfen, er sei immer gut gelaunt. "Ich überlasse die schlechte Laune aber gerne der AfD, die redet unser Land schlecht." Zur schlechten Selbstdarstellung gab Klingbeil auch ein Beispiel. Die SPD habe in der Koalition dafür gesorgt, dass der Mindestlohn durchgesetzt werde. Aber während in der SPD sofort eine Diskussion darüber eingesetzt habe, ob der Mindestlohn hoch genug sei, sei inzwischen Angela Merkel an die Öffentlichkeit gegangen und habe verkündet, die Union habe den Mindestlohn eingeführt.

    Konkret zur Gefahr von rechts warnte Lars Klingbeil eindringlich: "Es haben sich Leute aufgemacht, dieses Land, diese Demokratie kaputtzumachen." In seinem Wahlkreis habe sich eine Frau öffentlich gegen die AfD ausgesprochen. darauf sei ihr ein Galgen mit entsprechender Drohung in den Briefkasten geworfen worden. Dazu habe ein AfD-Stadtrat gepostet, aufhängen wäre nichts, steinigen wäre besser, das wäre was fürs Volk. "Wir brauchen einen Aufstand der Vernünftigen. Entweder wir sind dafür, die Demokratie wieder stark zu machen, oder es werden die gewinnen, die das Land kaputtmachen." 

    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schlug sich bei seinem Besuch in Zeil wacker.
    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schlug sich bei seinem Besuch in Zeil wacker. Foto: Wolfgang Sandler

    Unter großem Applaus der anwesenden Bürger wies SPD-Landratskandidat Wolfgang Brühl darauf hin, dass es im Landkreis Haßberge keine AfD-Liste gebe. "Darauf sind wir stolz." Er gab den Demokraten den Rat, in Auseinandersetzungen mit Rechten die richtigen Argumente zu bringen. "Und manchmal muss man auf plumpe Fragen einfach auch plumpe Antworten geben." Sabine Dittmar ging nochmal auf den Fall Thüringen ein. "Man muss Courage haben, Farbe zu bekennen.  Was jetzt passiert, richtet so einen großen Schaden an am Vertrauen der Bürger in die Demokratie." Ohne Neuwahlen komme man aus der Situation in Thüringen nicht raus. "Und da hat auch die CDU mitzumachen."

    "Ich freue mich auf den Tag, an dem wir keine Grundrente mehr brauchen."

    Sabine Dittmar, Bundestagsabgeordnete

    Klare Kante zeigte der Generalsekretär zum Thema Digitalsteuer: "Wenn Amazon, Google und wie sie alle heißen bei uns Kohle verdienen, müssen sie auch hier Steuer bezahlen." Stolz ist Klingbeil darauf, "dass wir das mit der Grundrente hinbekommen haben". Dadurch werde die Lebensleistung der Menschen anerkannt.  Sabine Dittmar ergänzte: "Ich freue mich aber auch auf den Tag, an dem wir keine Grundrente mehr brauchen. Deshalb setzen wir uns für gute Löhne ein, denn das bedeutet auch eine gute Rente." Wolfgang Brühl stellte dazu fest, dass man zwar trefflich darüber diskutieren könne, ob die Grundrente hoch genug sei, aber aktuell werde den Menschen damit geholfen. Außerdem würden höhere Renten die Kommunen entlasten und somit im Sozialetat für größeren Spielraum sorgen.

    SPD möchte zwölf Euro Mindestlohn

    Auf den Appell von Paul Hümmer, der gesetzliche Mindestlohn sei "so nicht hinnehmbar", erläuterte Klingbeil zum einen, dass die SPD lange Zeit die einzige Kraft gewesen sei, die sich für den Mindestlohn eingesetzt habe, sogar als die meisten Gewerkschaften davon nichts wissen wollten. Zum anderen gestand er ein, das man von 8,50 Euro Stundenlohn nicht gut leben könne, aber damit sei jeder Lohn unter dieser Schwelle verboten. Die SPD arbeite gerade daran, dass der Mindestlohn erhöht werde. "Wir sagen, mindestens 12 Euro sollen es sein."

    "Wir müssen nur den Mut haben, die Fallpauschalen weiterzuentwickeln."

    Sabine Dittmar, MdB

    "Das Krankenhauspersonal ist überlastet, Abteilungen müssen schließen." Auf diese Behauptung ging Landratskandidat Brühl ein. Die finanziellen Probleme der Haßberg-Kliniken mit derzeit 3,4 Millionen Euro Defizit im Jahr seien die Folge der Fallpauschalen, über die eine Refinanzierung kleiner Krankenhäuser wie in Haßfurt und Ebern nicht möglich sei, da in diesen Pauschalen alles beinhaltet sei , was am Patienten an Behandlung notwendig wird. "Wir müssen schauen, dass wir Nischen finden, die die Kosten ausgleichen", so Brühl, wie die Akutgeriatrie in Haßfurt oder die Palliativstation in Ebern. Sabine Dittmar sah die Fallpauschalen zwar nicht als grundlegend schlecht an, aber "Fallpauschalen sind nicht die Lösung aller Probleme", so die Abgeordnete, "wir müssen nur den Mut haben, die Fallpauschalen weiterzuentwickeln". Pflegekosten am Bett müssten separat vergütet werden.

    Eine Lanze für die Bürgerversicherung

    Gleichzeitig brach Dittmar noch eine Lanze für ein altes sozialdemokratisches Anliegen, die Bürgerversicherung. Diese in gesetzlich und privat geteilte Krankenversicherung "kommt uns teuer zu stehen". Ins gleiche Horn stieß Wolfgang Brühl, als Rettungssanitäter  und Ausbildungsleiter im BRK Haßberge Fachmann auf diesem Gebiet: "Es geht nicht an, dass in Deutschland Privatpatienten bevorzugt behandelt werden und eher zu medizinischen Leistungen kommen." Eine Bürgerversicherung werde diesen Missstand aushebeln.

    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und SPD-Landratskandidat Wolfgang Brühl (links) diskutierten in Zeil mit interessierten Bürgern.
    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und SPD-Landratskandidat Wolfgang Brühl (links) diskutierten in Zeil mit interessierten Bürgern. Foto: Wolfgang Sandler

    Oliver Kunkel stellte auf Einladung des SPD-Kreisverbandes seine Initiative "Heimat" vor. Klingbeil bezeichnete Kunkels Anregungen zur sozialen und ökologischen Klimawende - "Menschen müssen spüren, das sie gestaltender Teil ihrer Welt sind" - als "sehr sozialdemokratisch". Der Generalsekretär warf dem Freistaat Bayern vor, beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine harte Position zum Beispiel durch die 10-H-Regelung einzunehmen. Der Eltmanner SPD-Stadtrat Hans-Georg Häfner regte an, statt einzelner Stadtwerke ein "Kreiswerk" zu installieren. "Ich bin überzeugt, im Landkreis wird mehr Energie eingespeist als verbraucht", so Häfner. Damit könne man "Berlin einmal beweisen" wie es geht. Lars Klingbeil sieht als einen Hemmschuh in Sachen EEG eine "Anti-Erneuerbare-Energien-Lobby in der Union". "Das scheitert nicht an der Kanzlerin", so Klingbeil, "da gibt es Leute wie Peter Altmaier, die das blockieren."

    "Die Jugend will nicht mehr ein Auto als Statussymbol, sondern einen ÖPNV, der funktioniert."

    Wolfgang Brühl, SPD-Landratskandidat

    Zum Thema ÖPNV kritisierte Landratskandidat Brühl: "Wenn der letzte Bus von Haßfurt nach Hofheim um 20.05 Uhr fährt, der Zug aus Würzburg aber um 20.10 Uhr ankommt, fehlt die nötige Flexibilität." Ihm schwebe eine organisierte Zentralstelle mit einer App vor, über die Mitfahrgelegenheiten wie Rufbus, Sammeltaxi oder Carsharing organisiert werden könnten. "Die Mitfahrbänkchen sind schön, werden aber kaum genutzt, weil man nicht mehr zurückkommt. Die Jugend will nicht mehr ein Auto als Statussymbol, sondern einen ÖPNV, der funktioniert."

    KKK - Kann Klingbeil Kanzler?

    Eine abschließende Frage aus dem Publikum gab Johanna Bamberg-Reinwand ihrem Generalsekretär mit nach Hause: Ob er sich vorstellen könne, einmal Bundeskanzler zu werden. Lars Klingbeil zog sich diplomatisch aus der Affäre: "Die Frage ist offensichtlich ein Zeichen dafür, dass wir den Anspruch haben, dass es ein Sozialdemokrat wird." 

    Zahlreiche Bürger nutzten die Gelegenheit, um im Zeiler "EssZimmer" mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu diskutieren.
    Zahlreiche Bürger nutzten die Gelegenheit, um im Zeiler "EssZimmer" mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu diskutieren. Foto: Wolfgang Sandler
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    Lars KlingbeilGeboren am 23. Februar 1978 in Soltau; verheiratet.1998 Abitur am Gymnasium Munster; 1998 bis 1999 Zivildienst in der Bahnhofsmission Hannover; 2001 bis 2004 Stipendiat Friedrich-Ebert-Stiftung (FES); 1999 bis 2004 Studium der Politischen Wissenschaft, der Soziologie und der Geschichte an der Leibniz Universität Hannover (Abschluss Magister).2001 bis 2003 Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Bundeskanzler Gerhard Schröder, MdB, und Heino Wiese, MdB; 2004 bis 2005 Jugendbildungsreferent, SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen; 2005 bis 2009 Büroleiter von Garrelt Duin, MdB, SPD-Landesvorsitzender.2001 bis 2016 Ratsmitglied der Stadt Munster; 2006 bis 2018 Mitglied des Kreistags Heidekreis.Seit 2006 SPD-Unterbezirksvorsitzender Heidekreis; seit 2017 Generalssekretär der SPD.2005 und seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages.2009 bis 2017 netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion; 2014 bis 2018 Vorsitzender der Landesgruppen Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion.Mitgliedschaften: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Freiwillige Feuerwehr Munster, Verkehrswacht Munster-Bispingen, Verein Sprungbrett, Verein der Förderer und Ehemaligen des Gymnasiums Munster, Kreispräventionsrat Heidekreis, Verein zur Verbesserung der Bildungschancen im Landkreis Heidekreis, Sozialverband Deutschland (SoVD), D64 - Zentrum für Digitalen Fortschritt, Lions Club Munster.Quelle: Website des Deutschen Bundestags

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