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    Im Einsatz für „Ärzte ohne Grenzen“ und die Bundeswehr: Dr. Vera Kühne aus Bamberg engagiert sich für Menschen in Krisengebieten. Nun hat sie ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben.
    Im Einsatz für „Ärzte ohne Grenzen“ und die Bundeswehr: Dr. Vera Kühne aus Bamberg engagiert sich für Menschen in Krisengebieten. Nun hat sie ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben. Foto: Foto: Sabine Mahler

    Bamberg Mazedonien, Haiti, Sudan, Papua-Neuguinea, Afghanistan: Die Bamberger Chirurgin Dr. Vera Kühne hat vielen tausend Menschen in den Krisengebieten unserer Erde geholfen. Sie engagierte sich bei „Ärzte ohne Grenzen“ und war als Bundeswehrärztin in Afghanistan. Nun hat sie mit dem Buch „Grenzenlos“ ihre Erlebnisse zu Papier gebracht.

    Frage: Wie sind Sie zu „Ärzte ohne Grenzen“ gekommen?

    Vera Kühne: Mir war schon sehr früh klar, dass ich andere Länder und andere Kulturen kennenlernen möchte. Ich habe als Teenager viele Abenteuerromane gelesen. Dieser Wunsch hat bei der Berufswahl eine Rolle gespielt. Gerade als Ärztin hat man die Chance, eine fremde Kultur kennenzulernen, ohne nur Beobachter zu sein. Im Gegenteil, man kann auch etwas mitbringen. Das ist ein fairer Austausch, und man ist nicht nur Voyeur.

    Ärztin ist an sich ein toller Beruf, und man kann ihn gut mit meinem Wunsch, fremde Länder kennenzulernen, verbinden, denn Ärzte braucht man überall auf der Welt. Dementsprechend lag es nahe, zu „Ärzte ohne Grenzen“ zu gehen.

    Haben Sie Angst um Ihr eigenes Leben bei Ihren Einsätzen in Krisengebieten?

    Kühne: Ich gehöre zu den Menschen, denen die Gefahr oft erst hinterher so richtig bewusst wird. Ich bin ein neugieriger Mensch, und zugegebenermaßen gehört eine Portion Abenteuerlust bei solchen Einsätzen immer dazu. Außerdem ist man beispielsweise bei Bombenangriffen als Ärztin in einer besonderen Situation: Es ist viel zu viel zu tun. Da setzt einfach ein Mechanismus ein und es geht nur darum, jetzt das Chaos zu organisieren. Erst hinterher kommt mir dann der Gedanke, dass ich selbst hätte betroffen sein können.

    Vor dem Sterben selbst habe ich allerdings auch keine Angst, ich denke mir, wenn ich tot bin, bin ich tot, das ist etwas Abgeschlossenes, da kann ich dann auch nichts mehr bedauern. Angst habe ich vielmehr davor, verstümmelt oder in irgendeiner Form behindert zu werden und nicht mehr so frei und unabhängig leben zu können, wie ich es jetzt tue.

    Wie geht Ihre Familie damit um, dass Sie sich so oft in Gefahr begeben?

    Kühne: An den meisten Einsätzen habe ich teilgenommen, als ich noch nicht verheiratet war. Ich weiß, dass meine Mutter sehr viel Angst davor hatte, aber sie hat mich trotzdem immer machen lassen. Außerdem bin ich die älteste Tochter und war sowieso die erste, die von zu Hause weg gegangen ist und die immer schon ihre eigenen Wege ging. Als Jüngste in der Familie wäre das vielleicht etwas anderes gewesen.

    Allerdings ist es für mich schwerer geworden, seitdem ich meinen Mann kenne. Er ist Soldat, und ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn er sich in Gefahr begibt und in einen Einsatz geht. Deshalb kann ich es mir gut vorstellen, wie es anders herum sein muss. Also ist man aus Rücksicht auf den Partner automatisch vorsichtiger.

    Wenn wir Kinder hätten, würde ich wahrscheinlich nicht so oft ins Ausland gehen – vor allem nicht in Kriegsgebiete. Entwicklungshilfe wäre durchaus eine Möglichkeit, das ist nicht so gefährlich und man kann die Kinder sogar mitnehmen. Aber ich glaube, man würde Kindern unrecht tun, richtig lange weg zu sein und vielleicht sogar Patrouille zu fahren.

    Woher nehmen Sie immer wieder die Energie in Krisengebiete zu reisen?

    Kühne: Die Einsätze sind psychisch und physisch schon sehr kräftezehrend, aber sie sind auch das, was mich meinen Job hier in Deutschland überhaupt machen lässt – das muss ich ganz klar sagen. Medizin in Deutschland macht nämlich gar keine Freude! Es wird ständig über die Ärzte geschimpft, und die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Man kann als Arzt hier nicht mehr frei arbeiten, sondern man muss auch noch Kaufmann sein. Das Krankenhaus ist in Deutschland inzwischen zu einer Firma geworden, in der Gesundheit verkauft werden soll. Das finde ich sehr bedenklich. Es ist auch nicht die Art von Medizin, die ich immer machen wollte. Ich fühle mich teilweise gar nicht mehr als Ärztin, sondern als Kauffrau. Das ist sehr frustrierend.

    Diesen Umstand gleiche ich mit meinen Einsätzen immer wieder aus. In den Krisengebieten erhalte ich eine ganz andere Art der Anerkennung. Diese Anerkennung ist nicht materiell, dafür aber ideell.

    Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Ihre Erfahrungen zu schreiben?

    Kühne: Ich habe schon immer Tagebuch geschrieben und gerade während meiner Auslandseinsätze habe ich verstärkt geschrieben. Das ist meine Art, den Tag zu analysieren und zu rekapitulieren oder einfach Dinge zu Ende zu denken. So kann man auch schöne Momente auf Papier bannen, damit sie bestehen bleiben.

    Als ich schließlich nach acht Monaten aus dem Sudan abgereist bin, hat der Stammesälteste eine Rede gehalten und mich ganz konkret dazu aufgefordert, die Geschichte der Dinka zu erzählen. Der Stamm weiß nicht, ob er den dort herrschenden Krieg überlebt, und da ich so nah bei ihnen war und mit ihnen gelacht und gelitten habe, bin ich eine Zeugin. Deshalb habe ich den Auftrag bekommen, über die Dinka zu berichten. Das war auch keine Bitte, die da vom Stammesältesten kam, sondern eine ganz deutliche Aufforderung.

    Also habe ich meine Erlebnisse immer wieder meinen Freunden erzählt. Die waren sehr beeindruckt und haben mich aufgefordert, alles aufzuschreiben. Deshalb habe ich meine Tagebuchaufzeichnungen in ein Buch umgearbeitet.

    Zur Person

    Dr. Vera Kühne, Jahrgang 1968, ist Chirurgin mit Zusatzqualifikationen in Notfallmedizin, Tropenmedizin sowie Chirurgie zur Versorgung von Kriegs- und Schussverletzungen. Ihre Auslandseinsätze führten sie auf alle fünf Kontinente. Um das Geld für ihre ehrenamtlichen Auslandseinsätze zu verdienen, arbeitet sie zwischendurch in Deutschland als Notfallmedizinerin, Flugärztin, Chirurgin und Gutachterin. Vera Kühne ist mit einem Bundeswehroffizier verheiratet und lebt in Bamberg.

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