Am 18. Februar wäre die Zeiler Ehrenbürgerin Schwester Adora Baumbach 125 Jahre alt geworden. Aus Anlass ihres 50-jährigen Dienstjubiläums als Lehrerin hatte der Stadtrat 1963 der in Schweinfurt geborenen „Ehrwürdigen Schwester“ die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Bürgermeister Rudolf Winkler dankte ihr damals für den aufopfernden Idealismus, den Schwester Adora Baumbach weit über ihre Pflichterfüllung hinaus in mehr als 45-jähriger Tätigkeit für die Jugend der Stadt bewiesen hat. Landrat Oskar Heurung führte bei der Ehrung aus: Wo man den Namen Schwester Adora höre, geschehe dies mit dem Ausdruck der Verehrung und Dankbarkeit.
„Einstimmiger Irrtum“
Mit „ehrlicher Freude“ nahm die Ordensschwester die Ehrung durch den Stadtrat entgegen, die sie nach ihren Worten gar nicht verdient habe. Schelmisch fügte sie hinzu, sie habe es in der Schule nur bis zum 2. oder höchstens 3. Jahrgang gebracht und wurde dann wieder zurückversetzt. Sie dankte mit den Worten: „Ich freue mich, dass alle Stadtväter einstimmig in den Irrtum verfallen sind, dass ich mich besonders verdient gemacht habe.“
Die Geehrte wirkte lange Jahre im Pfarrbüro und betätigte sich hier auch als Chronistin des kirchlichen und weltlichen Lebens. Mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde wollte man auch die Leistungen ihres Berufes, aber auch das Engagement der anderen Schulschwestern anerkennen.
Im Caritashaus war zwischen 1931 und 1984 bis zu einem Dutzend Nonnen aus dem Orden „Töchter des Allerheiligsten Erlösers“ als Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und Altenpflegerinnen tätig. Sie hielten Kurse in Hauswirtschaft, inszenierten mit der Pfarrjugend Theaterstücke und lehrten Musik. Nicht zuletzt hielten sie auch Religionsunterricht, begleiteten Kindergottesdienste und betreuten die Kommunionkinder.
Von Nazis entlassen
Am 1. Dezember 1937 entließ das nationalsozialistische Regime alle vier Schulschwestern aus dem Schuldienst. Man hatte es so eilig damit, dass sie schon am Tag vorher mittags nach einer kurzen Verabschiedung das Schulgebäude verlassen mussten. Den anstehenden Nachmittagsunterricht durften sie schon nicht mehr halten. Die Ordensoberin aus Würzburg war im Schulhaus erschienen, um ihre Lehrerinnen Adora Baumbach, Gertrudis Mang, Floriberta Friedrich und Benedikta Weißenberger abzuholen.
Gehen mussten auch die Handarbeitslehrerin Bonaventura Schlereth und die Musiklehrerin Emmanuela Meyer. Schwester Adora widmete sich nun verstärkt pfarrgemeindlichen Aufgaben im Seelsorgebereich, im Pfarrbüro und im Organistendienst.
Schuleröffnung 1945
Während des Krieges war sie nach einem Räumungsplan im Falle eines Fliegerangriffes dafür zuständig, die Kinder aus dem Chorbereich der Pfarrkirche in einen Keller im Finanzamtsgebäude zu geleiten. Die klösterlichen Lehrkräfte wurden dann bei der Wiedereröffnung der Volksschule im 8. Oktober 1945 als erste wieder in das Lehramt berufen. Die heute noch bei vielen in Erinnerung gebliebene Schwester Hathumont Stößel kam erst 1948 an die Zeiler Schule und war hier zwanzig Jahre bis zu ihrem frühen Tod tätig. Schwester Adora fungierte im Pfarrhaus auch als Sekretärin des Zeiler Stadtpfarrers Bernhard Rüdenauer. Von einem Termin in Lülsfeld war am Allerseelentag 1956 der Wagen des Geistlichen Rates, mit Schwester Adora als Beifahrerin, auf der Rückfahrt nach Zeil bei Dampfach in ein unbeleuchtetes landwirtschaftliches Fahrzeug gefahren. Ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, verstarb Rüdenauer im Krankenhaus in Haßfurt. Der damalige Journalist Heiner Schneier war nahezu zeitgleich mit dem Rettungsfahrzeug am Unfallort eingetroffen. Er hat noch mitgeholfen, die nicht so schwer verletzte Schwester Adora in ein Privathaus zur ersten Hilfeleistung zu tragen. Im St. Josefs-Krankenhaus stellte man fünf Rippenbrüche fest, denn Gurte und Airbags waren damals noch unbekannt.
Mit 73 Jahren verstorben
Sie lebte und wirkte als klösterliche Schulschwester noch weitere elf Jahre. Nach kurzer Krankheit starb sie im Alter von 73 Jahren. Auf ihrem Sterbebild ist zu lesen, dass sie mit großer Liebe und Geduld die Kinder zu Wissen und Wahrheit führte und ihren Priestern durch ihr stilles Wirken, Beten und Opfern geholfen habe.
Auch wenn Schwester Adora als Lehrerin den Schreiber dieser Zeilen – wie andere Schüler auch – einige Male „gezöbelt“ hat: Später war der Verfasser wieder versöhnt ob der großen Hilfsbereitschaft dieser bescheidenen und frommen Frau. So gestattete sie ihm im Pfarrhaus bereitwillig bei seinen ersten Gehversuchen als Heimatforscher Einblicke in ihre umfangreichen heimatgeschichtlichen Aufzeichnungen.
Erschütternde Predigt
Auf die konnte später dann auch der Stadtchronist Hermann Mauer zurückgreifen. Auch arbeitete die Ordensschwester an einer Chronik von allen aus der Pfarrei Zeil stammenden Priestern und Ordensleuten der letzten fünf Jahrhunderte. Als der aus dem KZ Dachau kurz vor Kriegsende nach Zeil zurückkehrende Pfarrer Fritz Seitz, dessen Mutter am Kaulberg wohnte, an Pfingsten 1945 eine erschütternde Predigt über seine Erlebnisse hielt, notierte Schwester Adora für die Nachwelt den hochbrisanten Wortlaut mit.
Das strenge Regiment der Schullehrerin Adora Baumbach war sicher auch der damaligen Zeit geschuldet. So reimte einmal bei einem Klassentreffen ihre einstige Schülerin Brigitte Böllner, geborene Scheuring: „Am ersten Schultag hat sicher kaner von uns geflennt. Denn die Schwester Adora hat doch jeder gekennt. Die hat gewiss g?habt mit uns ihr große Plag. Denn wir war?n über 70, wie ich mich erinnern mag. Heut machen sa da sicher drei Klassen d?raus. Denn die heutigen Lehrer halten nimmer so viel aus.“
Regentropfen-Tränen
„Jeder Regentropfen ist eine Träne“, heißt ein nordirisches Sprichwort bei Beerdigungen. Als die Ehrwürdige Schwester Adora an einem Julitag 1967 im Kreuzfriedhof beerdigt wurde, weinte der Himmel viele bittere Tränen. Doch der wolkenbruchartige Regen konnte die vielen Trauerleute keinesfalls davon abhalten, ihrer verdienstvollen Ehrenbürgerin die letzte Ehre zu erweisen.